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Andere Schreibweise: Korban; Qurba

(erstellt: Januar 2010)

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Qorban bezeichnet Tiere, Speisen und Wertgegenstände unter dem Aspekt, dass sie als Gaben zum Heiligtum gebracht werden.

1. Allgemeine Bemerkungen: Qorban im Alten Testament und in frühjüdischen Texten

Der Begriff Qorban (קָרְבָּן qårbān) kommt im Alten Testament primär in den Büchern Leviticus (40 Belege) und Numeri (38 Belege) sowie sonst nur noch in Ez 20,28; Ez 40,43 vor. Es handelt sich um einen kultischen Spezialbegriff mit unterschiedlichen Funktionen.

1.1. Als Bezeichnung für einzelne Opferarten

Qorban bezeichnet verschiedene Opferarten (→ Opfer), nämlich

a) das Brandopfer (Lev 1,3.10.14);

c) das Gemeinschafts-Schlachtopfer (Lev 3,1.2.6.7.8.12.14; Lev 7,13.14.15.16.29);

d) das Sündopfer (Lev 4,23.28.32; Lev 5,11).

Die Bezeichnung fehlt im Ritualgesetz für das Schuldopfer (Lev 7,1-7). Allerdings bezieht sich Qorban in Lev 1,2; Lev 7,38 als Oberbegriff (s.u. 1.2.) auf alle in Lev 1-7 aufgelisteten Opferarten, und damit auch auf das Schuldopfer.

Da Qorban sowohl das Tieropfer als auch das pflanzliche Speisopfer (מִנְחָה minchāh, Lev 2) bezeichnet, kann die → Schlachtung / Schächtung für die Bezeichnung nicht konstitutiv sein. In Lev 3,1.2.6.7.8.12 meint Qorban meist die gesamte Opfermaterie, in Lev 3,14 dagegen ausschließlich die Fettanteile (→ Fett), die auf dem Brandopferaltar als „Feuergabe“ (אִשֶּׁה ’iššæh; zur Übersetzung dieses Begriffs vgl. Eberhart, 2002, 40-48) verbrannt wurden. Dies lässt auf eine konzeptionelle Nähe zu dieser Verbrennung schließen.

1.2. Als Oberbegriff für kultische Opfer

Der Begriff Qorban ist auch ein umfassender Oberbegriff für verschiedene Opferarten (Lev 1,2; Lev 7,38; Lev 9,7.15; Lev 17,4; Lev 22,18.27; Lev 27,9.11; Num 6,14.21; 7,10.11.12.13.17.19.23.25.29.31.35.37.41.43.47.49.53.55.59.61.65.67.71.73.77.79.83; Num 15,4.25; Num 18,9; Num 28,2; Ez 20,28 [nur hier in ablehnendem Sinn]; Ez 40,43). In dieser Funktion erscheint das Wort neben anderen Oberbegriffen wie dem Begriff מִנְחָה minchāh (Num 16,15; 1Sam 2,17; Mal 1,10-13 u.ö.; vgl. Marx, 1994, 6-15), der rituelle Opfer als Ausdruck der Huldigung Gottes erkennen lässt, אִשֶּׁה ’iššæh „Feuergabe“ (Ex 30,20; Lev 6,10.11; Lev 22,22.27; Lev 23,8.25.27; Num 15,25; Num 28,3.19; 1Sam 2,28), der allgemein vermittelt, dass Opfermaterial durch die Verbrennung auf dem Brandopferaltar in entscheidender Weise transformiert wird, und לֶחֶם læchæm „Brot / Speise“ (Lev 21,17.21; Num 28,2; Ez 44,7; Mal 1,7), der darauf anspielt, dass die gesamte Opfersubstanz essbar ist (Marx, 2003, 575f).

1.3. Als Bezeichnung für sonstige Rituale

Qorban kann auch andere → Rituale bezeichnen, nämlich den Passaritus (→ Passa; Num 9,7.13). Diese Verwendung weist auf das wechselnde Verständnis des Passarituals hin, das seine Ursprünge in einem apotropäischen Ritus hat, gelegentlich aber dennoch zu den kultischen Opfern gezählt wurde (Ex 12,27).

1.4. Als Bezeichnung für Wertobjekte

Schließlich bezeichnet Qorban diverse andere Materialien, die dem Heiligtum aus bestimmten Anlässen übergeben werden, so Wagen samt ihren Rindergespannen (Num 7,3), silberne und goldene Gefäße (Num 7,10.11.12.13.17.19.23.25.29.31.35.37.41.43.47.49.53.55.59.61.65.67.71.73.77.79.83) sowie sonstige Wertobjekte aus Gold (Num 31,50). Eine derartige Verwendung des Begriffs ist bei Ausgrabungen bestätigt worden: „Archaeological excavations have turned up objects, inscribed with the word qorbān, for presenting or preparing offerings” (Milgrom, 1991, 145). In Num 7,10.84 erscheint der Begriff חֲנֻכַּת הַמִּזְבֵּחַ chanukkat hammizbeach „Einweihungsgabe des Altars“ als paralleler Oberbegriff zu Qorban mit Bezug auf solche Wertobjekte.

Verwandt ist der Begriff קֻרְבָּן qurbān, der die Gabe von (bzw. den Vorrat an) „Feuerholz“ für den Brandopferaltar bezeichnet (Neh 10,35; Neh 13,31). Allerdings ist ungeklärt, ob diese Form „nur künstlich durch die Punktation von קָרְבָּן unterschieden wird oder ob tatsächlich eine andere Form zugrunde liegt“ (Rendtorff, 24).

In hebräischen und aramäischen Texten aus Qumran erscheint der Begriff Qorban in analoger Weise, so in einer Bemerkung über das „Fest der Holzgabe“ (מועד קרבן העצים mw‘d qrbn h‘ṣjm, 4Q325 Fragment 2,7), oder als Oberbegriff für kultische Opfer (4QAram. Levic = 4Q213b Fragment 1,6). Auch in westaramäischen altjüdischen Inschriften kann Qorban in einem weiten Sinne z.B. den Gewinn bezeichnen, den jemand für etwas erzielt und Gott darbringt (vgl. Fabry, 171).

2. Konzeptioneller Hintergrund, Bedeutung und Übersetzung von Qorban

2.1. Qorban und die Verben „herbeibringen / darbringen“

Der Begriff קָרְבָּן qårbān ist Aktionsnomen zu קרב qrb „sich nähern“; verschiedentlich findet sich in alttestamentlichen Texten über kultische Opferrituale auch die figura etymologica הִקְרִיב קָרְבָּן hiqrîv qårbān (Lev 1,2; Lev 3,14; Lev 17,4; Num 15,4 u.ö.). קָרְבָּן qårbān ist in der Regel bestimmt als „Qorban für JHWH“ (קָרְבָּן ליהוה qårbān ləjhwh; Lev 1,2.14; Lev 7,38; Lev 17,4; Num 15,4; s. auch Num 7,3 „vor JHWH“), beschreibt also eine Annäherung bzw. Darbringung an JHWH. Dementsprechend findet sich in kultischen Opferritualen häufig das Verb קרב qrb Hif. „herbeibringen / darbringen“ (Lev 1,2.3.5.10; Lev 3,1; Lev 4,3.14; Lev 5,8; Lev 7,9; s. auch Lev 21,17), manchmal aber auch dessen Äquivalente בוא bw’ Hif. „(herbei-)bringen“ (Lev 2,2.8; Lev 4,23.28; Lev 5,6.11; Lev 17,4.5) und נגשׁ ngš Hif. „(herbei-)bringen“ (Lev 2,8; vgl. Marx, 2005, 109). Diese Verben beschreiben hier ebenfalls eine Gesamtdynamik, die zum Heiligtum und dort zum Brandopferaltar bzw. letztlich zu JHWH hin führt (s. besonders Lev 17,3-9; vgl. dazu Eberhart, 2002, 101-103).

Allgemein gelten diese Aspekte kultischer Opfer in vergleichbarer Weise für die Darbringung von sonstigen Wertobjekten (Rindergespanne, silberne und goldene Gefäße, Schmuck, Num 7; Num 31,50). Auch hier finden sich häufig Verben wie קרב qrb Hif. „herbeibringen, darbringen“ (z.B. Num 7,2.10.11.12; Num 31,50), בוא bw’ Hif. „(herbei-)bringen“ (Num 7,3) und נתן ntn „geben“ (Num 7,5.6.7.8.9), die eine Dynamik hin zum Heiligtum beschreiben.

2.2. Konzeptioneller Hintergrund

Aufgrund dieses Aspekts artikuliert der Begriff קָרְבָּן qårbān allgemein eine theologische Sinndimension von Opferritualen und materiellen Gaben an das Heiligtum. Er setzt eine konzentrische Heiligkeitskonzeption voraus, in deren Mittelpunkt sich das Heiligtum und besonders das Allerheiligste als Residenz Gottes befinden. Das Wort beschreibt speziell die Bewegung kultischer Opfer aus der profanen Umwelt, nämlich normalerweise vom Domizil der Opfergeber, hin zum Heiligtum. Diese Bewegung wird vor allem bei jährlichen Jahresfesten (Ex 23,14-17; Ex 34,18-26; Lev 23,1-44; Dtn 16,1-17) realisiert, bei denen manche Teilnehmer unter Umständen mehrere Tage lang zum Heiligtum hinreisen. Sie setzt sich am Heiligtum fort, insofern anfängliche rituelle Handlungen wie Handaufstemmung und → Schächtung von Opfertieren noch in weniger heiligen Bereichen des Vorhofes stattfinden (Lev 1,11; Ez 40,39-43). Die Verbrennung (קטר qtr Hif.; Lev 1,9.13; Lev 2,2; Lev 3,5; Lev 4,10.19; Lev 7,5) der Opfermaterie auf dem hochheiligen Brandopferaltar vollendet diese dynamische Bewegung; dabei ereignet sich die eigentliche „Übergabe“ der Opfermaterie an Gott (Eberhart, 2004, 489-491). Aufgrund dessen ist die Dynamik kultischer Opferrituale der von Eliminationsriten (Lev 16,20-22) diametral entgegengesetzt, denn deren Bewegung zielt weg vom Heiligtum in den unkultivierten Bereich der „Wüste“.

Die Darbringung von sonstigen Wertobjekten entspricht der von kultischen Opfern. Konzeptionell verbunden sind beide, da in der teils nomadisch geprägten Gesellschaft Israels / Judas der Wohlstand Einzelner primär anhand der Größe von Tierherden bemessen wird. Opfertiere sind letztlich ebenso Vermögenswerte wie Objekte aus Edelmetall.

2.3. Übersetzung

Aufgrund dieses konzeptionellen Hintergrundes werden als Übersetzung von קָרְבָּן qårbān meist folgende Alternativen verwendet: δῶρον „Geschenk / Gabe“ (→ Septuaginta; vgl. auch Yerkes, 248; Daniel, 119-130), hostia „Opfer“ bzw. oblatio „Darbringung“ (Vulgata), „Opfer“ (Kühlewein, 677f; Gerstenberger, 21), „Darbringung“ (Rendtorff, 15f.24), „Annäherung“ bzw. „Darbringung“ (Willi-Plein, 25f), „Opfergabe“ bzw. „Annäherung“ (Staubli, 49); „offering“ (Milgrom, 1990, 55; ders., 1991, 145).

3. Belege im Neuen Testament und im Klassischen Judentum

Im Neuen Testament wird entsprechend der Übersetzung der LXX ein kultisches Opfer als δῶρον „Gabe“ bezeichnet (Mt 5,23-24). In Mk 7,11 wird Qorban als Fremdwort übernommen und übersetzt: κορβᾶν, ὅ ἐστιν δῶρον „Qorban, das ist [bedeutet] Gabe“. Es bezieht sich hier auf die umstrittene Praxis, den eigenen Eltern notwendigen finanziellen Beistand unter dem Vorwand zu entziehen, die betreffende Summe durch den Ausspruch „Qorban“ dem Tempel als Weihegabe gelobt zu haben (Derrett). Von diesem Begriff ist das Wort κορβανᾶς abgeleitet, das in Mt 27,6 (s. auch Josephus, Bellum Judaicum 2,175; Text gr. und lat. Autoren) als Terminus für den Tempelschatz belegt ist.

Im Klassischen Judentum wird Qorban speziell für kultische Opfer und Gelübde verwendet. So enthält der Mischna-Traktat Nedarim 1,3-2,2 Vorschriften über Gelübde, die als Qorban gelten. Im Jerusalemer Talmud im Traktat Joma 39 bezeichnet der Begriff die Opfer Einzelner und der Gemeinde (Text Talmud 2). Zur weiteren Wirkungsgeschichte des Begriffs gehört z.B. das Qurban Bajrami (persisch: eyd-e Qurban) genannte islamische Opferfest, welches zum Höhepunkt des Hadsch (Wallfahrt nach Mekka) gefeiert wird.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Stuttgart 1933-1979
  • Encyclopaedia Judaica, Jerusalem 1971-1996
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
  • Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York 1977-2004
  • Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, München / Zürich 1978-1979
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007

2. Weitere Literatur

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  • Derrett, J.D.M., 1969/1970, κορβαν, Ο Εστιν δΩρον, NTS 16, 364-368
  • Eberhart, C., 2002, Studien zur Bedeutung der Opfer im Alten Testament. Die Signifikanz von Blut- und Verbrennungsriten im kultischen Rahmen (WMANT 94), Neukirchen-Vluyn
  • Eberhart, C., 2004, A Neglected Feature of Sacrifice in the Hebrew Bible. Remarks on the Burning Rite on the Altar, HTR 97, 485-493
  • Fabry, H.-J., 1993, Art. קָרְבָּן qŏrbān, in: ThWAT, Stuttgart u.a., Bd. VII, 165-171
  • Gerstenberger, E.S., 1993, Das dritte Buch Mose. Leviticus (ATD 6), Göttingen
  • Kessler, R., 2004, Die Theologie der Gabe bei Maleachi, in: F.-L. Hossfeld / L. Schwienhorst-Schönberger (Hgg.), Das Manna fällt auch heute noch. Beiträge zur Geschichte und Theologie des Alten, Ersten Testaments (FS E. Zenger; Herders Biblische Studien 44), Freiburg u.a., 392-407
  • Kidner, D., 1982, Sacrifice – Metaphors and Meaning, TynB 33, 119-136
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  • Marx, A., 2006, Tuer, donner, manger dans le culte sacrificiel de l’ancien Israël, in: S. Georgoudi / R. Koch Piettre / F. Schmidt (Hgg.), La cuisine et l’autel. Les sacrifices en questions dans les sociétés de la Méditerranée ancienne (BEHE.R 124), Turnhout, 3-13
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  • Rendtorff, R., 2004, Leviticus. 1. Teilband (BK.AT 3), Neukirchen-Vluyn
  • Staubli, T., 1996, Die Bücher Levitikus, Numeri (NSK.AT 3), Stuttgart
  • Willi-Plein, I., 1993, Opfer und Kult im alttestamentlichen Israel. Textbefragungen und Zwischenergebnisse (SBS 153), Stuttgart
  • Yerkes, R.K., 1952, Sacrifice in Greek and Roman Religions and Early Judaism, New York

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