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Hilfe / Helfer (AT)

(erstellt: März 2018)

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Erzählungen von, aber auch Bitten um und Forderungen nach zwischenmenschlicher Hilfe und göttlichem helfenden Eingreifen sind in allen Kulturen des Alten Orients verankert und auch das Alte Testament berichtet von benötigter und gewährter Hilfe sowie von Helferinnen und Helfern.

Gebräuchlich sind vor allem die hebräischen Wortfelder עזר ‘zr und – gerade im Kontext von Rettung – ישׁע jš‘, aber auch Formen der Wurzeln חזק ḥzq, יעל j‘l, סמך smk, סעד s‘d, עדר ‘dr und עושׁ ‘wš werden verwendet. Als griechisches Äquivalent für die Bezeichnung von Helfenden dient zumeist βοηθός boēthos und im Rettungskontext σωτήρ sōtēr bzw. σωτήριον sōtērion.

1. Hilfe als Bitte und Forderung

Hilfe für das Gegenüber, gerade, wenn es sich in einer Notsituation befindet, gehört zu den alttestamentlichen Grundprinzipien moralischen Handels (→ Ethik) und unterstreicht die → Gerechtigkeit der Akteure (z.B. Jes 41,6; Jes 58,7 und Hi 31,16-20; zu [christlichen] Konzeptionen der Hilfe s. Albert). Diakonisches Handeln, → Gastfreundschaft und – genereller – Nächsten- (Lev 19,18) und Fremdenliebe (Lev 19,34; → Liebe) werden gefordert und als Motiv auch narrativ breit entfaltet (Gen 18,1-16). Dabei impliziert gerade der Aspekt der Liebe das aktive und unterstützende Handeln am bedürftigen Gegenüber, wie es etwa in der geforderten Versorgung des Fremdlings (→ Fremde) mit → Kleidung und → Nahrung als imitatio dei in Dtn 10,17-19 greifbar wird.

2. Helferinnen und Helfer

In Notsituationen erfährt der Mensch seine Hilfsbedürftigkeit und bisweilen das Fehlen von Hilfe (Dtn 22,27; Dtn 28,29-31; Hi 6,13). In dieser Lage bittet er zumeist um menschliche und göttliche Unterstützung, wie etwa im Klage- und Bittkontext beispielhaft in Ps 22 (V. 12: Abwesenheit eines Helfers [עוֹזֵר ‘ôzer] mit Bitte um göttliches Eingreifen; → Psalmen).

2.1. Menschliche Hilfe

2.1.1. Gegenseitige menschliche Hilfe

Gegenseitige menschliche Hilfe wird im privaten Leben, aber auch im größeren Rahmen der Gemeinschaft benötigt und trägt zu einer politisch und sozial stabilen Gemeinschaft bei. So sorgen die → Richter für Rettung (Ri 3,9.15.31), der → König soll seinen Volksangehörigen helfen (2Kön 6,26) und auch die gegenseitige Unterstützung im Kriegsfall ist vonnöten (Jos 10,6; 1Kön 20,16).

2.1.2. Die Frau als Hilfe des Mannes

Besonders in Bezug auf die Rollenzuschreibung der Frau als Hilfe / Gehilfin des Menschen / Mannes in der → Paradiesgeschichte stellt sich jedoch die Frage nach einer Hierarchisierung der Beziehung zwischen Akteur und helfender Person, wie sie sich in der einflussreichen Auslegungsgeschichte dieses Textes zeigt. Das Alte Testament kennt sowohl Hilfe als Unterstützung durch Personen niederer Stellung (2Sam 21,17) als auch Unterstützung von höherer oder äquivalenter Stellung. Unterstützung von höherer Stelle manifestiert sich besonders in göttlicher Hilfe (vgl. Bosworth, 801). Doch wurde die Bezeichnung der Frau als „Gehilfin“ (so noch Lutherbibel 1984; Lutherbibel 2017: „Hilfe“) des Mannes zumeist – und sozialgeschichtlich verhängnisvoll – der ersten Kategorie zugeordnet. Entscheidend ist jedoch die Wahrnehmung der Perspektive in der Paradiesgeschichte (vgl. Navarro Puerto, 210f.). Im Blick ist in Gen 2,18 der Mann, dem nun eine Hilfe gegeben ist, die ihm im Gegensatz zu den Tieren entspricht (עֵזֶר כְּנֶגְדּוֹ ezær kənægdô). Durch sie wird der Mangel der sozialen Einsamkeit des Menschen ausgeglichen, es wird keine soziale Hierarchie gestiftet (vgl. Bosworth, 801f.; Dohmen, 156f. und besonders Ska). In Sir 36,29 (Lutherbibel: Sir 36,26) wird diese dem Mann entsprechende Hilfe (βοηθός boēthos) positiv hervorgehoben und als Stütze qualifiziert.

2.2. Göttliche Hilfe und Rettung

Gerade im Kriegs- und Bedrückungskontext wird neben der menschlichen Hilfe auch die Notwendigkeit göttlichen Eingreifens und Rettens betont (vgl. Dtn 20,4; Ps 108,13). Dabei bezieht sich Gottes Hilfe sowohl auf den Einzelnen als auch das Volk als Ganzes (genauer s. Schreiner). Besonders das rettende Eingreifen im → Exodus als Teil der → Heilsgeschichte (vgl. Ex 14,13.30) unterstreicht die göttliche Hilfe für sein Volk. Der Hilferuf (הוֹשִׁיעָה hôšî’āh „hilf!“, vgl. individuell Ps 3,8; Ps 22,22, kollektiv Ps 28,9; Ps 79,9 u.ö. und dann den neutestamentlichen Hosianna-Ruf), das Vertrauen auf Gottes Schutz (Ps 121,1f.) und der Dank für (persönliche) göttliche Hilfe finden sich gehäuft in den Psalmen (zum Gebrauch in den Psalmen bes. Stolz, 787f.). Analog zu diesem Gebrauch in Klagen und Lobliedern lassen sich die zahlreichen epigraphisch und alttestamentlich belegten Namen, die neben anderen etwa die Wortbestandteile עזר und ישׁע beinhalten – man denke nur an → Esra (עֶזְרָא ‘æzrā’) und → Josua (יְהוֹשֻׁעַ jəhôšua‛) und dann auch an Jesus –, den Danknamen (Albertz / Schmitt, 302-307 und in der Übersicht 541-542) und Bekenntnisnamen (a.a.O., 554-556) zuordnen (→ Name / Namensgebung). Einer Gottheit wird durch die Namensgebung für den erfolgten Schutz gedankt bzw. das Vertrauen ausgesprochen, und es wird festgehalten, dass kommende Hilfe von dieser Gottheit zu erwarten ist. Entsprechende Namen finden sich auch im edomitischen, phönizischen, ammonitischen und aramäischen Onomastikon (vgl. auch Lipiński, 19f.).

Die enge Verbindung Gottes mit dem Aspekt der Hilfe hat sich rezeptionsgeschichtlich auch in der jüdischen Bezeichnung Gottes als „der Ort“ (המקום hmqwm) niedergeschlagen, da in einer Lesart die in Est 4,14 von einem „anderen Ort“ erwartete Hilfe und Rettung (רֶוַח וְהַצָּלָה ræwaḥ wəhaṣṣālāh) mit Jhwh identifiziert wird.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973-2015
  • Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, 6. Aufl., Gütersloh 2004
  • Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007
  • Handbuch theologischer Grundbegriffe zum Alten und Neuen Testament, Darmstadt 2006 (s.v. Rettung)
  • Encyclopedia of the Bible and its Reception, Berlin / Boston 2009ff

2. Weitere Literatur

  • Albert, A.C., 2010, Helfen als Gabe und Gegenseitigkeit. Perspektiven einer Theologie des Helfens im interdisziplinären Diskurs (VDWT 42), Heidelberg
  • Albertz, R. / Schmitt, R., 2012, Family and Household Religion in Ancient Israel and the Levant, Winona Lake
  • Bosworth, D., 2015, Art. Help, I. Hebrew Bible / Old Testament and New Testament, in: Encyclopedia of the Bible and its Reception, Bd. 11, Berlin u.a., 801-802
  • Dohmen, C., 1993, Ebenbild Gottes oder Hilfe des Mannes? Die Frau im Kontext der anthropologischen Aussagen von Gen 1-3, Jahrbuch für christliche Sozialwissenschaften 34, 152-164
  • Lipiński, E., 1989, Art. עָזַר ‘āzar, I.-III., in: ThWAT, Bd. VI, Stuttgart u.a., 14-20
  • Navarro Puerto, M., 2010, Abbild und Ebenbild Gottes: Frau und Mann in Gen 1-3 als offenes System im Kontext von Gen 1-11, in: I. Fischer / M. Navarro Puerto / A. Taschl-Erber (Hgg.), Tora (Die Bibel und die Frauen. Eine exegetisch-kulturgeschichtliche Enzyklopädie: Hebräische Bibel – Altes Testament 1.1), Stuttgart, 186-237
  • Schreiner, J., 1998, Gott „mein Helfer“: ein alttestamentliches Leitmotiv, in: E. Möde / F. Unger / K.M. Woschitz (Hg.), An-Denken (FS E. Biser), Graz / Wien / Köln, 403-413
  • Ska, J.-L. 1984, „Je vais lui faire un allié qui soit son homologue“ (Gn 2,18). A propos du terme ‘ezer – „aide“, Bibl. 65, 233-238
  • Stolz, F., 2004, Art. ישׁע jš‘ hif. helfen, in: THAT, Bd. 1, Gütersloh, 785-790

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