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Säkularisation 1802/03

Andere Schreibweise: engl. Secularization

(erstellt: Februar 2019)

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1. Lebensweltliche Verortungen

Die lebensweltliche Relevanz des Themas wird schon allein dadurch ersichtlich, dass sich der Begriff „Säkularisation“ mit dem der „→ Säkularisierung“ überlappt, wobei umgangssprachlich beide Begriffe zuweilen synonym gebraucht werden (Schulte, 1999). Im Folgenden gilt es nicht, die Säkularisierungsthese zu diskutieren, also die Behauptung, dass die Rolle von Religion, Glaube und Kirche in der Gesellschaft (zwangsläufig) abnimmt, aber der Eindruck einer geringer werdenden Relevanz bzw. Transformation des traditionell verfassten Christentums dürfte Schülerinnen und Schülern (→ Schülerinnen und Schüler) nicht unbekannt sein. An diese Erfahrung kann die Beschäftigung mit der Säkularisation von 1802/03 als kirchengeschichtliches Thema anknüpfen.

Die Folgen bzw. Spuren der Umwälzung von 1802/03 sind immer noch relativ leicht zu entdecken und für die Erschließung des Themas fruchtbar zu machen, zumindest wenn die Lernenden in einer Gegend mit säkularisierten Einrichtungen leben. Häufig haben ehemalige Klöster (→ Mönchtum/Klosterleben) die Kulturlandschaft geprägt, was bis heute unübersehbar ist. Ehemals kirchliche, jetzt aber profan genutzte Gebäude (bisweilen gehört selbst die Schule dazu) prägen immer noch das Stadtbild. Straßennamen und bedeutende Sehenswürdigkeiten lassen sich mit den Kontexten der Säkularisation verknüpfen. Nicht selten enthält auch das Wappen einer Stadt oder eines Landkreises einen Hinweis auf eine frühere geistliche Vergangenheit.

Immer wieder flammen gerade im Vorfeld von Jubiläen Diskussionen auf, die ihre Wurzel in der Neuordnung im Umfeld der Säkularisation haben, wie beispielsweise in Bayern die Auseinandersetzung darum, ob wichtige Teile des Bamberger Domschatzes oder das fränkische Herzogsschwert, die 1803 in die Landeshauptstadt gebracht wurden, nicht besser wieder nach Franken zurücküberstellt werden sollten. Auch die Diskussion um die so genannten Staatsleistungen an die Kirche (→ Kirche – Staat) gewinnt ihre Brisanz durch die Behauptung, es handle sich dabei weitgehend um Kompensationsleistungen für die Enteignung der Kirche zu Beginn des 19. Jahrhunderts, die mittlerweile abgegolten bzw. nicht mehr zeitgemäß seien. Solche öffentlich und oft kontrovers bzw. polemisch ausgetragenen Meinungsverschiedenheiten in Bevölkerung und Politik dürften in der Zukunft in Deutschland eher zu- als abnehmen.

Unabhängig von derartigen historischen Bezügen kommen Profanierungen kirchlicher Gebäude gegenwärtig wieder so häufig vor wie seit 200 Jahren nicht mehr: Das zunehmende Klostersterben, das beobachtet werden kann und in den → Medien oft erstaunlich bedauernd und kontrovers diskutiert wird, sowie die brennende Frage der Umnutzung zu groß oder zu zahlreich existierender Kirchengebäude sind Themen, die deutliche Bezugspunkte zur Säkularisation von 1802/03 aufweisen und in ihrer Parallelität, aber eben auch in den Unterschieden zu damals unser Thema mit der → Lebenswelt von heute verbinden.

2. Die Säkularisation von 1802/03

2.1. Begriff

Säkularisation meint „die ohne kirchliche Erlaubnis durch staatliche oder öffentliche Gewalt vollzogene Einziehung von Vermögen (vor allem Grundbesitz), Sachen, Territorien oder Institutionen aus kirchlicher Herrschaft und kirchlichem Gebrauch zu profanen Zwecken“ (Raab, 1969, 353). Dabei ist die politische Säkularisation (sogenannte Herrschaftssäkularisation, vor allem bei Verlust der Reichsunmittelbarkeit: Entmachtung) von der vermögensrechtlichen Säkularisation (sogenannte Vermögens- oder Gütersäkularisation: Enteignung) zu unterscheiden. Der Begriff taucht erstmals im 16. Jahrhundert auf und zwar im Zusammenhang mit der Säkularisierung von Ordensgeistlichen, die in den Weltpriesterstand wechselten (Maier, 2003, 14).

Mit Säkularisation im historischen Sinn bezeichnet man gemeinhin die größte Besitzverschiebung in der deutschen Geschichte 1802/03, die schließlich zum Umsturz der politischen Verhältnisse und damit zum Kollaps des Alten Reiches führte. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der deutschen katholischen Kirche, die drei Erzstifte (Mainz blieb zunächst erhalten und wurde nach Regensburg transferiert), 19 Hochstifte samt Domkapiteln (mit ehemals 720 Domherrnpfründen), über 40 reichsunmittelbare Abteien und Stifte sowie hunderte landsässige Klöster an verschiedene deutsche Fürstentümer verlor. Es gingen etwa 12.000 Quadratkilometer Herrschaftsgebiet mit rund 3,5 Mio. Einwohnern und ca. 21 Millionen Gulden an Einnahmen verloren, wobei die Einnahmen der landsässigen Klöster noch nicht mitgerechnet sind (Weitlauff, 1998, 36).

Die Einschätzung des Vorgangs änderte sich im Laufe der Zeit auch bei Autoren mit kirchlichem Hintergrund: Während um die Jahrhundertwende noch „von empörenden Sacrilegien und von gemeinem Diebstahl“ gesprochen wurde (Weber, 1897, 1529; z.B. Seider, 1912, 1898: „Juden und Protestanten bereicherten sich, der kath[olische] Volksteil leidet noch heute unter der damal[igen] Beraubung“), mäßigte sich die Ausdrucksweise katholischerseits spätestens im zeitlichen Umfeld des Zweiten Vatikanischen Konzils. Der Umfang des Lemmas in den einschlägigen Lexika nahm deutlich ab, so dass heute in der Fachdiskussion eine unaufgeregt-nüchterne Sicht der Dinge vorherrschend ist (Weigand, 2003), auch wenn volkstümlich und lokal immer noch Meinungen zu hören sind, die sich kaum von der in Wetzer und Welte’s Kirchenlexikon 1897 geäußerten unterscheiden: „Die Säcularisation ist und bleibt ein in sich unberechtigter, in seiner Ausführung rücksichtsloser und grausamer, in seinen Folgen verderblicher Eingriff in die wohlerworbenen und feierlich garantierten Besitzungen und Rechte der Kirche“ (Weber, 1897, 1531).

2.2. Vorgeschichte

Bereits seitdem kirchliche Güter existieren, gibt es Säkularisationen. Im Mittelalter wurde unter den Karolingern aus Staatsräson Kirchenbesitz säkularisiert, genauso wie die Reichskirche im Zeitalter der Reformation einen gewaltigen Aderlass erlitt. Im Zeitalter der → Aufklärung wurden die Klöster zunehmend als unnütz angesehen, die kirchlichen Kleinstaaten galten als überholt und irreformabel, wenn auch nicht immer zu Recht. Der Säkularisationsplan Friedrichs II. 1742, die Aufhebung des Jesuitenordens 1773 sowie die Klosterumwidmungen in den habsburgischen Stammlanden durch Joseph II. in den 1780er Jahren können als ,Wetterleuchten des Sturms‘ gewertet werden, der sich in Deutschland schließlich 1802/03 entlud.

In Frankreich setzte ab 1789 die Gesetzgebung infolge der Französischen Revolution, die zunächst nicht explizit antikirchlich eingestellt war, den Verzicht auf den Zehnten sowie die Säkularisation der Kirchengüter durch; als Gegenleistung wurde die staatliche Bezahlung der Pfarrer und der Armenpflege zugesichert. Die Aufhebung der französischen Klöster 1790 sowie die Unterdrückung auch der sozial tätigen Orden 1792 wurde 1801 durch das Konkordat des Papstes Pius VII. mit Napoleon sanktioniert. Betroffen war davon auch das linke Rheinufer, das damals von Frankreich besetzt war. Die Friedensschlüsse im Zusammenhang mit den Koalitionskriegen von Basel 1795 und von Campo Formio 1797, der Kongress von Rastatt 1798 sowie endgültig das Abkommen von Lunéville vom 9. Februar 1801 sahen vor, die Rheingrenze anzuerkennen und diejenigen deutschen Fürsten, die linksrheinisch Gebietsverluste hatten hinnehmen müssen, rechtsrheinisch durch Kirchengebiet zu entschädigen.

2.3. Verlauf

Der Reichsdeputationshauptschluss vom 25. Februar 1803 goss dieses an sich rechtswidrige Ansinnen in die Form eines am 27. April 1803 vom Kaiser ratifizierten Reichsgesetzes, das nicht nur einen (oft weit überkompensierten) Ausgleich der tatsächlichen Gebietsverluste ermöglichte – Preußen erhielt beispielsweise das Viereinhalbfache, Württemberg das Vierfache, Baden gar das Siebenfache der jeweiligen Verluste (Maier, 2003, 4f.). Vielmehr wurde mittels des auf Bitten Bayerns eingefügten § 35 auch die Säkularisation von Kirchenbesitz aller drei Konfessionen (→ Konfession(en)) selbst in den bisherigen Stammlanden notfalls ohne Zweckbindung ermöglicht. Nicht zuletzt wurden dabei auch zahlreiche Reichsstädte mediatisiert. Es wurden Staaten „entschädigt“, die gar nicht zum Reich gehörten, bzw. die linksrheinisch gar kein Gebiet verloren hatten. Entscheidend war letztlich das Antichambrieren bei Napoleon und seiner Entourage wie etwa bei Minister Talleyrand; unter anderem flossen im Vorfeld auch reichlich Bestechungsgelder. Die Bestimmungen führten bereits 1802 im Vorgriff zu umfangreichen Klosteraufhebungen bzw. vorzeitigen Besetzungen hinzugewonnener Gebiete. Besonders nachdrücklich ging man in Württemberg vor und in Bayern, wo Minister Maximilian Joseph von Montgelas (1759-1838) schon Jahre zuvor die Einziehung von Kirchenbesitz zugunsten des Staates in Erwägung gezogen hatte (Weis, 2003, 158f.).

Der jeweilige Kirchenbesitz wurde im Namen des (neuen) Landesherrn erfasst und beschlagnahmt, in der Folge häufig versteigert oder im Fall von beweglichem Kulturgut an zentralen Sammelpunkten zusammengeführt. Die Geistlichen wurden gegen Pensionszahlungen entlassen bzw. im Fall der Bettelorden (→ Armutsbewegungen im Mittelalter) gegebenenfalls in so genannten „Aussterbeklöstern“ zusammengefasst. Priestermönchen wurde die Übernahme von Seelsorgestellen nahegelegt, landfremde Ordensleute rigoros ausgewiesen. Die Kirchen-, Seminar- und Pfründestiftungen dagegen blieben unangetastet, da die Stoßrichtung der Maßnahmen die Modernisierung der Kirche anstrebte, nicht deren Vernichtung. Ein Protest der kirchlichen Seite vom einfachen Abt über die Fürstbischöfe bis hin zum Papst fand kaum statt bzw. fiel verhältnismäßig moderat aus: Der Vatikan hatte wenig Interesse am Erhalt der Macht der deutschen Kirchenfürsten. In einzelnen Fällen kam es sogar vor, dass geistliche Einrichtungen von sich aus um die Aufhebung baten. Auf der anderen Seite setzten sich nicht selten einfache Gläubige für den Erhalt von für überflüssig gehaltenen Kirchengebäuden ein oder sicherten kirchliches Kulturgut, in dem sie es ersteigerten und wieder einem Gotteshaus zur Verfügung stellten (Pötzl, 2003).

Während die Säkularisation der geistlichen Staaten allgemein erwartet wurde und daher kaum Widerstand erfuhr, erfolgte die Aufhebung der meisten Klöster ohne ersichtliche Notwendigkeit, offenbar häufig aus politischen und ideologischen Motiven, gerade im Fall der Bettelordensklöster. Der erhoffte finanzielle Gewinn des Staates fiel oft nicht in der erwarteten Höhe aus (es waren ja auch Pensionslasten und Bauunterhalte zu übernehmen), lediglich die an den Staat gefallenen Waldgebiete werfen bis heute nennenswerten Gewinn ab. Die Umschichtung des kulturellen Erbes erfolgte dabei auf revolutionär zu nennende Weise und nicht immer mit der wünschenswert gewesenen Pietät. In der Regel wurden die Kulturgüter aber durchaus wertgeschätzt, auch wenn Vieles makuliert wurde oder aus Unachtsamkeit verloren gegangen ist, oft erst in den Jahren nach 1803. Aussagen, es seien gelegentlich Schlaglöcher der Feldwege mit wertvollen Handschriften aufgefüllt worden, sind jedoch in das Reich der Legende zu verweisen (Schemmel, 2003, 247).

2.4. Folgen

„Die Säkularisation war für die deutschen Katholiken der tiefste Einschnitt in ihrer Geschichte […]. Niemals ist ein Land in seiner geistigen Substanz so grundlegend verändert worden“ (von Aretin, 2002, 13). Diese Veränderung war im Grunde längst überfällig und heilsam für die Kirche, zieht man zum Vergleich die Agonie des Kirchenstaates im 19. Jahrhundert heran. Trotzdem ist die Säkularisation mit ihren Härten gerade den einfachen Ordensleuten gegenüber, durch die mit ihr einhergehenden Verluste an kulturellen Gütern (Abriss „überflüssiger“ Kirchen) und mit der ihr eigenen Kompromisslosigkeit sicher an vielen Stellen weit über das eigentliche Ziel hinausgeschossen. Schwer wogen in manchen Gegenden der Verlust der Lehranstalten sowie die Eingriffe ins soziale Gefüge. Hinsichtlich Bayern lässt sich beispielsweise das Fazit anstellen: Die Säkularisation „hat Bayern und seiner Kultur zwar Wunden zugefügt, beides aber nicht zerstört“ (Weis, 2003, 233), im Gegenteil: Das moderne Bayern wäre ohne sie undenkbar (Demel, 2003). Gleiches gilt auch für andere Regionen der Bundesrepublik.

In politischer Hinsicht zog die (weitgehende) Beseitigung der Reichskirche (Reichserzkanzler Dalberg durfte zunächst ein geistliches Territorium behalten und auch die Ritterorden blieben bestehen) 1806 den Zusammenbruch des Alten Reiches nach sich und läutete damit endgültig das Ende der im Grunde immer noch mittelalterlich geprägten Verhältnisse ein. Die Katholiken gerieten vielerorts in eine Minderheitensituation (Diaspora), das katholische Bildungsdefizit wurde zementiert, der Adel innerkirchlich entmachtet und das Staatskirchentum gestärkt: „Der Polizeistaat drang nun in das Innere der Kirche ein“ (Hegel, 1937, 104). Toleranz und Überkonfessionalität des Staates bürgerten sich ein. „Andererseits weckte die Entmachtung der Kirche positive Kräfte im kath[olischen] Volk, das rel[igiöse] Leben erstarkte, innerkirchl[iche] Fehlerquellen, die selbst das Tridentinum nicht hatte beseitigen können, verschwanden, die moral[ische] Autorität des Episkopats u[nd] des Papstes wuchs, eine Entwicklung, die freilich nicht immer glückl[ich] verlief (Ultramontanismus, päpstl[icher] Zentralismus)“ (Hegel, 1964, 252; vgl. Hausberger, 2003b).

Die Besoldung der kirchlichen Hierarchien sowie die Übernahme der Baulast an bestimmten kirchlichen Gebäuden durch den Staat sind bis heute Folgen der Säkularisation, da eine an sich vorgesehene Ablösung bisher nicht durchgeführt wurde. Ebenso folgte dem Einschnitt von 1803 eine Neuordnung der deutschen Diözesen. Werner Blessing postulierte in seiner Bilanz einen durch einen „Modernisierungsschub“ aufgebauten „Entwicklungsdruck“, von dem letztlich Staat und Kirche profitierten (Blessing, 2003).

3. Religionsdidaktisch-praktische Überlegungen

Für die Thematisierung der Säkularisation im Religionsunterricht bieten sich zum einen biografische Zugänge (→ biografisches Lernen), zum anderen lokale Lernorte (→ Orte, historische) an, vor allem wenn sich in der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler entsprechende Anknüpfungspunkte finden lassen. Nicht selten fördert Begegnung mit originalen Objekten (→ Quellenarbeit, kirchengeschichtsdidaktisch) aus der behandelten Zeit das Interesse der Lernenden.

3.1. Biografische Zugänge

Der biografische Ansatz ist vor allem deshalb von Vorteil, weil (Kirchen-)Geschichte dadurch an konkreten Beispielen, lokal und damit lebensweltlich verortet sowie existentiell zugänglich gemacht werden kann (→ Kirchengeschichtsdidaktik). Die Schülerinnen und Schüler erhalten so Gelegenheiten, z.B. in die Rolle der damals Handelnden bzw. Betroffenen zu schlüpfen und auf diese Art eine andere Perspektive (→ Perspektivenwechsel) sowie historische Beispiele der Bewältigung von Lebenswenden aus konkretem Glauben (→ Glaube) heraus kennenzulernen. Das kann zu ihrer eigenen Orientierung in einer Gesellschaft im Umbruch beitragen, an der die Lernenden auf der Suche nach ihrer Rolle Anteil haben. Biografische Ansätze ermöglichen zudem mentalitätsgeschichtliche bzw. eher an sozialen Fragen orientierte Zugänge – nicht immer muss es die ,große Geschichte‘ sein, welche die Relevanz eines Themenbereichs für das eigene Leben deutlich macht.

Um die Umbruchssituation hervorzuheben, bietet es sich daher an, die Lebensgeschichten von Ordensleuten aufzugreifen, an deren Biografie sich die Säkularisation exemplarisch im Kleinen aufzeigen lässt. Das soll im Folgenden an Beispielen aus dem ehemaligen Hochstift Bamberg vorgeschlagen werden (mit Hilfe der Bibliographie kann entsprechendes Material hinsichtlich anderer Regionen Deutschlands ausfindig gemacht werden). Z.B. Joachim Heinrich Jaeck (1777-1847), der zunächst Konventuale der Zisterze Langheim gewesen ist und nach der Auflösung des Klosters erster Leiter der damals neu geschaffenen königlichen Bibliothek in Bamberg wurde (der heutigen Staatsbibliothek), in der man die Buchbestände der aufgehobenen Klöster zusammenfasste (Schemmel, 2003; Walther, 1996). Im → Religionsunterricht könnte mit einem von Jaeck verfassten Ego-Dokument gearbeitet werden, in dem er am Beispiel Langheims berichtet, wie die Klöster „ehemals gewesen sind, und wie sie hätten seyn sollen“ (Jaeck, 1827; vgl. Dippold, 2003, 135f.). Eher sozialgeschichtlich interessant wäre es, z.B. dem Schicksal der Nonnen des aufgehobenen Dominikanerinnenklosters Heilig Grab nachzugehen (Reber, 2008) oder sich mit den Folgen der Klosteraufhebung für die Angestellten der Konvente auseinanderzusetzen, die oft in wirtschaftlich schwach entwickelten Gebieten lagen (Dippold 2003, 131;139f.; Hersche, 2006).

Die genannten Personen bieten sich auch deshalb für die religionsunterrichtliche Thematisierung an, weil ihre ehemaligen Klöster bzw. von ihnen begründete Institutionen in → Exkursionen aufgesucht und zuweilen sogar persönliche Relikte aus ihrer Lebenszeit besichtigt werden können. Unabhängig von solchen lokalen Bezügen sind auch Unterrichtseinheiten zu den damals überregional handelnden Protagonisten (z.B. zu Dalberg: Rob, 2002; zu Montgelas: Weis, 2003) oder zu den letzten Fürstbischöfen oder Äbtissinnen denkbar (Dippold, 2003, 134f.; Dippold/Kühhorn/Rössler, 2014, 40-43). Ein Vorteil des biografischen Ansatzes liegt zudem darin, dass durch die verschiedenen Stimmen die Vielschichtigkeit des Prozesses gegebenenfalls komplementär erschlossen werden kann.

3.2. Historische Orte

Die Säkularisation und ihre Folgen können auch über Besuche historischer Schauplätze erkundet und durch lebendige Erzählungen, Medieneinsatz und Quellenarbeit erschlossen werden (→ außerschulisches Lernen). Überblickswerke zur Säkularisation und ihren Folgen bieten Erstinformation über mögliche Exkursionsziele (Himmelein/Rudolf, 2003; Benz, 2014). Neben dem Besuch ehemaliger Klöster bieten sich in Städten verschiedene Erkundungsoptionen – orientiert an Fragen städtebaulicher Entwicklungen wie z.B. in Bamberg: Warum hat die Aula der Universität die Form einer Kirche? Warum ist die ehemalige Stiftskirche St. Stephan heute evangelisch (Kippes-Bösche, 2003, 515f.)? Wozu diente das neue Rathaus (ein ehemaliges Priesterseminar) ursprünglich? Nicht zuletzt sei an die Möglichkeit erinnert, (kirchliche) Museen (→ Museum) zu besuchen: In der Begegnung mit authentischen Relikten aus der Zeit vor der Säkularisation lässt sich hier religiöses Lernen initiieren, insofern dem nachgespürt werden könnte, was sich durch die museale Inszenierung ehemals kirchlicher Gebrauchs- und Schmuckgegenstände verändert, warum diese im Gefolge der Säkularisation in einem Museum zugänglich gemacht werden etc.

3.3. Karikaturen

Eine ungewöhnliche, aber umso vielversprechendere Möglichkeit, sich dem Thema Säkularisation im Religionsunterricht zu nähern, bietet die Auseinandersetzung mit Karikaturen (→ Karikatur), die es schon zeitgenössisch gab, und die historische Sachverhalte und deren Interpretation unterhaltsam auf den Punkt bringen (Eder, 2017).

4. Ausblick

Die Thematisierung mit kirchenhistorischen Fragestellungen im Rahmen religiöser Lern- und Bildungsprozesse ist aus theologischen Gründen bedeutsam, versteht sich das Christentum doch als Offenbarungsreligion (→ Offenbarung), die sich in der konkreten Geschichte verwirklicht. Die → Kirchengeschichte kann deshalb als theologischer Ort gelten, an dem deutlich wird, dass die Kirche und der konkrete Glaube keine ahistorischen Größen sind, sondern sich in jeder Zeit neu durch konkrete Menschen herausbilden und formen. Gerade die Frage nach Besitz und Rechtspositionen der Kirchen berührt dabei immer auch fundamentale Fragen christlicher Existenz.

Zweifellos steht den Kirchen in Deutschland in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ein Umbruch bevor, der in seinen Auswirkungen wohl nur mit den Umwälzungen von 1802/03 vergleichbar sein wird. Der Besitz der Kirchen (z.B. im Kontext der Diskussionen um die Kirchensteuer), ihre Rolle in der → Gesellschaft und ihre rechtliche Stellung werden sich voraussichtlich stark verändern, und zwar in einer Weise, deren Folgen heute noch gar nicht abgeschätzt werden können. Die Beschäftigung mit der Säkularisation von 1802/03 kann helfen, Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer für damit verbundene Herausforderungen zu sensibilisieren.

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