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Ökumenische Bewegung

(erstellt: Februar 2017)

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1. Lebensweltliche Verortungen

Von den weltweit insgesamt 7,2 Milliarden Menschen waren im Jahr 2014 ungefähr ein Drittel Christen (Status of Global Mission 2014). Das Christentum ist damit die zahlenstärkste Religion, mit deutlich steigender Tendenz. Wie der Islam, zu dem sich 1,66 Milliarden Menschen bekennen, differenziert es sich konfessionell aus: Gut die Hälfte aller Christen ist römisch-katholisch; es folgen die Orthodoxen, die verschiedenen aus der Reformation hervorgegangen Kirchen samt den Anglikanern und die Freikirchen. Rapide wachsen die Pfingstler.

Ökumene, also das Bemühen um die sichtbare Einheit der Christen, ist heute beinahe schon eine Selbstverständlichkeit, jedenfalls in Deutschland. Stärker als das, was die Christen unterschiedlicher Konfession trennt, wird das Verbindende betont. Anstelle der Konfrontation, wie dies mitunter in der Vergangenheit der Fall war, ist die Kooperation getreten. Hierfür gibt es Beispiele, die ganz unterschiedliche Ebenen betreffen. So wenden sich die kirchenleitenden evangelischen und katholischen Geistlichen immer wieder zusammen an die Öffentlichkeit, um zu gesellschaftsrelevanten Fragen Position zu beziehen; in den Pfarreien und Gemeinden vor Ort finden gemeinsame Bildungsveranstaltungen statt; zudem werden Sozialprojekte miteinander angegangen; Eheschließungen von Katholiken und Protestanten sind weithin üblich und werden nicht mehr wie früher als Problem gesehen; die allermeisten Schulgottesdienste (→ Schulgottesdienst) werden als ökumenische Wortgottesdienste gefeiert; mit der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (www.oekumene-ack.de) gibt es ein wichtiges Forum des Austausches und der Zusammenarbeit.

In Deutschland gehören gut 60% aller Einwohner einer christlichen Kirche an. Obwohl die Mitgliederentwicklung rückläufig ist, zählen die lutherischen, reformierten und unierten Landeskirchen, die in der Evangelischen Kirche in Deutschland organisiert sind (www.ekd.de), noch 22 Millionen Gläubige, und in den verschiedenen Diözesen leben 23 Millionen Katholiken (www.dbk.de). Es gibt zahlreiche weitere Kirchen und Gemeinschaften. Viele sind vergleichsweise klein, haben oft nur ein paar tausend Mitglieder; manche sind sogar nur regional verbreitet.

Die Pluralität des Christentums in Deutschland ist hoch, ja sie hat in den letzten Jahren noch einmal zugenommen (→ Pluralisierung). Bedingt durch Flucht und Migration sind nämlich Christen ganz unterschiedlicher Konfession nach Deutschland gezogen, beispielsweise aus Syrien, vom Balkan oder aus Russland. Bei aller Unsicherheit der Statistik leben inzwischen mehr als 1,6 Millionen Orthodoxe im Land. Hinzu kommen orientalisch-orthodoxe Christen wie die Kopten, die eigentlich in Ägypten und Eriträa beheimatet sind. Einige Sakralgebäude, für die evangelischer- und katholischerseits keine Verwendung mehr bestand, sind bereits in die Nutzung entsprechender Gemeinden übergegangen. Auch im Alltag, in den Nachbarschaften und im schulischen Kontext kann man Christen ganz unterschiedlicher Herkunft und Konfession begegnen.

Vor diesem Hintergrund ist das Anliegen der Ökumenischen Bewegung weiterhin aktuell: das Verbindende des Christseins herauszuarbeiten und Schritte zur sichtbaren Einheit zu unternehmen, statt auf das Trennende zwischen den Konfessionen zu verweisen. Um dieses Anliegen zu verstehen, hilft ein Blick zurück.

2. Kirchengeschichtliche Klärungen

2.1 Ein Idealbild

Das Idealbild der Einheit der Christen ist in der Kirchengeschichte niemals ganz vergessen worden. Bereits die Apostel mühten sich darum, die „Einheit des Geistes“ zu wahren (etwa 1 Kor 12; Apg 15). Die altkirchlichen Konzilien waren stets bestrebt, einen breiten dogmatischen Konsens herzustellen. Auf den Unionskonzilien von Lyon (1274) und (Basel-Ferrara-)Florenz (1439) wurde eine formelle Einheit mit dem Osten erreicht. Der protestantische Philosoph Leibniz und der katholische Bischof Spinola nahmen im späten 17. Jahrhundert die Einheitsfrage wieder auf.

Letztlich blieb es jedoch bei Einzelinitiativen. Erst die beschleunigte Aufsplitterung der Kirchen in der Neuzeit, die sich insbesondere im protestantischen Bereich zeigte, und die neuen technischen Möglichkeiten des 19. Jahrhunderts in Verkehr und Kommunikation, welche die Welt de facto „kleiner machten“, bewirkten ein Umdenken. Nun endlich wurde die Suche nach der Einheit zu einem breiten Strom, der zuerst die Protestanten und dann nach und nach auch alle anderen Konfessionen erfasste. Eine Vorreiterrolle im Blick auf die eigentliche Ökumenische Bewegung spielten dabei die internationalen und überkonfessionellen Organisationen, die im 19. Jahrhundert gegründet wurden: der Studentenweltbund, der YMCA als größter christlicher Jugendverband und die konfessionellen Weltbünde der aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen. Erstmals erlebten sich Christen, die verschiedenen protestantischen Kirchen angehörten, in diesen Organisationen als im Glauben und in einem gemeinsamen Anliegen geeint. Die Erfahrung des Ersten Weltkriegs, in dem sich alte christliche Nationen gegenüberstanden, verstärkte die Einheitstendenzen. Nicht von ungefähr kamen führende Protagonisten der frühen Ökumenischen Bewegung aus der pazifistischen Arbeit. Als eigentlicher Auftakt gilt im Allgemeinen aber die Weltmissionskonferenz 1910 in Edinburgh, wo die Überzeugung sich durchsetzte, dass Missionare aus verschiedenen Kirchen die konfessionelle Spaltung in andere Erdteile exportierten und kirchliche Parallelstrukturen etablierten. In den folgenden Jahren arbeiteten die Protagonisten dieser drei Strömungen – der internationalen Organisationen, des christlichen Pazifismus und der Mission – zusammen, um spezifisch ökumenische Strukturen entstehen zu lassen. Zunächst entwickelte sich das ökumenische Engagement noch in zwei Strängen: Die Bewegung Life and Work (Bewegung für praktisches Christentum) war eher auf eine praktisch-sozialethische Zusammenarbeit der Kirchen ausgerichtet („Die Lehre trennt, der Dienst eint“). Die Bewegung Faith and Order (Bewegung für Glaube und Kirchenverfassung) setzte dagegen einen anderen Akzent: Nicht beim gemeinsamen Zeugnis sei zu beginnen, sondern bei der Reflexion der grundlegenden dogmatischen Unterschiede. Life and Work veranstaltete eine erste große Weltkonferenz im Jahr 1925 in Stockholm. Federführend war hier der schwedisch-lutherische Erzbischof Nathan Söderblom. Die erste Weltkonferenz von Faith and Order fand 1927 in Lausanne statt.

2.2 Die katholische Reaktion und die „Ökumene im Dritten Reich“

Zwar war Katholiken die Teilnahme an ökumenischen Konferenzen durch Rom verwehrt, doch gab es auch in der katholischen Kirche erste Initiativen, etwa die Mechelner Gespräche mit den Anglikanern (1921-25). Benedikt XV. und Pius XI. lenkten den Blick auf die Orthodoxie. So kam es in den zwanziger und dreißiger Jahren zu einer „Neuentdeckung“ des christlichen Ostens.

Eine neue Situation ergab sich im Deutschen Reich aufgrund der nationalsozialistischen Kirchenverfolgung, von der die katholische wie die evangelische Kirche gleichermaßen betroffen waren (→ Kirchen im Nationalsozialismus). Diese Situation führte zu einer bis dato nicht gekannten Solidarisierung auf verschiedenen Ebenen. Im Mai 1934 kam es im Geheimen zur ersten interkonfessionellen Theologenkonferenz seit der Reformation, an der vor allem Vertreter der kirchlichen Erneuerungsbewegungen, namentlich der Liturgischen, der Laien- und der Bibelbewegung beteiligt waren (u.a. Friedrich Heiler, Romano Guardini). In über 80 Städten des Reiches entstanden in der Folge gemischte Gesprächs- und Gebetskreise. Der Freiburger Priester Max Josef Metzger (1944 als Widerstandskämpfer hingerichtet) fasste sie in der Una-Sancta-Bruderschaft zusammen. In der katholischen Theologie rückten Luther und seine Theologie neu in den Fokus (Joseph Lortz u.a.). In den Konzentrationslagern lernten katholische und evangelische Geistliche die jeweils andere Seite besser kennen (Dachau: Martin Niemöller). Von der internationalen Ökumene war man zwar weithin abgeschnitten, doch betete man nun immerhin in der Weltgebetsoktav gemeinsam um die Einheit. Im Widerstand arbeiteten Protestanten und Katholiken wie selbstverständlich zusammen („Kreisauer Kreis“ mit Helmuth James Graf von Moltke und Alfred Delp, „Weiße Rose“).

Die Geheimpolizei registrierte die Zusammenarbeit der Kirchen von Anfang an mit großem Argwohn und stufte sie als Akt der weltanschaulichen Opposition ein. In den Berichten für die Staats- und Parteiführung ist wiederholt von einer „gemeinsamen Abwehrfront“ gegen das NS-Regime die Rede.

Die Gesprächskontakte wurden nach 1945 im Jaeger-Stählin-Kreise (heute Ökumenischer Arbeitskreis) fortgeführt. Dieser sollte später entscheidende Beiträge zur Frage der wechselseitigen Lehrverurteilungen aus der Reformationszeit und zur Rechtfertigungslehre leisten. Unter den Mitgliedern waren die Theologen Karl Rahner, Joseph Ratzinger und Karl Lehmann. Nach dem Krieg wurde die Gemeinschaft von Taizé (Roger Schutz) vor allem für junge Menschen zum Ort erfahrbarer Gemeinschaft.

2.3 Die Gründung des ÖRK

1948 schließlich wurden die beiden genannten Stränge endgültig zusammengeführt, als in Amsterdam der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) gegründet wurde, dem heute 349 Kirchen angehören. Faith and Order blieb formell selbständig. Federführend waren Bischof George Bell, ein Freund Dietrich Bonhoeffers, und der langjährige Generalsekretär des ÖRK, Willem Visser t’Hooft. Der ÖRK versteht sich nicht als „Über-Kirche“, sondern als Plattform selbständig bleibender Kirchen. Nach der Basisformel von 1961 ist er „eine Gemeinschaft von Kirchen, die den Herrn Jesus Christus gemäß der Heiligen Schrift als Gott und Heiland bekennen und darum gemeinsam zu erfüllen trachten, wozu sie berufen sind, zur Ehre Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Von daher nimmt es nicht Wunder, dass die auf den Vollversammlungen diskutierten Themen von Anfang an eine stark sozialethisch-politische Ausrichtung hatten, mit steigender Tendenz. Es folgten im Abstand von jeweils etwa sieben Jahren weitere Weltkonferenzen des ÖRK: Evanston 1954, Neu Delhi 1961, Uppsala 1968, Nairobi 1975, Vancouver 1983, Canberra 1991, Harare 1998, Porto Allegre 2006, Busan (Korea) 2013.

Katholiken war die Teilnahme an den Weltkonferenzen des ÖRK zunächst untersagt. Rom entsendet zwar seit 1961 Beobachter, lehnte eine Mitgliedschaft der römisch-katholischen Kirche später aber ab. Wohl existiert seit dem Jahr 1965 eine „Gemeinsame Arbeitsgruppe“.

2.4 Das Zweite Vatikanische Konzil

Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) brachte die endgültige Hinwendung zur Ökumenischen Bewegung. So wurden auch nicht-katholische Beobachter geladen. Im Ökumenismusdekret Unitatis redintegratio (Die Wiederherstellung der Einheit) heißt es programmatisch: „Die Wiederherstellung der Einheit unter allen Christen zu fördern, ist eines der Hauptziele des Heiligen Ökumenischen Zweiten Vatikanischen Konzils“ (UR 1). Die Ökumenische Bewegung wird positiv gewürdigt; Schuldzuweisungen im Blick auf die Kirchenspaltungen fehlen. Die eine, wahre, von Christus gestiftete Kirche, ist „verwirklicht“ in der katholischen Kirche, ohne einfach mit ihr identisch zu sein („subsistit in“ – LG 8). Kirchlichkeit gibt es also auch außerhalb der katholischen Kirche, ja Christus wollte sie als „Mittel des Heils“ in Dienst nehmen (LG 8). Nichtkatholische Christen gehören immer in gewissem Sinne der einen Kirche Jesu Christi an (UR 3). Hiervon ausgehend stellt das Konzil das Verbindende zwischen den Kirchen heraus. Gutes und Wahres kann bei den anderen hoch im Kurs sein, während es in der römisch-katholischen Kirche zwar nicht fehlt, aber derzeit nicht im Vordergrund steht. Daneben spricht das Konzil von der „Hierarchie der Wahrheiten“ (UR 11). Es gibt eine Mitte des Glaubens, Jesus Christus. Andere Glaubensgehalte sind in unterschiedlicher Nähe zu dieser Mitte angesiedelt, ohne dass man sie von dieser trennen dürfte. Am nächsten stehen der römisch-katholischen Kirche die orthodoxen Kirchen, in denen Eucharistie und Amt voll gewahrt sind. Mit den Kirchen der Reformation ist die katholische Kirche durch die Taufe und den hohen Stellenwert des biblischen Zeugnisses verbunden. Freilich ist es vorerst nicht denkbar, zusammen mit ihnen das Abendmahl zu feiern, denn für das Konzil steht die gemeinsame Feier der Eucharistie am Ende aller ökumenischen Bemühungen. Die Eucharistiegemeinschaft kann kein Mittel sein, diese Einheit zu erreichen, sondern allenfalls ihr Ziel.

Im Konzil wurden ferner die Lehrverurteilungen von 1054, die zum Schisma zwischen Ost- und Westkirche geführt hatten, aufgehoben.

2.5 Neuere Entwicklungen

Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist die katholische Kirche in bilaterale Verhandlungen mit allen großen Konfessionsfamilien eingetreten. Wichtigstes Ergebnis ist die katholisch-lutherische Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre (1999), ein Grundkonsens in dem für Luther zentralen theologischen Anliegen. Darüber hinaus wurden in praktischen Fragen Übereinkünfte erreicht, etwa in der Frage der gemischtkonfessionellen Ehe (1970) und der wechselseitigen Anerkennung der Taufe (2007). Allerdings veröffentlichte die römische Kongregation für die Glaubenslehre die Erklärung Dominus Jesus (2000), die vor allem auf protestantischer Seite als Hemmnis für die Ökumene wahrgenommen wurde.

Als haltbar haben sich die im 20. Jahrhundert im außereuropäischen Bereich geschaffenen Kirchenunionen reformatorischer Kirchen erwiesen (z.B. Kirche von Südindien von 1947). Auch „Kirchengemeinschaften“, die nach der Methode des „differenzierten Konsenses“ ausgelotet wurden, haben sich bewährt (z.B. die wichtige Leuenberger Konkordie von 1973 zwischen reformierten, lutherischen und kleineren Gemeinschaften; Porvoo 1992 zwischen Anglikanern und skandinavischen Lutheranern). In der Folge gewährte man sich Abendmahl- und Kanzelgemeinschaft. Mittlerweile wird diskutiert, ob die EKD über eine Organisation bekenntnisverschiedener Landeskirchen hinaus nicht selbst eine Kirche ist.

3. Religionsdidaktisch-praktische Überlegungen

Dass und warum es Unterschiede zwischen den einzelnen Konfessionen gibt, ist vielen Menschen wenig geläufig. Protestanten treten aus ihrer Landeskirche aus, weil sie mit dem Papst unzufrieden sind. Umgekehrt sehen Katholiken mitunter keinen Unterschied zwischen der Messe und einem Predigtgottesdienst. Das ist zu berücksichtigen, gleich ob im schulischen Unterricht oder in der Vorbereitung auf Konfirmation und Firmung. Erst wenn ein Bewusstsein der Vielfalt des Christentums vorhanden ist, wird überhaupt verständlich, weshalb die Ökumenische Bewegung entstanden ist und es das Bestreben nach größerer Einheit gibt. Von daher gilt es zunächst, ein Bewusstsein davon zu erlangen, wie sehr das Christentum konfessionell verfasst und geprägt ist. Hierfür einige Vorschläge:

(1) Ein Vergleich von Katechismen oder Bekenntnisschriften: Die einzelnen Konfessionen legen ihr Selbstverständnis in Katechismen, dogmatischen Konstitutionen oder Bekenntnisschriften nieder (→ Katechismus/Katechismusunterricht). Diese zu vergleichen, also textbezogen zu arbeiten, eignet sich zumal für Oberstufenkurse (→ Quellenarbeit, kirchengeschichtsdidaktisch). Als Vergleichspunkt bietet sich die Lehre von der Kirche an. Was den Katholizismus betrifft, stellt die Textgrundlage ein Dokument des Zweiten Vatikanischen Konzils dar, nämlich Lumen Gentium (Nr. 8, wiederaufgenommen im Katechismus der katholischen Kirche Nr. 771). Um das evangelische Selbstverständnis zu erheben, ist auf die Confessio Augustana (Nr. 7) und den Heidelberger Katechismus (Frage 54) zu verweisen. Vergleichen lassen sich die Texte anhand der Leitfrage, was jeweils unter dem Begriff der Kirche verstanden wird, was also das Kirchesein ausmacht. Wie sich zeigt, ergeben sich unterschiedliche, konfessionsspezifische Auffassungen. Die Aufgabe besteht darin, das Verbindende herauszuarbeiten.

(2) Die Einladung von kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern: Texte zu lesen, in denen sich das Selbstverständnis einer Konfession niederschlägt, ist das eine. Etwas anderes ist der Austausch mit Menschen, die im kirchlichen Dienst stehen. Sie können anschaulich aus ihrer täglichen Praxis berichten, etwa davon, wie ein typischer Arbeitstag aussieht. Nachfragen der Schülerinnen und Schüler könnten sich anschließen. Eine weitere Möglichkeit besteht in einem strukturierten Interview. Ein solches erfordert, im Vorfeld gut zu überlegen, welche Themen von Interesse sind. Aufgabe der Schülerinnen und Schüler ist es dann, einen entsprechenden Fragenkatalog zu erstellen. Theologisch ausgebildete hauptamtliche Mitarbeiter der Kirchen können fundiert Antwort geben. Es bietet sich daher an, sie gegen Ende einer Unterrichtsreihe einzuladen, um noch offene Fragen zu klären, die sich im Verlauf der Reihe ergeben haben. Trotz mancher Unterschiede zählen Verkündigung (Martyria), Gottesdienst (Leiturgia) (→ Gottesdienst, evangelisch; → Gottesdienst, katholisch), Soziales (Diakonia,Caritas – Diakonie) und Gemeinschaftsbildung (Koinonia) überall zu den zentralen kirchlichen Aufgaben.

(3) Besuch verschiedener Sakralräume oder Gottesdienste: Anliegen und Leitgedanken der verschiedenen Konfessionen spiegeln sich nicht zuletzt in ihrer Architektur wider. Insofern lohnt es, verschiedene Sakralräume zu besuchen und anhand der Leitfrage zu erschließen, was die jeweilige Kirche zu einer katholischen, evangelischen oder orthodoxen macht (→ Orte, historische). Wo Altar und Kanzel stehen, ob beispielsweise Beichtstühle, bildliche Darstellungen und Kniebänke vorhanden sind, lässt auf das konfessionelle Profil zurückschließen. Die Erschließung des Raumes kann in Kleingruppen geschehen, gefolgt von einem Plenum, um die verschiedenen Eindrücke zusammenzutragen. Bei allen Unterschieden zeigt sich, dass es hier wie dort darum geht, Menschen zu versammeln, um Gottes Wort zu hören und die Sakramente zu feiern. Zu beachten ist der recht hohe logistische und zeitliche Aufwand, wenn man verschiedene Sakralräume besucht. Im außerschulischen Zusammenhang ist indes auch möglich, den Sonntagsgottesdienst einer bestimmten Konfession zu besuchen.

(4) Kennenlernen von ökumenischen Projekten: Es gibt eine ganz praktische Ökumene, etwa in Form von Sozialprojekten oder besonderen Aktionen (→ Gemeinwohl). Ein Beispiel ist der Ökumenische Pilgerweg für Klimagerechtigkeit, an dem sich im Jahr 2015 zahlreiche Christen aus Deutschland beteiligt haben. Dieser führte von Flensburg nach Paris zur UN-Klimakonferenz (www.klimapilgern.de). Neben der gemeinsamen Sorge um die Schöpfung gibt es weitere Initiativen, die einer bestimmten Notlage geschuldet sind. Momentan ist zumal an die Flüchtlingshilfe vor Ort zu denken. Katholische Pfarreien und evangelische Kirchgemeinden arbeiten da oft gut und vertrauensvoll zusammen. Solche Projekte kennenzulernen, lässt Kinder und Jugendliche konkret die Zusammenarbeit über alle Konfessionsgrenzen hinweg erfahren. Verbindend ist die Sorge um den Nächsten.

Soweit einige didaktische Vorschläge. Voraussetzung der Ökumenischen Bewegung ist die Annahme, dass es bei aller Vielfalt des Christentums eine grundlegende Einheit der Kirche gibt, die es immer mehr zu entdecken gilt. Worin diese Einheit besteht, ist indes umstritten. Ist es das Bekenntnis zum dreieinen Gott? Der Glaube an Jesus Christus? Oder etwa die eine Taufe? Was letztere betrifft, ist auf die Magdeburger Erklärung aus dem Jahr 2007 zu verweisen, in der elf in Deutschland verbreitete Kirchen unterschiedlicher Konfession wechselseitig die vollzogenen Taufen anerkannt haben (www.ekd.de/presse/pm86_2007_wechselseitige_taufanerkennung.html). Es lohnt, das Dokument, das die Einheit der Kirche kraft des Sakraments betont, gemeinsam zu lesen. Religionspädagogisch bietet sich beispielsweise eine gemeinsame Tauferinnerung an, etwa in gottesdienstlicher Form.

4. Schluss, Ausblick, Desiderate

Ökumene darf heute als eine Selbstverständlichkeit gelten. Das ist nur zu begrüßen. Zumal mit Blick auf den Religionsunterricht stellen sich indes Fragen. In vielen Schulen wird dieser häufig nicht mehr konfessionell erteilt, sondern gemeinsam für alle Schülerinnen und Schüler einer Klasse. Hintergrund sind die demographische Entwicklung, die wachsende Zahl ungetaufter Kinder und damit verbundende schulorganisatorische Schwierigkeiten. Nun ist der Religionsunterricht in Deutschland als katholischer und als evangelischer konzipiert. Doch besteht die Möglichkeit des konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts. Entsprechende Vereinbarungen gibt es bereits, und überregionale Arbeitsgruppen haben sich des Themas angenommen. Im Sinne der Ökumenischen Bewegung bleibt theologisch zu klären, wie sich das konfessionelle Sonderbewusstsein mit der Einheit der Kirche vermitteln lässt. Es wäre dabei unredlich, Differenzen in Bezug auf Lehraussagen zu übergehen. Zu fragen ist aber, inwieweit diese eine fortwährende Spaltung begründen. Was den kirchlichen Bereich, namentlich die Firmvorbereitung und den Konfirmationsunterricht betrifft, ist zu wünschen, dass das Thema ‚Ökumenische Bewegungʻ einen festen Platz erhält. Soll die Ökumene mehr als eine bloße, allseits begrüßte Idee sein, sondern wirklich gelebt werden, ist es unbedingt erforderlich, sich mit ihr zu befassen.

Literaturverzeichnis

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  • Woppowa, Jan (Hg.), Perspektiven wechseln. Lernsequenzen für den konfessionell-kooperativen Religionsunterricht, Paderborn 2015.
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