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(erstellt: März 2020)

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Meißel fanden im antiken Israel sicher vielfach Verwendung, literarisch hat sich dies im Alten Testament jedoch kaum niedergeschlagen.

1. Archäologische Belege

Meißel 01
Meißel werden immer in Verbindung mit einem → Hammer verwendet und dienen der Bearbeitung vor allem von Stein und Holz. Im antiken Ägypten ist die Verwendung von Meißeln auf Darstellungen gut belegt. In Palästina wurden Meißel auf Grabungen gefunden (vgl. z.B. Macalister, 244f). Außerdem zeugen Bearbeitungsspuren an Steinen und Felswänden, z.B. Glättungen, Muster und Inschriften, vom Gebrauch des Meißels.

Meißel 02
Meißel aus Feuerstein sind relativ einfach herzustellen und dürften auch nach dem Aufkommen von Metallmeißeln noch verbreitet gewesen sein. Metallmeißel bestanden im 4. Jahrtausend aus Kupfer und ab dem 3. Jahrtausend aus Bronze. Meißel aus Eisen gab es erst in der Eisenzeit (→ Eisenzeit II). Sie ermöglichten, da sie deutlich härter waren als Meißel aus Bronze, umfangreichere Steinarbeiten, z.B. in → Assyrien eine Fülle von Reliefs und Skulpturen. Da mit Meißeln sowohl sehr grobe als auch sehr feine Arbeiten ausgeführt wurden, unterschieden sie sich in ihrer Größe (10-30 cm lang, ca. 1 cm dick), vor allem aber in ihrer Spitze. Bei ihr konnte es sich um eine Nagelspitze oder um eine scharfe, 1-5 cm breite, glatte Kante handeln. Gezahnte Kanten kamen erst im 6. Jh. in Griechenland auf (vgl. Ratté, 32f.). Das andere Ende eines Meißels bildete die Schlagfläche für den Hammer. Es war stumpf, konnte aber auch eine Vertiefung oder seit hellenistischer Zeit eine Tülle (Abb. 6) für einen Holzstiel aufweisen, der den Schaft verlängerte und dessen Ende dann die Schlagfläche bildete.

2. Erwähnungen im Alten Testament

Meißel 03
Die deutschen Bibelübersetzungen geben unterschiedliche hebräische Begriffe mit „Meißel“ wieder, doch ist die Übersetzung an allen Stellen umstritten.

2.1. In Ex 20,25 verbietet das Altargesetz, beim Bau eines Altars behauene Steine zu verwenden, da Steine, über denen man „das Schwert“ (חֶרֶב ḥæræv) geschwungen hat, unrein seien. „Schwert“ kann hier bildlich für einen Meißel stehen (z.B. Gesenius 18. Aufl., 392; Zürcher Bibel), aber auch für eine Steinhacke. Das Verb „schwingen“ (נוף nūp) passt besser zu einer Hacke (vgl. z.B. Dtn 23,26), da ein Meißel bei der Arbeit kaum bewegt wird. Allerdings kann „schwingen“ mit dem Nomen „Schwert“ zur Bildebene gehören, so dass die Bedeutung „Meißel“ nicht auszuschließen ist.

Meißel 04

2.2. Nach 1Kön 6,7 wurden die Steine zum Bau des Jerusalemer Tempels im Steinbruch zugeschlagen, so dass auf dem heiligen Tempelplatz kein Lärm von → Hammer und גַּרְזֶן garzæn zu hören war. גַּרְזֶן garzæn wird zuweilen mit „Meißel“ übersetzt (Zürcher Bibel; Einheitsübersetzung). Eher ist jedoch eine Axt bzw. → Hacke gemeint, da man mit diesem Werkzeug auch Bäume fällt (Dtn 19,5; Dtn 20,19). Zudem wurde dieses Werkzeug nach der Siloah-Inschrift beim Bau des Siloah-Kanals verwendet (KAI 189,2.4; HTAT, Nr. 180). Da die Schlagspuren an den Wänden dieses Kanals noch heute Bögen erkennen lassen, wie sie bei der schwungvollen Arbeit mir Hacken entstehen, dürfte der Begriff auch in der Inschrift nicht Meißel, sondern Hacken bezeichnen.

Meißel 05

2.3. Jes 22,16 spricht von dem Regierungsbeamten → Schebna, der sich ein Grab in den Felsen meißeln ließ (Gesenius, 18. Aufl.; Zürcher Bibel; Einheitsübersetzung). Das Verb חקק ḥqq hat jedoch ein sehr breites Bedeutungsspektrum: „einritzen / aushauen“. Es mag sich zwar auf die Arbeit mit einem Meißel beziehen können, genauso gut aber auf die mit einer Spitzhacke.

Meißel 06
2.4. In Ex 32,4 wird חֶרֶט ḥæræṭ zuweilen mit „Meißel“ übersetzt. Der Begriff kommt nämlich von der auch in einer punischen Inschrift (KAI 81,2) belegten Wurzel חרט ḥrṭ, die im Mittelhebräischen „ausmeißeln“ bedeutet. Im Alten Testament ist nur das Nomen belegt, und zwar an zwei Stellen. In Jes 8,1 bezeichnet es den Griffel, mit dem → Jesaja → „Raubebald-Eilebeute“ auf eine Tafel schreiben soll. Dabei kann mit dem Griffel angesichts damaliger Schreibpraxis durchaus ein einem Meißel ähnliches Ritzinstrument gemeint sein. Ex 32,4 erzählt, dass → Aaron zum Bau des → Goldenen Kalbs den Goldschmuck der Israeliten erhielt und ihn בַּחֶרֶט baḥæræṭ formte (צור ṣwr3) oder zusammenschnürte (צור ṣwr1). Der Text ist schwer verständlich und so stehen zu seiner Deutung verschiedene Thesen zur Diskussion (vgl. Hahn, 148-157). a) Aaron zeichnete / ritzte „mit einem Griffel“ einen Entwurf (vgl. LXX γραφίς graphis; Lutherbibel 1545/1912). Doch bedeutet das Verb צור ṣwr kaum „zeichnen / ritzen“. b) Aaron formte das Bild „mit einem Meißel“ (so z.B. Zürcher Bibel 2007), sei es dass er den Holzkern geschnitzt oder in einem letzten Arbeitsschritt eine feine Ziselierung am Goldüberzug vorgenommen haben soll. c) Bei einer Änderung der masoretischen Vokalisierung zu בְּחָרִט bəḥāriṭ ergibt sich, dass Aaron das Bild „in einem Behälter“ formte, d.h. „in einer Form“ bildete (Lutherbibel 1984; vgl. Lutherbibel 2017: er „formte“ es). Es ist jedoch fraglich, ob חָרִט ḥāriṭ eine Gussform meinen kann. d) Der Begriff bezeichnet sonst einen Beutel. Aaron hat das Gold demnach „in einem Beutel“ gesammelt (vgl. 2Kön 5,23; Noth 1959, 419-422; 1984, 198). Unklar bleibt jedoch, warum er dies gemacht bzw. der Erzähler dies erwähnt haben soll.

2.5. Das Verb פסל psl, von dem das Nomen פֶּסֶל pæsæl „Kultbild“ (→ Bilderverbot) kommt, bezeichnet, wie Ex 34,1.4; Dtn 10,1.3; 1Kön 5,31f zeigen, das Bearbeiten von Steinen. In Ex 34,1.4 und Dtn 10,1.3 bedeutet פסל psl speziell „meißeln“, da das Beschriften von Steintafeln mit den Zehn Geboten (→ Dekalog) nur mit einem Meißel ausgeführt werden kann. In 1Kön 5,31f kann das Verb jedoch auch das Sägen von Steinen meinen (→ Säge).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie, Berlin 1928-2018
  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979 (Handwerkszeug)
  • Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992
  • Biblisches Reallexikon, 2. Aufl., Tübingen 1977 (Holzbearbeitung)

2. Weitere Literatur

  • Gevirtz, S., חֶרֶט in the Manufacture of the Golden Calf, Bibl. 65 (1984), 377-381
  • Hahn, J., Das „Goldene Kalb“. Die Jahwe-Verehrung bei Stierbildern in der Geschichte Israels (EH XXIII/154), Bern u.a. 2. Aufl. 1987
  • Macalister, R.A.S., The Excavation of Gezer 1902-1905 and 1907-1909, Bd. 2, London 1912
  • Moorey, P.R.S., Ancient Mesopotamian Materials and Industries. The Archaeological Evidence, Winona Lake 1999
  • Nicholson, P.T. / Shaw, I. (Hgg.), Ancient Egyptian Materials and Technology, Cambridge 2000
  • Noth, M., Zur Anfertigung des „Goldenen Kalbes“, VT 9 (1959), 419-422
  • Noth, M., Das 2. Buch Mose – Exodus (ATD 5) Göttingen 7. Aufl. 1984
  • Propp, W.H.C., Exodus 19-40 (The Anchor Bible), New York u.a. 2006
  • Ratté, C., Art. Meißel. A. Für Steinbearbeitung, in: Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie, Bd. 8, Berlin 1997, 32-33

Abbildungsverzeichnis

  • Ägyptische Arbeiter bearbeiten Quadersteine mit Meißel und Holzhammer (Grab des Rechmire, el-Qurna, Ägypten; Neues Reich, 15. Jh. v. Chr.). Aus: Wikimedia Commons; lizenziert unter Creative-Commons-Lizenz CC0 1.0 Verzicht auf das Copyright; Zugriff 27.2.2020
  • Meißel aus Bronze (Theben; Neues Reich). Mit Dank an © The Trustees of the British Museum; EA 15740 lizenziert unter Creative Commons-Lizenz, Attribution-Share Alike 4.0 International; Zugriff 28.2.2020
  • Vier Seiten eines Meißels aus Eisen (Tell Defenneh, Ägypten; 26. Dynastie, 7.-6. Jh. v. Chr.). Mit Dank an © The Trustees of the British Museum; EA 23954 lizenziert unter Creative Commons-Lizenz, Attribution-Share Alike 4.0 International; Zugriff 28.2.2020
  • Feine Meißel aus Bronze (Nr. 5-15) und Eisen (Nr. 16-17; Megiddo, Bronze- und Eisenzeit). Aus: R.S. Lamon / G.M. Shipton, Megiddo I. Seasons of 1925-34, Strata I-V (OIP 42), Chicago 1939, Pl. 83
  • Meißel aus Bronze (Megiddo, Mittlere oder Späte Bronzezeit). Aus: P.L.O. Guy, Megiddo Tombs (OIP 33), Chicago 1938, Pl. 127, 7
  • Meißel aus Eisen (Geser, hellenistische Zeit). Aus: R.A.S. Macalister, The Excavation of Gezer 1902-1905 and 1907-1909, Bd. 2, London 1912, 245 Fig. 396

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