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Modelllernen

(erstellt: Februar 2017)

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1. Identitätsbildung durch Lernen an Biografien

1.1. Ausgangspunkt: Biografisches Lernen

Wenn heute in der Religionspädagogik über ein Lernen an Vorbildern, Modellen oder Heiligen nachgedacht wird, so geschieht dies konsequent von der Perspektive des lernenden Subjekts aus. Tatsächlich scheint die „Aufgabe Biografie“ (Lindner, 2011) (→ Biografieforschung) die religionsdidaktische Herausforderung schlechthin darzustellen: Gerade in einer postmodernen Pluralität ist der Einzelne gefordert, aus einer Vielzahl von Lebensentwürfen auszuwählen und eine dynamische, wandelbare und häufig brüchige Identität zu konstruieren (→ Identität, religiöse). Ein Lernen an fremden Biografien muss deshalb stringent dem biografischen Lernen zugeordnet werden. Wenn aber Identitätsbildung unter der Signatur der Postmoderne immer nur fragmentarisch, gebrochen und unabschließbar erfolgen kann, so hat dies auch eine Auswirkung auf die Bedeutung, die das biografische Material hat, welches im Prozess dieser Lernprozesse eingespielt wird; es wird nicht absolut, sondern relativ und relational auf die je spezifischen Bedürfnisse der lernenden Schülerinnen und Schüler zugeschnitten sein müssen, um so eine Identitätsbildung zu ermöglichen, die als „fortschreitende Bewegung im Sinne des unabschließbaren Prozesses der Bildung“ (Pirker, 2015, 41) zu sehen ist.

1.2. Die Bedeutung von Fremdbiografien

Das markante Diktum von Martin Buber „Der Mensch wird am Du zum Ich“ (Buber, 1954, 32) bedarf also einer religionsdidaktischen Ausdifferenzierung und Entfaltung: Wie geht das im Prozess des Lernens vonstatten? Was geschieht bei der realen oder virtuellen Begegnung von zwei Individuen? Und auch Bubers bekannte Erzählung aus der Chassidim ist ergänzungsbedürftig: „Die Frage der Fragen. Vor dem Ende sprach Rabbi Sussja: ‚In der kommenden Welt wird man mich nicht fragen: Warum bist du nicht Mose gewesen? Man wird mich fragen: Warum bist du nicht Sussja gewesen“ (Buber, 1949, 394). Stimmt, aber vielleicht hat mich neben vielen anderen auch Mose zu dem gemacht, was ich bin? Insofern wird unter den Vorzeichen des biografischen Lernens auch die problematische Unterscheidung verschiedener Begriffe, die mit dem Modell-Lernen konnotiert sind, obsolet: Ob Heiliger, Heldin, Medienstar oder Idol, Personen aus der Familie oder Local heroes, fragwürdige und gebrochene Biografien oder biblische Personen, alle diese Gruppen verfügen über ein spezifisches und jeweils auch didaktisch klärungsbedürftiges Lernpotenzial, das sich für ein orientierendes Lernen eignet (Mendl, 2015a, 45-49;93-244): „Jeder Mensch als Bild Gottes und jeder Mensch als Bild der Menschlichkeit [...] ist ein ‚würdiger Gegenstand der Anschauung‘ in seinem Versuch, Leben zu lernen“ (Frost, 1996, 123). Das gilt auch für die Lehrpersonen, denen gerade im Prozess des Lehrens und Lernens besondere Aufmerksamkeit zukommt und die sich deshalb auch dem Anspruch, als Modelle zu gelten, nicht entziehen können (siehe 5.1; Hattie, 2013; 2014; Burrichter u.a., 2012; Mendl, 2015a, 209-225).

2. Lernpsychologische Modelle

Psychologische Lerntheorien (Edelmann/Wittmann, 2012) in Verbindung mit grundsätzlichen ethischen Lernmodellen (Ziebertz, 2010, 439-445) (→ Ethische Bildung und Erziehung) können herangezogen werden, um die möglichen Funktionsweisen von Fremdbiografien im Prozess des Lernens zu erläutern. Der neutrale Begriff Fremdbiografie soll verdeutlichen, wie sehr die häufig intuitiv verwendeten anderen Begriffe mit bestimmten Lernvorstellungen verbunden sind: So kann das klassische Vorbildlernen der verhaltenstheoretischen Auffassung zugeordnet werden, das Modell-Lernen der sozial-kognitiven Theorie des Modell-Lernens, das Lernen an fremden Biografien dem diskursethischen Ansatz und das Lernen durch Tun und im Dialog dem interpersonellen handlungsethischen Lernen (Mendl, 2015a, 60-82).

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2.1. Verhaltenstheoretische Auffassung

Das verhaltenstheoretische Modell der Bewunderung und Nachahmung von großen Vorbildern war wegen der Verengung auf die Perspektive einer unreflektierten Heldenverehrung mit Recht in Misskredit geraten. Man kann und soll nicht einfach fremde Personen nachahmen! Zwar benötigen Kinder entwicklungspsychologisch betrachtet starke große und kleine Vorbilder, die sie auch emotional bewundern dürfen und die ihren Welthorizont zu weiten helfen. Trotzdem ist die Reichweite dieser Lernebene in doppelter Hinsicht begrenzt: Eine reine Wertübertragung vom Vorbild auf die Lernenden hin ist ethisch und didaktisch problematisch und die fehlende Reflexion erweist sich als weiterer Schwachpunkt, wenn wir unter den Ansprüchen des schulischen Lernens über die Bedeutung eines Lernens an anderen Personen nachdenken.

2.2. Sozial-kognitive Theorie des Modell-Lernens

Modelltheoretische Ansätze (Bandura, 1979; Edelmann/Wittmann, 2012, 163-168) legen es nahe, die Auseinandersetzung mit fremden Biographien als reflektierten mehrstufigen Prozess der Werterhellung zu gestalten: Die Beschäftigung mit Wert- und Lebensentscheidungen der betrachteten Person führt zur Frage, wie man sich selber in den geschilderten Situationen verhalten würde bzw. ob es vergleichbare Situationen im eigenen Leben gibt, die zur Entscheidung und zum Handeln herausfordern. Im engeren Sinn „erfolgreich“ sind solche Lernprozesse dann, wenn nachgewiesen werden kann, dass Menschen auf ähnliche Weise wie eine vorbildhafte Person, mit der man sich zuvor beschäftigt hat, im eigenen Leben gute Taten vollbracht haben.

2.3. Diskursethisches Lernen

Im Unterschied zu den bisher skizzierten Lernvorstellungen verzichtet man bei diskursethischen Verfahren auf unmittelbare Transfers und muss auch aushalten, wenn Kinder und Jugendliche sich für das Gegenteil einer sozial erwünschten Haltung und Handlung entscheiden – wenn sie beispielsweise kundtun, dass sie kein freiwilliges soziales Jahr machen würden wie ein präsentierter Local hero (www.uni-passau.de/local-heroes) oder keinen Organspendeausweis ausfüllen würden. Lehrer und Lehrerinnen benötigen hier eine Differenzverträglichkeit. Denn der Weg ist das Ziel: Wenn Kinder und Jugendliche immer wieder moralische Dilemmata diskutieren, wird ihr ethisches Argumentations- und Reflexionsvermögen komplexer (Oser, 1996, 87f.). Unter den skizzierten didaktischen Prämissen einer Zuordnung des Lernens an fremden Biografien auf das biografische Lernen hin erscheint gerade ein diskursethischer Ansatz als der unterrichtlich anzustrebende, da auf diese Weise Kindern und Jugendlichen immer wieder personales Material zugespielt wird, an dem sich die eigene Wertbildung und Wertreflexion auch in Auseinandersetzung mit anderen Optionen in der Lerngruppe entwickeln können.

2.4. Handlungsethisches Lernen

Moralische Entscheidungen zu einem fiktiven Dilemma im Klassenzimmer oder Gruppenraum geben noch keinen Aufschluss über reales moralisches Handeln. Deshalb sind Sozialprojekte und -aktionen bedeutsam, in denen planvolles ethisches Handeln tatsächlich erlebt wird (→ Compassion). Hier schließt sich der lernpsychologische Kreis, wenn man ein Element hinzufügt, das bei diesen Aktionen bisher noch unterbelichtet ist: Die professionellen Helfer und Helferinnen, z.B. auch die Local heroes vor Ort, werden zu vorbildhaften Personen und Spiegelungen für das eigene Verhalten; bei der reflexiven Auseinandersetzung mit den Motiven für ihr berufliches oder ehrenamtliches Handeln, aber auch im unmittelbaren gemeinsamen Tun (Umgang mit Behinderten, Pflege eines Kranken, Betreuung von Kindern) ergeben sich Felder der reflektierten Nachahmung und Bewunderung. Ein solcher Ansatz steht in einer gewissen Spannung zu einer diskursethisch orientierten Vorstellung eines orientierenden Lernens; er wird aber untermauert durch neuere Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der Hirnforschung, die nahe legen, dass über die unmittelbare Wahrnehmung des Gegenübers Spiegelneuronen aktiviert werden und dies auch eine Bedeutung bei der Entwicklung von Empathie und Perspektivenübernahme haben könnte (Bauer, 2010). Man kann beide Positionen miteinander verbinden, wenn man das Prinzip der Reflexivität hinzuzieht, um das lernende Subjekt zu befähigen, auch über neuronal gesteuerte Prozesse der Spiegelung an anderen, beeindruckenden Personen, nachzudenken und entscheiden zu lernen.

3. Zielhorizonte eines Lernens an fremden Biografien

Karolin Kuhn skizziert „vor dem Hintergrund theoretischer Modelle der (Religions-) Pädagogik, Psychologie und Philosophie“ (Kuhn, 2010, 97) folgende vier Zentralbereiche eines Lernens, das konsequent subjektbezogen entfaltet ist:

  • Die Methode eines Lernens an fremden Biografien soll einen Beitrag zur Identitätsfindung von Jugendlichen leisten.
  • Diese sollen dadurch in ihrer Fähigkeit zur Perspektivenübernahme und empathischen Identifikation gestärkt,
  • in der Entwicklung ihrer moralischen Urteilsfähigkeit unterstützt
  • und schließlich zur diskursiven Ausbildung moralischer Überzeugungen befähigt werden (Kuhn, 2010, 85-109).

Ein solcher Zielhorizont enthält weiterführende religionsdidaktische Implikationen: Wie eingangs erwähnt wurde, können tatsächlich von den großen Heiligen über die Helden und Heldinnen des Alltags bis hin zu negativen und gebrochenen Biografien ganz unterschiedliche Personengruppen didaktisch aufbereitet werden. Von besonderer Bedeutung ist dabei eine realistische Darbietung der Person, die selten völlig perfekt sein wird: „Ein Vorbild […] ist nie ‚fertig‘ und niemals ‚perfekt‘. Es fehlt und scheitert, es entwickelt sich“ (Horáková, 2007, 21). Entscheidend ist, dass die Personen didaktisch so attraktiv präsentiert werden, dass sich Schülerinnen und Schüler mit ihren Lebensthemen in deren Biografien und vor allem deren biografischen Entscheidungen wiederfinden können.

4. Didaktische Perspektiven

4.1. „Sich einklinken“ in fremde Biografien

Die Zuordnung des Lernens an fremden Biografien zum biografischen Lernen fordert „eine permanente Denkbewegung ein, die von der fremden Biografie zur eigenen und umgekehrt bzw. nur reflexiv auf die eigene bezogen läuft“ (Lindner, 2011, 64). Die grundlegende Absicht besteht darin, die Schülerinnen und Schüler zu Positionierungen herauszufordern, Bedeutungszuschreibungen zu ermöglichen und Möglichkeitsräume zu eröffnen (ebd., 65f.). Die Beantwortung der immer von Neuem gestellten Fragen „Wer bin ich?“ – „Wer möchte ich sein?“ kann auch durch die Auseinandersetzung mit den Lebenserfahrungen und Entscheidungen von Fremdbiografien erfolgen. Wenn sich Schülerinnen und Schüler in fremde Biografien „einklinken“, können sie Perspektiven, Denkmöglichkeiten und Lebenswege erprobend nachvollziehen.

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4.2. Die Bedeutung von Dilemma-Geschichten

Besonders Dilemmageschichten eignen sich als Basis für die Auseinandersetzung mit fremden Biografien. Verschiedene Entscheidungsoptionen mit unterschiedlichen Wertprioritäten konkurrieren miteinander. Dabei werden durch den offenen Austausch von Argumenten spielerisch das Abwägen von Handlungsfolgen und das Aushandeln von Lösungen eingeübt. Eine Dilemmadiskussion vermag darüber hinaus die Plausibilität verbindlicher Normen und die gleichzeitige Notwendigkeit, dem Einzelfall gerecht zu werden, eher aufzuzeigen als das bloße Pauken von Verboten und Geboten, das häufig dazu führt, dass Kinder und Jugendliche sofort die in ihren Augen von der Lehrkraft erwartete Verhaltensweise zur einzig legitimen erklären („Religionsstunden-Ich“). Wichtig bei einer Dilemmadiskussion ist es daher, vor allem darauf zu achten, dass es einerseits zunächst kein „richtig“ oder „falsch“ geben darf, sondern ein begründetes Werturteil der Schülerinnen und Schüler zu respektieren und zu würdigen ist, auch wenn es nicht der von der Lehrkraft bevorzugten Antwort entspricht, andererseits dann aber die Folgen einer Handlung durchaus unterschiedliche Tragweite haben und unterschiedlich bewertet werden können. Die Herausforderung besteht zudem im Entscheidungszwang: Entscheidungssituationen erfordern Handlungen, die wiederum moralisch begründet werden müssen (Kuld/Schmid, 2001, 107-113).

Die Grundmethode des moralischen Dilemmas auf ein Lernen an fremden Biografien anzuwenden, bedeutet, bei allen Personen und Personengruppen jeweils die Krisen- und Entscheidungsphasen ihres Lebens herauszudestillieren; diese sind lernpsychologisch und didaktisch interessant! Solche Situationen gilt es aufzuspüren und als Dilemmageschichten aufzubereiten!

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4.3. Die Vielfalt dialogisch-diskursethischer Grundmethoden

Die von Konstantin Lindner mit Recht eingeforderte permanente Denkbewegung zwischen der eigenen und der fremden Biografie kann durch die entsprechenden didaktischen Verfahren gefördert werden, die dem Arsenal des kreativen Schreibens oder den Präsentations- und Moderationsmethoden entnommen sind: Briefkonstellationen, Wertepyramiden, Werbesprüche, Wandzeitungen, Nachrufe, Gedenktafeln, Feierreden, Leserbriefe, Kommunikations- und Einschätzungsübungen, Mindmap, Cluster, Kartenabfragen – um nur einige zu nennen (weitere siehe: Mendl, 2015a, 253-274; Mendl, 2011; siehe hierzu auch die vielen Praxisbeispiele in der Local-heroes-Datenbank: www.uni-passau.de/local-heroes).

Die Auseinandersetzung mit unterschiedlich gelagerten fremden Positionen bei diesen methodischen Verfahren hat einen großen Vorteil: Sie ermöglicht indirekte Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit Personen und Wertediskursen. Jugendliche müssen nicht ein eigenes Werte-Credo ablegen, sie können Wertoptionen durchspielen, sie können in Rollen schlüpfen und perspektivisch Positionen einnehmen, von denen sie sich aber auch wieder distanzieren können.

Dies gilt insgesamt für alle methodischen Variationen, bei denen Schülerinnen und Schüler in Konfliktsituationen fremder Biografien und mehr oder weniger ausgestaltete Lösungsangebote verwoben werden. Das Spiel mit fremden Positionen eröffnet einen Schutzraum, besonders dann, wenn Schülerinnen und Schüler offenes Argumentieren im Religionsunterricht nicht gewohnt sind („Religionsstunden-Ich“) bzw. sich im Sozialraum der Klasse mit bestimmten abweichenden Meinungen nicht outen wollen.

5. Modell Lehrkraft

Lehrende sind bei einem Lernen an fremden Biografien, das sich als Beitrag zum orientierenden Lernen versteht, auf mehreren Ebenen gefordert: personal, aber auch didaktisch (Mendl, 2015a, 209-225). In der aktuellen schulpädagogischen Diskussion wird dem Lehrer und der Lehrerin wieder ein größerer Stellenwert beigemessen als in vergangenen Jahrzehnten (Hattie, 2013; 2014): auf ihre Klassenführungskompetenz, auf die Klarheit in der Darbietung, auf das Feedback an die Schülerinnen und Schüler und vor allem auf ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen den Lehrenden und Lernenden kommt es an, um erfolgreich zu lernen! Gleichzeitig ergibt sich von aktuellen empirischen Untersuchungen aus die religionsdidaktische Problemanzeige, dass gerade Religionslehrerinnen und -lehrer zu wenig als von der Sache überzeugte Personen im Klassenzimmer präsent sind und nur selten aktive fachliche Expertise einbringen, und damit auch die Schülerinnen und Schüler produktiv herausfordern (Englert/Hennecke/Kämmerling, 2014). Wer professionell (Religion) unterrichten will, sollte aber nicht nur zu den von einer Lehrkraft geforderten verschiedenen Kompetenzbereichen ein reflexives Verhältnis haben, sondern auch ganz speziell über die Frage nachdenken, inwiefern er oder sie auch für die Lehrenden ein Modell darstellen kann (Burrichter u.a., 2012).

5.1. Man kann nicht nicht Vorbild sein

(Religions-)Lehrerinnen und -lehrer müssen sich bewusst sein, dass sie von den Schülerinnen und Schülern auf verschiedenen Ebenen als Modell wahrgenommen werden – beispielsweise in ihrem Sozialverhalten, ihrem emotionalen Verhalten, ihrer kognitiven Leistung und ihrem planvollen Handeln (Edelmann/Wittmann, 2012, 193). Was im Religionsunterricht von den Lehrenden verlangt werden kann, ist ein reflektierter Umgang mit Religion, der auch für die Schülerinnen und Schüler wahrnehmbar sein muss: Religionslehrende beherrschen den Modus einer Begegnung mit der Wirklichkeit, der geprägt ist von der Überzeugung, dass es Gott gibt, sie leisten eine Übersetzerarbeit und machen so religiöses Wissen verstehbar. Sie sind selber transparente Zeugen eines eigenen fragmentarischen Glaubens und sie werden von Schülerseite aus häufig auch als erste Repräsentanten von Kirche betrachtet und müssen bei den entsprechenden aktuellen Fragen als Prellbock herhalten (Mendl, 2016). Insofern sind Religionslehrende selber ein personales Medium.

5.2. Offenheit und Positionalität

Nicht nur auf der unmittelbaren personal-kommunikativen Ebene, sondern auch in didaktischer Hinsicht im Umgang mit dem Modelllernen überhaupt, steht ein Religionslehrer unter Erwartungsdruck. Gerade die Ansprüche eines diskursethischen Ansatzes (siehe 2.3) fordern heraus; gilt es doch einerseits, respektvoll mit den je unterschiedlichen Entscheidungen und Urteilen der Schülerinnen und Schüler umzugehen und ihnen keine ethische Position überzustülpen. Andererseits benötigen Kinder und Jugendliche aber auch eine Gegenrede, eine kognitive und ethische Herausforderung und die Aufforderung zum Weiterdenken über die Folgen von ethischen Entscheidungen über den Augenblick hinaus. Und Lehrerinnen und Lehrer sollten selber die Personen, die sie als Modell unterrichtlich thematisieren, als reizvoll und herausfordernd empfinden!

Literaturverzeichnis

  • Bandura, Albert, Sozial-kognitive Lerntheorie, Stuttgart 1979.
  • Bauer, Joachim, Warum ich fühle, was du fühlst. Intuitive Kommunikation und das Geheimnis der Spiegelneurone, München 15. Aufl. 2010.
  • Buber, Martin, Ich und Du, in: Buber, Martin, Die Schriften über das dialogische Prinzip, Heidelberg 1954, 7-121.
  • Buber, Martin, Die Erzählungen der Chassidim, Zürich 1949.
  • Burrichter, Rita/Grümme, Bernhard/Mendl, Hans/Pirner, Manfred L./Rothgangel, Martin/Schlag, Thomas, Professionell Religion unterrichten. Ein Arbeitsbuch. Mit einem Beitrag zum Referendariat von Hartmut Lenhard, Religionspädagogik innovativ 2, Stuttgart 2012.
  • Edelmann, Walter/Wittmann, Simone, Lernpsychologie, Weinheim 7. vollst. überarb. Aufl. 2012.
  • Englert, Rudolf (Hg. u.a.), Sehnsucht nach Orientierung. Vorbilder im Religionsunterricht, Jahrbuch der Religionspädagogik 24, Neukirchen-Vluyn 2008.
  • Englert, Rudolf/Hennecke, Elisabeth/Kämmerling, Markus, Innenansichten des Religionsunterrichts. Fallbeispiele, Analysen, Konsequenzen, München 2014.
  • Frost, Ursula, Erziehung durch Vorbilder?, in: Schmidinger, Heinrich (Hg.), Vor-Bilder – Realität und Illusion, Graz u.a. 1996, 91-127.
  • Hattie, John, Lernen sichtbar machen für Lehrpersonen. Bearbeitet von Wolfgang Beywl und Klaus Zierer, Baltmannsweiler 2014.
  • Hattie, John, Lernen sichtbar machen. Überarbeitete deutschsprachige Ausgabe von „Visible Learning“. Besorgt von Wolfgang Beywl und Klaus Zierer, Baltmannsweiler 2013.
  • Horáková, Dana, Vorbilder. Berühmte Deutsche erzählen, wer ihnen wichtig ist, Wiesbaden 2007.
  • Kuhn, Karolin, An fremden Biografien lernen! Ein religionspädagogischer Beitrag zur Unterrichtsforschung, Münster 2010.
  • Kuld, Lothar/Schmid, Bruno, Lernen aus Widersprüchen. Dilemmageschichten im Religionsunterricht, Donauwörth 2001.
  • Lindner, Konstantin, „Aufgabe Biografie“ – eine religionsdidaktische Herausforderung?!, in: Loccumer Pelikan (2011) 2, 62-67.
  • Mendl, Hans, Helden, Novizen, Zeugen? Beziehungsfähigkeit und Reflexivität als Basiskompetenzen von Religionslehrenden, in: Religionspädagogische Beiträge 74 (2016), 81-92.
  • Mendl, Hans, Modelle – Vorbilder – Leitfiguren. Lernen an außergewöhnlichen Biografien, Stuttgart 2015a.
  • Mendl, Hans, Wer bin ich und durch wen werde ich? Biografisches Lernen im Religionsunterricht, in: Grundschule Religion 50 (2015b), 4-8.
  • Mendl, Hans, Helden auf Augenhöhe. Didaktische Anregungen zur Ausstellung und zur Datenbank „Local heroes“, Winzer 2011.
  • Mendl, Hans, Local heroes. Ein Projekt des Lehrstuhls für Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts am Department Katholische Theologie der Philosophischen Fakultät der Universität Passau, o.O. o.J. Online unter: www.uni-passau.de/local-heroes, abgerufen am 23.06.2016.
  • Oser, Fritz, Moralpsychologische Perspektiven, in: Adam, Gottfried/Schweitzer, Friedrich (Hg.), Ethisch erziehen in der Schule, Göttingen 1996, 81-109.
  • Pirker, Viera, Identität, in: Porzelt, Burkard/Schimmel, Alexander (Hg.), Strukturbegriffe der Religionspädagogik, Bad Heilbrunn 2015, 38-43.
  • Zeitschrift Grundschule Religion 50 (2015), Biografisches Lernen.
  • Ziebertz, Hans-Georg, Ethisches Lernen, in: Hilger, Georg/Leimgruber, Stephan/Ziebertz, Hans-Georg, Religionsdidaktik. Ein Leitfaden für Studium, Ausbildung und Beruf, München 2010, 434-452.

Abbildungsverzeichnis

  • Aus: Mendl, 2015a, 61 © Hans Mendl
  • Lernen an fremden Biografien als Teil des biografischen Lernens. Aus: nach Mendl, 2015b, 4 © Hans Mendl
  • Grundstruktur einer Arbeit mit Dilemmageschichten. Aus: Mendl, 2015a, 251 © Hans Mendl

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