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(erstellt: März 2020)

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1. Altes Testament

1.1. Einführung

nāśî’

ûf

śar

śar

nāgîd

nāgîd

nāgîd

Der Begriff kann auch für einen erhofften idealen Herrscher gebraucht werden. Dabei spielt auch der Friedensfürst (שַׂר־שָׁלֹום śar šālôm) eine wichtige Rolle. In Jes 9,5 wird dieser Titel als einer der vier Würdenamen des königlichen Kindes genannt ( Friede-Fürst). Darin drückt sich nicht nur die Hoffnung nach politischem Frieden aus, sondern auch die nach ökonomischem Wohlergehen.

In poetischen Texten werden „Fürsten“ seltener genannt. Sie erscheinen im Kontrast zu den „Armen“ (vgl. 1Sam 2,8; Ps 113,8), als Fürsten der Völker, die sich zu Gott hin versammeln (Ps 47,10), oder aber als die, die sich der Macht Gottes beugen müssen (Ps 76,13).

In der biblischen Darstellung der verwandtschaftsbasierten → Stammesgesellschaft fehlt zunächst eine straffe Herrschaftsstruktur. Als Autoritäten werden die Ältesten und Stammesführer genannt (z.B. Num 1,16). Letztere werden oft als Fürsten bezeichnet.

Auch der Beginn des Königtums ist zuerst klein, die Herrschaftsstruktur entwickelt sich erst nach und nach (→ König / Königtum). → Saul hat keine Beamtenschar, sondern lediglich einen Heerführer. Unter → David beginnen die administrative Hierarchie und Organisation zu wachsen (→ Verwaltung; → Verwaltungsbezirke). Erst → Salomos Königtum wird von den biblischen Texten als ausdifferenzierter und zentralisierter Staat dargestellt. Er erweitert den Hofstaat (Beamten / Fürsten) und baut die Infrastruktur weiter aus (Palast, Städte, Tempel). Die Funktionen der Beamtenlisten in 1Sam 14,50; 2Sam 8,16f; 2Sam 30,23ff und 1Kön 4,2ff sind großteils auch außerbiblisch belegt. Die Fürsten / Beamten des königlichen Hofes werden mit שַׂר śar als Sammelbegriff bezeichnet.

Ab dem 8. Jh. verschärft sich durch die Schuldknechtschaft (→ Verschuldung) der Kontrast zwischen Arm und Reich. Dabei gerät die Oberschicht, die sich aus reichen Grundbesitzern, Fürsten bzw. Beamten zusammensetzt, stark in die prophetische Kritik. Das bleibt auch nach dem Exil in persischer Zeit so.

1.2. Wichtige Begriffe

1.2.1. שַׂר śar

Im Alten Testament findet sich der Begriff 421-mal und wird oft mit Fürst wiedergegeben. Manchmal wird ein Fürst parallel mit dem König genannt, doch erscheint dieser immer als übergeordnete Instanz. Ein König wird nur in Hos 8,10 und Jes 9,5 als שַׂר śar bezeichnet. Ein Titel, der dem שַׂר śar nahe steht, ist der Knecht (עֶבֶד ‘ævæd). In der Königszeit bezeichnete „Knecht“ – wie Inschriften auf Siegeln belegen – Angehörige des Königshauses, die auch ein Amt inne hatten. Parallel gebraucht werden auch die „Ältesten“. Dabei unterscheiden sich die Aufgaben klar: Der Fürst gilt als Funktionsträger des Königs, die Ältesten bilden die Vertretung des Volkes. Auch נָדִיב nādîv „Vornehmer / Edler / Fürst“ tritt oft parallel zu שַׂר śar auf und bezeichnet die Oberschicht, die durch ihren Reichtum Einfluss nehmen kann. Die Wortwurzel kommt von נדב ndb „freiwillig geben“. Die höchsten Beamten Davids und Salomos werden mit שַׂר śar bezeichnet (1Chr 22,17; 1Kön 4,2), und der Begriff wird oft zur Bildung von Beamtentiteln gebraucht (z.B. bei der Bezeichnung von Beamten der Verwaltung, des Militärs und der Oberschicht). Der Terminus kann nicht nur irdische Herrscher bezeichnen, sondern ist auch für himmlische Fürsten und Engel offen (vgl. Jos 5,14; Dan 10,13).

Fünfmal findet sich die feminine Form שָׂרָה śarāh „Fürstin“ (Ri 5,29; 1Kön 11,3; Jes 49,23; Est 1,18; Klgl 1,1) im Alten Testament. Sie bezeichnet entweder die Frau eines Fürsten oder Königs. In Personennamen kommt die Wurzel שַׂר śar außer- und innerbiblisch vor: an prominenter Stelle in dem Frauennamen → Sara (Gen 17,15 u.ö.) und in dem Männernamen Serajahu (Jer 36,26) bzw. dessen Kurzform → Seraja (2Sam 8,17 u.ö.).

שַׂר śar wird je nach Kontext unterschiedlich übersetzt. Das Bedeutungsspektrum reicht von Anführer (Stammesgesellschaft), über Beamter (Königshof) bis hin zu Mitgliedern der Oberschicht. Die häufige Übersetzung der LXX mit ἄρχων archōn und im Lateinischen mit princeps hat zur Wiedergabe mit „Fürst“ geführt.

1.2.2. נָשִׂיא nāśî’

Der Begriff kommt mit der Bedeutung Fürst / Anführer 130-mal im AT vor und bezeichnet sowohl Führer des Volkes, Fürsten anderer Völker, angehende Könige und in → Qumranschriften auch himmlische Führungsgestalten.

Eine spezielle Erwähnung findet der „Fürst“ (נָשִׂיא nāśî’) in Bezug auf das sogenannte „Sündopfer“ zur Sühnung einer unabsichtlich begangenen Sünde (Lev 4,22-26). Dieses Opfer wird für verschiedene Personengruppen ausgeführt, auch für Fürsten. Mit dem offenen Begriff נָשִׂיא nāśî’ und der Stellung zwischen „ganzer Gemeinde Israels“ und „einer aus dem Volk“ wird verdeutlicht, dass jede Leitungsperson (auch der verschiedenen Staatsformen) angesprochen werden soll. Der Unterschied im Opfer zeigt, dass die unabsichtlichen Vergehen eines Fürsten als weniger gewichtig angesehen wurden als die eines Priesters oder der ganzen Gemeinde. Die besondere Erwähnung der Fürsten passt in den altorientalischen Kontext. Aus dem altbabylonischen Reich sind Statuen und Tonplaketten erhalten, die einen Fürsten mit Zicklein zeigen. Dabei handelt es sich möglicherweise um die Ziege „Bösvertreib“, wie sie von Exorzisten verwendet wurde (Staubli / Schroer, 449).

1.2.3. נָגִיד nāgîd

Der Begriff נָגִיד nāgîd meint vom Wortstamm her einen „Hohen“ bzw. Erhöhten“ und kommt im Alten Testament 43-mal vor. Die erste Erwähnung des Begriffs ist in 1Sam 9,16, im Zusammenhang mit der → Salbung Sauls. Der Gebrauch in den → Samuelbüchern deutet darauf hin, dass נָגִיד nāgîd nicht bloß ein Fürst oder Adeliger ist, sondern jemanden bezeichnet, der König werden wird. Dabei ist der Gedanke der Würde und der Erwählung durch JHWH wichtig. Nicht jeder König wird zuerst נָגִיד nāgîd, von den 43 Königen Israels sind nur sieben נָגִיד nāgîd, und zwar → Saul, → David, → Salomo, → Abija, → Jerobeam I, → Bascha und → Hiskija. Der Begriff kann im Zusammenhang mit dem Tempel auch einen Verantwortungsträger meinen, wie etwa in 1Chr 9,11 („Fürst des Hauses Gottes“). In den Listen der Stämme Israels erscheint נָגִיד nāgîd als Titel der Stammesführer. An wenigen Stellen wird der Titel auch für nichtisraelitische Fürsten gebraucht (z.B. Ps 76,13 und Ez 28,2)

2. Neues Testament

Im Neuen Testament gibt es nur wenige Belegstellen. Die Übersetzung „Fürst“ wird für verschiedene griechische Begriffe und politische Amtsträger verwendet (vgl. Mt 2,6 ἡγεμών hēgemōn; Mt 20,25 ἄρχων archōn; Apg 7,10 βασιλεύς basileus), aber auch als messianischer Titel (Apg 5,31 ἀρχηγός archēgos). Christus wird als „Fürst des Lebens” bezeichnet (Apg 3,15 ἀρχηγός archēgos). „Fürst der Welt“ kann auch den Widersacher / Satan meinen (vgl. Joh 12,31; Joh 14,30; Joh 16,11 ἄρχων archōn).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973-2015
  • Das große Bibellexikon, Wuppertal u.a. 1990
  • Lexikon der Bibel. Orts- und Personennamen, Daten, biblische Bücher und Autoren, Eltville am Rhein 1990
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, 6. Aufl., München / Zürich 2004
  • Calwer Bibellexikon, 2. Aufl., Stuttgart 2006
  • The New Interpreter’s Dictionary of the Bible, Nashville 2006-2009

2. Weitere Literatur

  • Berlin, A. / Brettler, M.Z. (Hgg.), The Jewish Study Bible. Tanakh Translation [Torah, Neviím, Kethuvim], Oxford 2014
  • Hieke, T., Levitikus 1-15 (HThKAT), Freiburg im Breisgau 2014
  • Kornfeld, W., Levitikus (NEB.AT), Würzburg 1986
  • Meadowcroft, T., Who are the Princes of Persia and Greece (Daniel 10)? Pointers Towards the Danielle Vision of Earth and Heaven, JSOT 29 (2004), 99-113
  • Niemann, H.M., Herrschaft, Königtum und Staat. Skizzen zur soziokulturellen Entwicklung im monarchischen Israel (FAT 6), Tübingen 1993
  • Oswald, W., Königtum und Staat, in: W. Dietrich (Hg.), Die Welt der Hebräischen Bibel. Umfeld – Inhalte – Grundthemen, Stuttgart 2017, 197-210
  • Rüterswörden, U., Die Beamten der israelitischen Königszeit. Eine Studie zu śr und vergleichbaren Begriffen (BWANT 117), Stuttgart 1985
  • Staubli, T. / Schroer, S., Menschenbilder der Bibel, Ostfildern 2014

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