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Samgar-Nebu

Andere Schreibweise: Samgar-Nebo

(erstellt: Januar 2020)

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Samgar-Nebu ist in Jer 39,3 der Name eines babylonischen Anführers, doch zeigen babylonische Quellen, dass es sich bei diesem Namen um einen Überlieferungsfehler handeln dürfte.

1. Jer 39,3 im biblischen Text

Bei der → Eroberung Jerusalems durch die → Babylonier im Jahr 587 v. Chr. nahmen nach Jer 39,3 alle Anführer der babylonischen Truppen im sog. Mittel-Tor Platz. Vier dieser Anführer werden im Masoretischen Text namentlich genannt, die beiden ersten ohne Amtsbezeichnung, die beiden letzten mit Amtsbezeichnung:

2) Samgar-Nebu (סַמְגַּר־נְבוּ samgar-nəvû),

3) Sar-Sechim, der „Oberkämmerer“ (vgl. Jursa 2010, 87),

4) Nergal-Sarezer, der „Ober-Mag“ (die Amtsbezeichnung sonst nur Jer 39,13).

Die → Septuaginta, in deren Fassung des → JeremiabuchsJer 39,3 als Jer 46,3 erscheint, versteht die beiden Amtsbezeichnungen als Name bzw. Namensbestandteil und kommt so zu einer Liste von fünf Personennamen: 1) Nargalasar, 2) Samagoth, 3) Nabusarsachar, 4) Nabusaris, 5) Nagargasnaser-Rabamag (die Schreibweise der Namen folgt der Edition → Rahlfs; die Handschriften bieten zum Teil deutlich abweichende Namensformen; vgl. Barthélemy, 726f). Von dem Namen Samgar-Nebu wird „Nebu“ hier zum folgenden Namen gezogen.

Die → Vulgata zerteilt darüber hinaus einige Namen und kommt dadurch auf neun Personennamen: 1) Neregel, 2) Sereser, 3) Semegar, 4) Nabu, 5) Sarsachim, 6) Rabsares, 7) Neregel, 8) Sereser und 9) Rebmag.

2. Rekonstruktion des ursprünglichen Textes

Der ursprüngliche Text von Jer 39,3 nannte wahrscheinlich nur drei Würdenträger jeweils mit ihrem Namen und ihrer Amtsbezeichnung:

1) Nergal-Sarezer, der Simmagir,

2) Nebu-Sar-Sechim, der „Oberkämmerer“,

3) Nergal-Sarezer, der „Ober-Mag“.

Für diese Rekonstruktion sprechen babylonische Quellen. Auf dem in Babylon gefundenen und als „Hofkalender“ bezeichneten Prisma EŞ 7834 aus dem Jahr 598/597 v. Chr. befindet sich eine Bauinschrift, zu der als Anhang auch ein Verzeichnis der wichtigsten babylonischen Würdenträger zur Zeit Nebukadnezars II. gehört. In Zeile VI,21 (Zählung nach der Edition von Da Riva, dort S. 213; vgl. Unger 1931, IV,22 dort S. 285.290) erscheint der spätere König Neriglissar (560-556 v. Chr.) mit der Funktionsbezeichnung simmagir (Unger: Sin-magir), die ein hohes Amt meint, dem Kontext nach vermutlich das des Gouverneurs einer Provinz im Osttigrisland (AHw II, 1045; von Soden 1972, 85f.88-90; Jursa 2010, 97; da Riva, 201.204). Das führt zu der Annahme, dass es sich bei dem Nergal-Sarezer von Jer 39,3 um Neriglissar handelt und Samgar-Nebu kein Name ist, sondern סַמְגַּר samgar als סִמָּגִר simmāgir zu lesen und als Amtsbezeichnung zum voranstehenden Namen zu ziehen ist: „Nergal-Sarezer, der Simmagir“ (Da Riva, 204). נְבוּ nəvû ist dann ein Bestandteil des folgenden Namens: Nebu-Sar-Sechim, bei dem es sich dann um den in einem babylonischen Text (BM 114789) bezeugten Oberbefehlshaber (rab ša-rēši) Nabû-šarrūssu-ukīn handeln dürfte (Jursa 2008, 9f; ders. 2010, 88; ders. 2011, 164f).

Die Lutherbibel (2017) und die Einheitsübersetzung (2016) verstehen סִמָּגִר simmāgir nicht als Amtsbezeichnung, sondern als topographische Angabe: „Nergal-Sarezer (der Fürst) von Sin-Magir“. Diese Deutung geht auf Bewer (1925, 130) und → Rudolph (1930, 283f) zurück, nach denen es sich bei Sinmagir um eine Stadt handelt. Dem folgt noch der Apparat der BHS, der von Rudolph stammt und den Text auch darüber hinaus verändert, was in den Kommentaren vielfach aufgenommen wurde (vgl. z.B. Holladay, 268f).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992

2. Weitere Literatur

  • Barthélemy, D., Critique textuelle de l’Ancien Testament: 2. Isaïe, Jérémie, Lamentations (OBO 50/2), Freiburg (Schweiz) / Göttingen 1986
  • Bewer, J.A., Nergalsharezer Samgar in Jer 39:3, AJSL 42 (1925), 130
  • Borger, R., Der Hofstaat Nebukadnezars II., in: TUAT I, Gütersloh 1984, 405-406
  • Da Riva, R., Nebuchadnezzar II’s Prism (EŞ 7834): A New Edition, ZA 103 (2013), 196-229
  • Fischer, G., Jeremia 26-52 (HThK.AT), Freiburg 2005
  • Holladay, W.L., Jeremiah 2 (Hermeneia), Minneapolis 1989
  • Jursa, M., Nabû-šarrūssu-ukīn, rab ša-rēši, und „Nebusarsekim“ (Jer. 39:3), NABU 2008/1, 9-10
  • Jursa, M., Der neubabylonische Hof, in: B. Jacobs / R. Rollinger (Hgg.), Der Achämenidenhof / The Achaemenid Court (Classica et Orientalia 2), Wiesbaden 2010, 67-106
  • Jursa, M., „Höflinge“ (ša rēši, ša rēš šarri, ustarbaru) in babylonischen Quellen des ersten Jahrtausends, in: J. Wiesehöfer / G. Lanfranchi / R. Rollinger (Hgg.), Ktesias’ Welt / Ctesias’ World (CleO 1), Wiesbaden 2011, 159-173
  • Rudolph, W., Zum Text des Jeremia, ZAW 7 (1930), 272-286
  • Soden, W. von, Akkadisches Handwörterbuch, 3 Bde., Wiesbaden 1972-1985 (= AHw)
  • Soden, W. von, Der neubabylonische Funktionär simmagir und der Feuertod des Šamaš-šum-ukīn, ZA 62 (1972), 84-90
  • Soden, W. von, Zum hebräischen Wörterbuch, UF 13 (1981), 157-164; auch in: ders., Bibel und Alter Orient: Altorientalische Beiträge zum Alten Testament (BZAW 162), Berlin / New York, 195-205
  • Unger, E., Namen im Hofstaate Nebukadnezars II., ThLZ 50 (1925), 481-486
  • Unger, E., Babylon. Die heilige Stadt nach der Beschreibung der Babylonier, Berlin / Leipzig 1931

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