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Dornen / Stacheln

(erstellt: April 2018; letzte Änderung: Februar 2020)

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1. Botanisch

Dornen 1

Die Pflanzenwelt Israels kennt über 70 Arten dorniger Pflanzen, von denen in der Bibel 20 namentlich genannt werden. Zu den in Palästina vorkommenden Dorngewächsen gehört der Christdorn (Ziziphus spina-Christi L. bzw. Ziziphus lotus). Diese Pflanze trägt Früchte, die allerdings weniger qualitätsvoll sind als die der Feige oder Olive. Der Christdorn kann bis zu 10 m hoch werden und mit einer große Krone versehen sein. Die ovalen Blätter sind etwa 3-5 cm lang und etwa 2 cm breit. Die Pflanze blüht fast das gesamte Jahr über. Während die Blüten eine gelblich-grüne Farbe haben, sind die fleischigen Steinfrüchte gelb gefärbt und kirschgroß. Der Christdorn kommt häufig in Samarien und im nördlichen Jordantal vor. Der Lotusdorn, der dem Christdorn ähnlich ist, wird dagegen nur ca. 1,5 m hoch. Er hat kleinere Früchte.

Dornen 2

Eine andere Dornenart ist die Dornige Becherblume (Sacropoterium spinosum L.). Diese Pflanze ist charakteristisch für die Mittelmeerflora. Sie ist strauchartig (etwa 50 cm hoch), mit starker Verästelung und gezähnten Fliederblattpaaren. Die Äste sind außen mit kleinen stacheligen Ausläufern versehen. Die Pflanze hat grüne Blüten und kugelige Früchte.

Zu den stacheligen, immergrünen Büschen gehört auch die Brombeere (Rubus sanguineus Friv), die in Mittel-und Nordpalästina häufig enge Dickichte bildet. Die Stachelige Zilla (Zilla spinosa L.) dagegen ist eine bis zu 1 m hoch und breit werdende Pflanze mit stark verzweigten Ästen, die mit langen und scharfen Stacheln versehen sind. Sie trägt rosa Blüten mit je vier Kelch- und vier rosa-violetten Blütenblättern. Die Frucht ist ein sehr kleines, 6-8 mm langes, spitziges Nüsschen, das zwei Samen enthält. Wenn die Pflanze voll entwickelt ist, löst sich ihr Oberteil von der Wurzel und wird leicht vom Wind verweht.

Zu nennen ist schließlich auch der Europäische Bocksdorn (Lycium europaeum L.), ein dorniger, im oberen Bereich stark verzweigter Strauch mit schmalen Blättern, die er zu Beginn des Sommers verliert. Die Blüte des Strauches ist rosa bis blau, die Frucht eine kleine Beere, die man essen kann. Zu den Dorngewächsen kann man schließlich auch die verschiedenen Distelarten (→ Distel) rechnen.

2. Altes Testament

2.1. Allgemeines

Die genaue botanische Bestimmung der in der hebräischen Bibel genannten Dorngewächsarten ist im Einzelnen kaum möglich. Besonders häufig sind die Wortpaare שָׁמִיר וָשָׁיִת šāmîr wāšājit (z.B. Jes 5,5) und קוֹץ וְדַרְדַּר qôṣ wədardar (Gen 3,18; Hos 10,8), die im Deutschen in der Regel mit „Dornen und Disteln“ wiedergegeben werden. An einer genauen Bestimmung der einzelnen Arten hängt das Verständnis der Texte nicht. Alle Arten von Dornengewächsen sind in der Sicht des Alten Testaments negativ besetzt. „Als bedrohlich sind dabei weniger die Stacheln im Blick als vielmehr das Phänomen, dass Dornen meist mit Problemen im Landbau in Verbindung gebracht werden“ (Hausmann 1993, 1).

2.2. Verwendung

Dornensträucher dienten im holzarmen Palästina nur als Brennmaterial (Pred 7,6; Nah 1,10; vgl. Ps 58,10; Ps 118,12) bzw. als Hecke zum Schutz von Grundstücken (vgl. Ex 22,5; Jes 5,6; Sir 28,24 [Lutherbibel: Sir 28,28]). Das Auspeitschen mit Dornengewächsen war eine entehrende und unter Umständen auch tödliche Strafmaßnahme (Ri 8,7.16).

2.3. Dornen als Teil der gegenmenschlichen Welt

Dornengewächse schaden dem Ackerbauern. Unermüdlich kämpfte der Bauer gegen diese Gewächse an, um das zu bestellende Land vor Verwahrlosung zu schützen (Gen 3,18; Jer 4,3; Jer 12,13; → Ackerbau). Wer die Hände in den Schoß legte und die Ackerarbeit vernachlässigte, bekam dies bald zu spüren, denn dann war der Acker nur noch von Dornen und Disteln überwuchert (Gen 3,18). Dornengewächse kennzeichnen in der Sicht des Alten Testaments eine wüste, gegenmenschliche Welt, eine Welt der Ödnis und des Todes, die in Gegensatz steht zur vom Menschen geprägten und gestalteten Kulturwelt (→ Chaos). Nur aus der Gemeinschaft Ausgestoßene und „Outlaws“ leben dort (Hi 30,7). Wo die Felder verwüstet wurden und das Kulturland der Pflege entbehrte, breiteten sich Dornengewächse ungehemmt aus (Jes 32,12f).

2.4. Metaphorik

Wo Dorngewächse in metaphorischen Zusammenhängen erwähnt werden, stehen sie für Mühsal und Zerfall, für Lästiges, Minderwertiges und Verächtliches. In Gerichtsworten gehört die Androhung, Kulturland und Wohnstätten würden in eine furchterregende Wüstenstätte verwandelt, in der sich wilde, unheimliche Tiere tummeln und Dornen und Disteln vorherrschen, zu einem gängigen Topos (Jes 34,13ff; vgl. Jes 7,23ff; Hos 9,6). Gesteigert wird diese Vorstellung noch, wenn ursprüngliche Kultorte in Dornenwüsten verwandelt werden (Hos 10,8; vgl. Hos 2,8). Zeichen der Heilszeit ist es, wenn statt der Dornen Wacholder wachsen, also statt nutzlosem Gewächs in der Steppe prächtige Steppenpflanzen vorzufinden sein werden (Jes 55,13).

Eindrücklich beschreibt das Gleichnis Jes 5,1-7, was passiert, wenn der Winzer seinen Weinberg vernachlässigt (vgl. auch den Gegentext Jes 27,2-6; ferner Jes 32,13). Dornen gelten im Vergleich zu Fruchtbäumen (Ri 9,14) oder Kulturpflanzen wie Weizen (Jer 12,13) oder Gerste (Hi 31,40) als nutzlose, minderwertige Gewächse (vgl. auch Hos 9,6). Ein Gerichtswort gegen Juda vergleicht dessen Feinde mit → Bienen, die sich selbst in Dornhecken und Dornsträuchern, also selbst in unzugänglichen, unwirtlichen Gegenden niederlassen (Jes 7,19). Auf die leichte Entzündbarkeit des Dorngestrüpps wird in Bildworten immer wieder angespielt (vgl. Jes 9,17; Jes 10,17).

Die Bedrohlichkeit von Feinden kann mit dem Bild des stechenden Dornengewächses umschrieben werden (Ez 28,24). Dagegen versinnbildlicht Ez 2,6 mit dem Bild einer undurchdringlichen Dornenhecke die unerbittliche Feindschaft der Umgebung des Propheten, die kein Entkommen zulässt. Num 33,55 verlangt von Israel, bei der → Landnahme alle Bewohner des Landes zu vertreiben, da sie ihnen sonst Dornen (שִׂכִּים śikkîm) in den Augen und Stacheln (צְנִינִם ṣənînîm) in den Seiten sein werden (vgl. Jos 23,13).

2Sam 23,6 spielt darauf an, dass Dornengewächse leicht weggeweht werden können. Ebenso soll es frevlerischen Menschen ergehen, „die niemand berühren mag und die der Vernichtung im Feuer zugedacht sind“ (Hausmann 1993, 2). Die Güte ungerechter, korrupter Beamter gleicht einer Dornenhecke (Mi 7,4): Mit ihr gehen Schmerzen und Gefahr einher. Die Geliebte aber ist nach Hhld 2,2 wie eine Lotusblume (→ Lotus) unter Wüstendornen. Die Dornen symbolisieren hier Unansehnlichkeit und Ödnis, wogegen die Lotusblume für strahlende Pracht und Vitalität steht (vgl. Keel, 1986, 82).

Anders ist es in Spr 15,19, wo auf die Verwendung von Dornhecken zur Einfriedung von Grundstücken angespielt wird. Eine solche Hecke ist ein großes Hindernis. Spr 15,19 nimmt sie daher als Bild für den Faulen, dessen gehemmter Arbeitswille seinen Auftraggeber unzufrieden macht. Spr 26,9 vergleicht Dorngestrüpp in der Hand eines Betrunkenen mit einem Spruch im Munde eines Toren: Sowohl Vergleichsspender wie Vergleichsempfänger sind nutzlos und gefährlich und zugleich ziel- und wertlos (vgl. Meinhold 1991, 440). Spr 22,5 stellt dem Frommen, der mit Reichtum und Ehre belohnt wird, den Unaufrichtigen gegenüber, dessen Leben von Stacheln (צִנִּים ṣinnîm) und Fallen bestimmt ist.

Welches Dorngewächs die Jotamfabel (Ri 9,14ff; → Jotam; → Fabel) im Blick hat, ist umstritten. Möglicherweise ist der Bocksdorn (Lycium europaeum L.) gemeint, der keine Früchte trägt und an dessen Dornen man sich nur zerstechen kann. Er spendet auch keinen schützenden Schatten. Andere denken, was weniger wahrscheinlich ist, an den Christdorn (Ziziphus spina Christi), der leicht entflammbar und brennbar ist. Dieses Dornengewächs spendet wegen seiner Größe sogar etwas Schatten. Unabhängig davon, welches Dorngewächs die Fabel vor Augen hatte: In keinem Fall ist ein solches Gewächs ein geeigneter Thronprätendent.

3. Neues Testament

3.1. Bezeichnungen

Im Neuen Testament finden sich folgende Begriffe für Dornen: ἄκανθα akantha (eine Dornpflanze) und βάτος batos („Dornbusch / Dornstrauch“). Das Nomen τρίβολος tribolos (Mt 7,16; Hebr 6,8) dagegen bezeichnet die → Distel.

Einige Texte spielen auf die alttestamentliche Dornbuschgeschichte (Ex 3,2) an (Mk 12,26; Lk 20,37; Apg 7,30.35; → #xDornbusch#16615x).

3.2. Metaphorik

Dass ein Baum an seinen Früchten erkannt wird, zeigt Mt 7,16 par. Lk 6,44 unter Hinweis auf die Dornen, die keine Trauben tragen. „Die Beispiele aus der Natur sollen paränetisch die Christen ermutigen, ihr Bezogensein auf Christus in ihrem Leben durchzusetzen“ (Bovon 1989, 338). Hebr 6,8 vergleicht untreue Christen mit einem Acker, der Dornen und Disteln trägt. Einen agrarischen Hintergrund hat das Gleichnis von Saat und Ernte in Mk 4,7 par. Mt 13,7; Lk 8,7: Beim Ausbringen des Saatgutes konnte etwas davon „auf den Weg und die Steine und Dornen des Grenzwalls fallen“ (Habbe 1996, 97). Trotz aller Widrigkeiten und Misserfolge aber steht am Ende eine erfreuliche Ernte. Das heißt übertragen auf die Menschen in der Nachfolge Jesu: „Allem Mißerfolg und Widerstand zum Trotz läßt Gott aus den hoffnungslosen Anfängen das herrliche Ende, das er verheißen hat, hervorgehen“ (Jeremias 1977, 150).

3.3. Die Dornenkrone Jesu

Bei der Kreuzigung wird Jesus als Ausdruck des Hohns mit einer Dornenkrone, also einem Kranz aus stacheligen Zweigen, gekrönt und mit einem Purpurgewand bekleidet (Mk 15,17; Mt 27,29; Joh 19,2.5). Mk 15,17; Joh 19,5 nennt die Krone ἀκάνθinoς akanthinos „dornig“. Mit diesen pervertierten Nachahmungen der hellenistischen Königsinsignien soll das Königtum Jesu verspottet und lächerlich gemacht werden.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie, Berlin 1928ff
  • Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Stuttgart 1933-1979
  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973-2015
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, 2. Aufl., Stuttgart u.a. 1992
  • Calwer Bibellexikon, 2. Aufl., Stuttgart 2006

2. Weitere Literatur

  • Bovon, F., Das Evangelium nach Lukas (Lk 1,1-9,50), (EKK III/1), Zürich 1989
  • Dalman, G., Arbeit und Sitte in Palästina, Bd. VIII, Berlin 2001, Reg. s.v.
  • Darom, D., Die schönsten Pflanzen der Bibel, Herzlia, o.J., 29ff
  • Hausmann, J., Art. קוֺץ, in: ThWAT, Bd. VII, Stuttgart u.a. 1993, 1-3
  • Habbe, J., Palästina zur Zeit Jesu. Die Landwirtschaft in Galiläa als Hintergrund der synoptischen Evangelien (NThDH 6), Neukirchen-Vluyn 1996
  • Hepper, F.N., Pflanzenwelt der Bibel. Eine illustrierte Enzyklopädie, Stuttgart 1992, 37-39
  • Jeremias, J., Die Gleichnisse Jesu, Göttingen 9. Aufl. 1977
  • Keel, O. / Küchler, M. / Uehlinger, Chr., Orte und Landschaften der Bibel. Ein Handbuch und Studienreiseführer zum Heiligen Land, Bd. 1, Zürich u.a. 1984, 72-74
  • Keel, O., Das Hohelied (ZBK.AT 18), Zürich 1986
  • Löw, I., Die Flora der Juden, Bd. IV, Nachdruck Hildesheim 1967, Reg. s.v.
  • Moldenke, H.N. und A.L., Plants of the Bible, New York 1952
  • Neumann-Gorsolke, U. / Riede, P. (Hgg.), Das Kleid der Erde, Pflanzen in der Lebenswelt des alten Israel, Stuttgart 2002 ,163-168
  • Rüthy, A.E., Die Pflanze und ihre Teile im biblisch-hebräischen Sprachgebrauch, Diss. Bern 1942, 15-28
  • Walker, W., All the Plants of the Bible, London 1958
  • Zohary, M., Pflanzen der Bibel. Vollständiges Handbuch, Stuttgart 2. Aufl, 1986, 153ff

Abbildungsverzeichnis

  • Christdorn (En Hoquq). Aus: Wikimedia Commons; © Hanay, Wikimedia Commons, lizenziert unter CreativeCommons-Lizenz cc-by-sa 3.0 unported; Zugriff 17.4.2018
  • Dornige Becherblume (Nahal Taninim). Aus: Wikimedia Commons; © RickP, Wikimedia Commons, lizenziert unter CreativeCommons-Lizenz cc-by-sa 3.0 unported; Zugriff 17.4.2018

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