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Katechismus/Katechismusunterricht

(erstellt: Februar 2016)

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1. Begriff und Bedeutung

Der Begriff Katechismus ist ein spätlateinisches Lehnwort, das auf den griechischen Begriff katechein (dt.: entgegenschallen/hineinschallen) zurückgeführt wird. Cyprian von Jerusalem bezeichnete 348 nach Christus seine 16 Predigten an Taufbewerber und -bewerberinnen, die das christliche Glaubensbekenntnis (griechisch symbolon, lateinisch credo) und das Vaterunser zum Thema haben, als „Katechismen“, 413 nach Christus betitelte Aurelius Augustinus die Unterweisung künftiger Christen als „Taufkatechismus“. Damit umfasst der Begriff des Katechismus in der Spätantike sowohl den Vorgang der Unterweisung und Unterrichtung von Menschen, die den christlichen Glauben annehmen wollen, als auch den Unterrichtsgegenstand, nämlich das Glaubensbekenntnis der Kirche und das Gebet des Herrn (vgl. Stubenrauch, 1996, 1312).

Dass eine solche Wortbildung der Kirchenväter aus dem griechischen Verbum katechein, lateinisch catechizare erfolgte, lässt sich mit der Vorstellung erklären, dass die Verkündigung des christlichen Glaubens nicht ohne das persönliche Zeugnis und Bekenntnis von Glaubenden, also nicht ohne deren „vernehmbare Stimme“ im Akt der Unterweisung vorstellbar war. Die heute mitunter reklamierte begriffliche Verwandtschaft von lateinisch personare (deutsch: durchtönen) und der personalen Bezeugung des Glaubens durch den Lehrenden (vgl. Tebartz-van Elst, 2001a, 861) ist unter Philologen allerdings umstritten.

Da mit der Etablierung der Säuglingstaufe im Kontext von augustinischer Erbsündenlehre und der Religionspolitik von Kaiser Theodosius (das Edikt Cunctos populos 380 nach Christus erhob das Christentum faktisch zur Staatsreligion im Römischen Reich) die Unterweisung der zu Taufenden entfiel und durch eine Verpflichtungserklärung der Taufpaten ersetzt wurde, verlor auch der Begriff an Bedeutung und wurde erst im Mittelalter wieder aufgegriffen. Hier nun bezeichnet Katechismus „die gesamte mündl. Unterweisung der Gläubigen in Katechese u. katechet. Predigt. Mit Beginn des 16. Jh. wird K. auch, u. bald ausschließlich, z. Titel des Buches für ein Grundwissen, das der Katechese in Kirche u. Elternhaus – später dazu in der Schule – als Leitfaden dient“ (Stubenrauch, 1996, 1313). Diese Bedeutung des Katechismus als ein textuelles „Kompendium des christl.-kirchl. Glaubens in einer curricularen Anordnung“ (vgl. Tebartz-van Elst, 2001a, 861), das für die Katechese (→ Katechese) und unter Umständen auch für den schulischen Religionsunterricht (→ Religionsunterricht, katholisch) verwendet werden kann, hat sich bis heute durchgetragen.

Aus religionspädagogischer Perspektive lassen sich verschiedene Katechismus-Gattungen unterscheiden: So wird zwischen dem Katechismus als Lehrbuch für den Katecheten und die Katechetin und dem Lernbuch für Katechumenen, die sich einem → religiösen Bildungsprozess unterziehen, und hier noch einmal zwischen Kinder-, Jugend- und Erwachsenenkatechismen differenziert. Neben dem katholischen Konversionskatechismus für Christen, die sich auf den Übertritt zur katholischen Kirche vorbereiten, und den Missionskatechismen, die in den verschiedenen christlichen Kirchen für die Unterweisung von Taufbewerberinnen und -bewerbern eingesetzt werden, ist auch zwischen Kontroverskatechismen mit apologetischer Absicht und das gemeinsam Christliche betonenden Ökumenischen Katechismen zu unterscheiden. In didaktischer Hinsicht ist die Differenzierung von Lehrstück- und Fragestück-Katechismen zu beachten: Katechismen erster Kategorie bieten die Glaubensinhalte in zusammenhängenden und darstellenden Textkapiteln dar, während letztere die theologischen Themen in Frage und Antwortform präsentieren (vgl. Bellinger, 1988a, 729).

2. Geschichtliche Entwicklung

2.1. Alte Kirche und Mittelalter

Bereits Cyprian legte seinen Katechesen für Taufbewerber das Credo und das Vaterunser zugrunde. Im frühen Mittelalter tritt mit der nun aufkommenden Beichtpraxis der Dekalog als Grundlage für die Gewissenserforschung hinzu, in der Scholastik ergänzt Thomas von Aquin noch die Sakramente als viertes Lehrstück. Diese vierteilige Struktur hat sich bis heute bewährt und findet weiterhin Verwendung, so zuletzt beim Katechismus der Katholischen Kirche (der sogenannte „KKK“, 1992) und dem daraus zusammengestellten sogenannten YouCat für Jugendliche (2011).

Wichtige mittelalterliche Katechismen sind u.a. der sogenannte Weißenburger Katechismus (nach 789), die Opuscula (1256) des Thomas von Aquin und das Opus tripartium von Johannes Gerson (um 1480). Mit der Neuzeit und der Reformation beginnt die Blütezeit des Katechismus. Den ersten Katechismus des 16. Jahrhunderts hat allerdings wohl nicht Martin Luther und auch nicht, wie lange angenommen, Andreas Althammer, sondern Diego Ortiz de Villégas verfasst. Der Portugiese war Bischof von Ceuta, das bis 1580 zum Königreich Portugal gehörte, und verfasste für seine Diözese 1504 den Cathecismo Pequeno da doctrina e instruiçque os xpaāos ham de creer e obrar (vgl. Stubenrauch, 1996, 1313).

2.2. Katechismen der Lutherischen und Reformierten Kirchen

Gattungsprägend und von größter Bedeutung für die Theologie-, Kirchen- wie Kulturgeschichte wurden dann aber die zwei Katechismen des deutschen Reformators Martin Luther (→ Reformation), die beide im Jahr 1529 erschienen: der Deutsche Katechismus im Januar, bald der Große Katechismus genannt, und der Kleine Katechismus im April des selben Jahres. Damit wird das Jahr 1529 zum „Brennpunkt in der Geschichte des christlichen Katechismus“ (Fraas, 1988, 715): Zwar waren bis zu diesem Jahr unter dem Einfluss Martin Luthers um die dreißig Katechismen im deutschsprachigen Raum erschienen (Fraas, 1988, 711), doch erst die beiden von ihm selbst verfassten Katechismen wurden, ebenso wie der im reformierten Kontext entstandene Heidelberger Katechismus (1563), zu Bekenntnisschriften der Lutherischen beziehungsweise Reformierten Kirchen. Der Heidelberger Katechismus führte dabei verschiedene Entwicklungslinien der reformatorischen Lehre zusammen, wie sie in den Katechismen von Ulrich Zwingli in Zürich (1523), von Martin Bucer (1534) in Straßburg, von Melanchthon in Bretten (1540), von Calvin in Genf (1541/42) und von Johann Laski (1553/54) in Emden entfaltet worden waren. Bedeutsam sind auch die drei Katechismen, die Johannes Brenz herausgab: Auch er veröffentlichte einen großen und einen kleinen Katechismus, sah sich dann aber durch Luthers beide Katechismen so beeindruckt, dass er 1535 unter dem Titel Fragstuck des Christenlichen Glaubens für die Jugend zu Schwebisch Hall einen weiteren umfangreichen Katechismus verfasste, der zur Grundlage der Württembergischen Kirchenverfassung wurde. Die verschiedenen Brenz‘schen Katechismen erfreuten sich bis ins 20. Jahrhundert großer Beliebtheit, wurden vielfach neu aufgelegt und in Mission und Unterweisung eingesetzt (vgl. Fraas, 1988, 715 und Surkau, 1959, 1183).

Auch unter Berücksichtigung dieser Vielzahl von reformatorischen Katechismen bleiben die beiden Katechismen Martin Luthers in ihrer gattungsgeschichtlichen Bedeutung solitär. Sie prägten Glaubens- und Kirchenlehre der lutherischen Reformationstradition grundlegend und lieferten wichtige Impulse für eine neue, auf das ursprüngliche Anliegen der Gattung abzielende Reform der mittelalterlichen Katechismen, indem sie die ursprüngliche pädagogische Intention des Mediums wiederaufnahmen. Dabei waren drei Motivationszusammenhänge für Luther bedeutsam: seine Predigttätigkeit, seine seelsorgerischen Bemühungen, vor allem mit Blick auf die Beichtpraxis, und die Sorge um die Kirchenzucht. Diesen drei Motiven entsprechen die drei urkirchlichen Lehrstoffe, nämlich das Vaterunser, der Dekalog und die Sakramente von Taufe und Abendmahl (sowie seit dem Mittelalter die Beichte), die zusammen mit dem Glaubensbekenntnis die fünf sogenannten Lehrstücke in Luthers Katechismen bildeten. Aus der Zusammenführung von systematischer Stoffentfaltung und didaktischer Stoffaufbereitung entstand die klassische Form des Frage-Antwort-Katechismus (vgl. Fraas, 1988, 711f.).

Im folgenden Jahrhundert der Konfessionalisierung veränderte sich die Funktion des Kleinen und Großen Katechismus: „Unter dem Eindruck des sich konstituierenden Konfessionschristentum gewannen Luthers K. (= Katechismen, C.P.S.) kirchenrechtliche Autorität, womit aber eine Verengung der katechetisch-seelsorgerlichen Entwicklung verbunden war“ (Fraas, 2001, 865). So entstanden schon mit Beginn des folgenden Jahrhunderts neben und zu den Bekenntnisschriften der Reformatoren ausführliche erklärende und auslegende Kommentare, sogenannte ‚exponierte‘ Katechismen, die weniger der katechetischen Praxis als vielmehr der Bewahrung der theologischen Bekenntnisse dienten: „Insgesamt bezeichnet der Sieg des exponierten Katechismus den Sieg des orthodoxen Systems. Seine kirchenpolitische Bedeutung schließt die Schmälerung der theologisch-didaktischen Offenheit mit ein. Der Höhepunkt des normativen Anspruchs markiert zugleich dessen Niedergang“ (Fraas, 1988, 718). Anliegen des Katechismus war nun nicht mehr die Glaubensweitergabe in Hauskirche oder Pfarrgemeinde, sondern die Interpretation der Bekenntnistexte. Diese Entwicklung setzte sich auch nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-48), nun unter dem Einfluss der sogenannten Reformorthodoxie, fort. Es brach „die Zeit der amtlichen exponierten Katechismen oder Landeskatechismen an, die den Grundsatz cuius regio, eius religio auf katechetischem Gebiet“ verwirklichten (Fraas, 1988, 718). Erst im → Pietismus gewann der Katechismus seine ursprüngliche Funktion zurück, indem er nun wieder zum Trost- und Erbauungsbuch für die Gläubigen wurde und nicht mehr als „Bekenntnisnorm“ (Fraas, 1988, 718) fungierte. Im Zuge der Aufklärung wuchs schließlich wieder ein Bewusstsein für die didaktisch-methodischen Notwendigkeiten von Katechismen: Die Maieutik, also die sokratische Frage-Antwort-Methode hielt Einzug und veränderte die Textform der Katechismen. Johann Friedrich Herbarts pädagogisches Prinzip der Formalstufenlehre ordnet den Katechismus nun dem Jugendalter, also der Konfirmandenarbeit zu: „Unter dem Einfluss der Methodendiskussion wird er für den Schulunterricht zur historischen Urkunde herabgestuft“ (Fraas, 1988, 720). Damit blieb der Katechismus von nun an ein Glaubensbuch für die Gemeinde, mit dem der Glaube der Kirche an die nachwachsende Generation weitergegeben und im Gottesdienst und in der Predigt vertieft werden sollte.

2.3. Katechismen der Römisch-katholischen Kirche

Die Spannung zwischen einem pädagogischen und einem normativen Verständnis des Katechismus ist wohl gattungsspezifisch, denn sie zeigt sich auch in der Entwicklung der Katechismen in der Römisch-katholischen Kirche: In der Reaktion auf die Reformation beschloss diese auf dem Konzil von Trient (1545-63) eine ganze Reihe von Maßnahmen und Reformen, zu denen auch die „umfassende Belehrung des Volkes, insbes. der Kinder“ (Schulz, 2001, 862) gehörte. Diese sollten sich nun überall und ohne Ausnahme am Sonntagnachmittag mit ihrem Pfarrer zur „Christenlehre“ treffen. Zusätzlich organisierten sich Christenlehre-Bruderschaften, die sich besonders engagiert der Hauskatechese widmeten. Als Manual für die verschiedenen Katechetengruppen veröffentlichte Papst Paul V. 1566 den sogenannten Großen Katechismus, der unter dem Namen Catechismus Romanus als erster Weltkatechismus der katholischen Kirche bekannt und 1567 auch in die deutsche Sprache übersetzt wurde. Neben diesem ersten Einheitskatechismus der Römisch-katholischen Kirche trug vor allem der Jesuit Petrus Canisius als wohl bedeutendste Gestalt der katholischen Erneuerung im Zeitalter der Konfessionalisierung mit seinen drei Katechismen Summa doctrinae christianae (1555), Catechismus minimus (1556) und Catechismus minor (1558) zur Konturierung einer katholischen Katechismus-Tradition bei. Auch die beiden Katechismen seines Ordensbruders Roberto Bellarmini Dottrina christiana breve (1597) und Dichiarazione piu coposia (1598) erlangten große Bedeutung in der Kirche, zumal ersterer, von Papst Clemens VIII. für die weltweite Mission vorgeschrieben, in 56 Sprachen übersetzt und über 400 Mal neu aufgelegt wurde (vgl. Bellinger, 1988a, 730). Mit der Einführung der Schulpflicht – in Preußen 1763, in Bayern schließlich 1802 – zog die Christenlehre aus dem Pfarrhaus in die öffentliche Schule um. Es begann die Zeit der Schulkatechismen, von denen der überwiegend in Norddeutschland verwendete Katechismus der christkatholischen Lehre (1804) von Bernhard Heinrich Overberg und der für den Erzbischof von München-Freising verfasste Große Katholische Katechismus (1853) des Jesuiten Joseph Deharbe zu erwähnen sind. Letzterer erfuhr in unzähligen Auflagen und Übersetzungen in 15 Sprachen eine weltweite Verbreitung und war bis zum II. Vatikanischen Konzil (1962-65) in Gebrauch. Die verschiedenen lokalen und diözesanen Katechismustraditionen wurden schließlich 1955 im Katholischen Katechismus der Bistümer Deutschlands zusammengeführt, der wegen seines Einbandes im Volksmund als Grüner Katechismus bezeichnet und vor allem im schulischen Religionsunterricht (→ Religionsunterricht, katholisch) verwendet wurde. Die von der Würzburger Synode (1972-75) beschlossene institutionelle Trennung von pfarrgemeindlicher Katechese und schulischem Religionsunterricht führte dann aber zur Entwicklung einer eigenständigen Schulbuchkultur (→ Religionsbuch, katholisch), die sich stärker an der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler orientieren wollte. Innovative religionspädagogisch reflektierte Katechismusmodelle, wie der von Gottfried Bitter u.a. herausgegebene Grundriß des Glaubens (1979) oder der zweibändige Katholische Erwachsenen-Katechismus (1985) der deutschen Bischofskonferenz, haben nur noch sehr begrenzte Verbreitung und Wirkung gefunden. Außerhalb des deutschen (und niederländischen) Sprachraums hat sich dagegen der oben bereits erwähnte, von Papst Johannes Paul II. initiierte und approbierte KKK durchgesetzt: Er versteht sich als die aktuelle Fassung eines verbindlichen Weltkatechismus, der „die Autorität eines authentischen Bezugstextes“ (Schulz, 2001, 862) für alle katholischen Katechismen und Unterrichtswerke beansprucht.

2.4. Katechismen in weiteren Konfessionen

Nicht nur in den Kirchen der Reformation und der Römisch-katholischen Kirche spielen Katechismen eine wichtige Rolle. So kennt die Kirche von England den sogenannten Church Catechism, der knapp zwanzig Jahre nach der Trennung der Anglikanischen Kirche von der Römisch-katholischen von Eduard VI. in Auftrag gegeben worden war und 1553 erschien. Im Jahre 1572 wurde dieser Katechismus revidiert und dem Common Book of Prayers, also dem Gebet-, Gesang- und Bekenntnisbuch der Kirche von England hinzugefügt. Er enthält 25 Fragen und entsprechende Antworten zu Glaubensbekenntnis, Vaterunser, Dekalog und Sakramenten.

Bei den Presbyterianern verhält es sich ähnlich wie in den lutherischen Kirchen: Sie kennen zwei zentrale Katechismen. Hier beschloss die kirchenkonstituierende Synode in Westminster (1643-1647) den sogenannten Westminster-Katechismus, der sich aus einem kleineren Buch mit dem Titel The Humble Advice concerning a shorter Catechism (1647) und einem größeren unter dem Titel Humble Advice concerning a larger Catechism (1647) zusammensetzte. Der kleinere Westminster-Katechismus enthält 107 fortlaufende Fragen und Antworten zum Dekalog, den Sakramenten und dem Vaterunser, während der große 196 Fragen und Antworten abhandelt und dabei in den ersten 90 Artikeln auch ausführlich das Glaubensbekenntnis erklärt.

Auch die Methodistischen Kirchen als dritte große Gruppe der vor allem im Commonwealth und den USA verbreiteten originär britischen Reformkirchen berufen sich auf einen gemeinsamen Katechismus als Bekenntnistext, nämlich den Standard Catechism of the Methodist Episcopal Church and the Methodist Episcopal Church, South, der 1905 in New York herausgegeben wurde und 128 Fragen und Antworten zur christlichen Religion, zum Dekalog, den Seligpreisungen, dem Vaterunser und zum Glaubensbekenntnis ausführt.

Im Bereich der orthodoxen Kirchen ist der bedeutendste Katechismus zweifellos die sogenannte Confessio Orthodoxa, die 1640 von Petrus Mogila verfasst, zwei Jahre später von Melitios Syrigoas ins Neugriechische übersetzt und 1643 von den russischen wie griechischen Patriarchen approbiert wurde. Zar Peter der Große ließ diesen Katechismus schließlich 1721 in die russische Kirchenordnung aufnehmen. Neben dieser Zentralschrift sind außerdem noch der Katechismus Pravoslavnoe Uchenie („Orthodoxe Lehre oder Abriss der christlichen Theologie“) des Moskauer Metropoliten Platon für den Thronfolger Paul Petrowitz aus dem Jahre 1765 und der für ganz Russland gültige Katechismus Prostannyi Christianskij Katchizis („Christlicher Katechismus der Orthodoxen Katholischen Östlichen Griechisch-Russischen Kirche“), das Hauptwerk eines anderen bedeutenden Moskauer Metropoliten, nämlich Wasilij Michailowitsch Philaret, aus dem Jahre 1823 zu erwähnen (vgl. zu 2.4. Bellinger, 1988b, 739f.).

3. Unterrichten mit dem Katechismus

Schon in der ursprünglichen Verwendung des Begriffes Katechismus bei den Kirchenvätern Cyprian und Augustinus zeigt sich die Problematik der Verwendung von Katechismen im Kontext religiöser Lern- und Bildungsprozesse. Ist für Cyprian der Katechismus eine Predigt an Menschen, die Christen werden wollen, und enthält dieser deshalb die zentralen Lehren des Evangeliums Jesu Christi, so meint der gleiche Begriff bei Augustinus den eigentlichen Vorgang der Unterweisung eben jener Taufbewerber. In dieser Spannung zwischen einem Medium, das die wesentlichen theologischen Aussagen und Inhalte der christlichen Glaubenslehre umfasst, und einer Methode → religiöser Bildung und → Erziehung, die Menschen auf das Christwerden vorbereiten soll, steht die Geschichte des Katechismusunterrichts somit von Anfang an. Daran hat auch die vielfältige Weiterentwicklung der Gattung Katechismus z.B. in Lehr- und Lernkatechismen oder Lehrstück- und Frage-Antwort-Katechismen nichts ändern können. Durch die Aufwertung der Katechismen im Zeitalter der Konfessionalisierung ist diese grundsätzliche Problemstellung noch wesentlich verschärft worden: Ob Luthers traditionsprägende Katechismen, der Heidelberger Katechismus oder der Catechismus Romanus der katholischen Kirche, die Verwendung dieses Mediums, das ursprünglich als didaktisches Instrument entwickelt worden war, trug als Bekenntnisschrift und Dokumentation einer kirchlichen Glaubenslehre entsprechend zu einer Steigerung von theologischem Umfang und sprachlicher Komplexität bei, die wiederum einem tatsächlich pädagogischen Einsatz entgegenstand. Ältere Generationen kennen noch das stumpfe Auswendiglernen von Fragen und Antworten, die in keiner Beziehung zu den eigenen Fragen und keinerlei Relevanz zum eigenen Leben standen, sei es im katholischen Religionsunterricht mit dem sogenannten Grünen Katechismus (→ Kerygmatischer Religionsunterricht) oder im Rahmen der → Evangelischen Unterweisung mit dem Kleinen Katechismus Luthers (vgl. Grünberg, 1988, 724). Besonders in der katholischen Kirche führte das Vollständigkeitsdenken des römischen Lehramtes zu teilweise absurden Konstellationen, so zuletzt beim sogenannten Weltkatechismus, der von Papst Johannes Paul II. 1993 herausgegeben worden ist: „Mit der Aussage des KKK (= Katechismus der katholischen Kirche, C.P.S.) das ‚Ganze‘ des katholischen Glaubensgutes organisch dargelegt zu haben, und seiner Weisung an die Autoren von Regional-K., dieses Glaubensgut sowohl unverkürzt als auch kontextuell in die Lebenswelt der Völker zu übertragen, ist eine unaufhebbare Spannung angezeigt“ (Schulz, 2001, 862). Diese aber soll einfach ignoriert werden, weshalb noch Papst Benedikt XVI. regelmäßig die deutschen Bischöfe aufforderte, „die Curricula für den Religionsunterricht […] am Katechismus der Katholischen Kirche auszurichten, […] damit im Laufe der Schulzeit das Ganze des Glaubens und der Lebensvollzüge der Kirche vermittelt wird“ (Sekretariat der deutschen Bischofskonferenz, 2006). Dies sei auch „ein entscheidender Gesichtspunkt bei der Genehmigung von Lehrbüchern für den Religionsunterricht“ (Sekretariat der deutschen Bischofskonferenz, 2006).

Dass Papst Benedikt XVI. und im Folgenden verschiedene deutsche Bischöfe mit administrativer Gewalt versucht haben, auf die didaktische Form und Gestalt der → Schulbücher für den katholischen Religionsunterricht Einfluss zu nehmen, ist ein deutlicher Beleg für die tatsächliche Bedeutungslosigkeit des Katechismus im Rahmen des schulischen Religionsunterrichts, aber auch am Lernort → Gemeinde in → Erstkommunion- und Formkatechese (→ Katechese/Katechetik). Hier wird nun schon seit über vierzig Jahren nicht mehr der Katechismusunterricht als „eine Belehrung und Unterweisung, sondern mehr die Eröffnung eines Erfahrungsfeldes im Glauben“ (Tebartz-van Elst, 2001, 867) als Modus religiöser Bildung (→ Bildung, religiöse) praktiziert und weiterentwickelt – in der Regel ohne Verwendung des KKK oder des sogenannten Youcat. Bezeichnenderweise enthält das kürzlich erschienene Handbuch der Katechese über 40 Artikel zu unterschiedlichsten Themen, davon aber keinen einzigen zum Stichwort Katechismus bzw. Katechismusunterricht (vgl. Kaupp/Leimgruber/Scheidler, 2011). Dass es sich im Bereich der → Konfirmandenarbeit in den evangelischen Kirchen nicht anders verhält, zeigt die vor wenigen Jahren erstmals durchgeführte Konfirmanden-Studie der evangelischen Kirche in Deutschland (vgl. Schweitzer, 2010). In diesem Sinne ist der klassische Unterricht mit Hilfe eines Katechismus in Schule oder Gemeinde ohne Frage schon lange in einer Krise.

Literaturverzeichnis

  • Bellinger, Gerhard J., Art. Katechismus/II. Römisch-Katholische Kirche, in: Theologische Realenzyklopädie XVII (1988a), 729-736.
  • Bellinger, Gerhard J., Art. Katechismus/IV. Konfessionskundlich/Ökumenisch, in: Theologische Realenzyklopädie XVII (1988b), 738-744.
  • Fraas, Hans-Jürgen, Art. Katechismus/IV. Evangelische Kirchen, in: Religion in Geschichte und Gegenwart 4. Aufl., IV (2001), 864-866.
  • Fraas, Hans-Jürgen, Art. Katechismus/I. Protestantische Kirchen/1. Historisch (bis 1945), in: Theologische Realenzyklopädie XVII (1988), 710-722.
  • Grünberg, Wolfgang, Art. Katechismus/I. Protestantische Kirchen/2. Gegenwart, in: Theologische Realenzyklopädie XVII (1988), 723-728.
  • Kaupp, Angela/Leimgruber, Stephan/Scheidler, Monika (Hg.), Handbuch der Katechese. Für Studium und Praxis, Freiburg i. Br./Basel/Wien 2011.
  • Schulz, Ehrenfried, Art. Katechismus/2. Katholische Katechismen, in: Religion in Geschichte und Gegenwart 4. Aufl., IV (2001), 861-862.
  • Schweitzer, Friedrich, Die Bundesweite Studie zur Konfirmandenarbeit. Zentrale Befunde und Konsequenzen für Kirche und Schule/schulischen Religionsunterricht, in: Theo-Web. Zeitschrift für Religionspädagogik 9 (2010) 2, 42-57.
  • Sekretariat der deutschen Bischofskonferenz, Presseerklärung zum Ad Limina-Besuch der deutschen Bischöfe in Rom vom 10.11.2006 – Nr. 94.
  • Stubenrauch, Bertram, Katechismus I-IV, in: Lexikon für Theologie und Kirche 3. Aufl., V (1996), 1311-1316.
  • Surkau, Hans-Werner, Katechismus/II. Geschichtlich, in: Die Religion in Geschichte und Gegenwart 3. Aufl., III (1959), 1179-1186.
  • Tebartz-van Elst, Franz-Peter, Art. Katechismus/1. Zum Begriff, in: Religion in Geschichte und Gegenwart 4. Aufl., IV (2001a), 861.
  • Tebartz-van Elst, Franz-Peter, Art. Katechismus/5. Katechismus-Unterricht, in: Religion in Geschichte und Gegenwart 4. Aufl., IV (2001b), 866-867.

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