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(erstellt: Dezember 2010)

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1. Name

Tiberius Claudius Caesar Augustus Germanicus (1. August 10 v. Chr. – 13. Oktober 54 n. Chr.) war der vierte römische Kaiser der julisch-claudischen Dynastie. Er regierte vom 24. Januar 41 n. Chr. bis zu seinem Tod im Jahr 54. Im Neuen Testament begegnet er in Apg 11,28; Apg 18,2.

2. Herkunft und Jugend

Claudius wurde am 1. August 10 v. Chr. als Tiberius Claudius Drusus in Lugdunum (Lyon) geboren. Seine Eltern waren Drusus und Antonia Minor. Claudius hatte zwei ältere Geschwister, Germanicus und Livilla. Seine Großeltern mütterlicherseits waren Marcus Antonius und Octavia Minor, die Schwester des Kaisers → Augustus. Seine Großeltern väterlicherseits waren Augustus’ dritte Ehefrau, Livia Drusilla, und Tiberius Claudius Nero.

Nicht zuletzt aufgrund seines von Geburt an schlechten Gesundheitszustandes, aber auch aufgrund seiner Abstammung von Marcus Antonius und seiner als unsicher eingeschätzten politisch-dynastischen Zuverlässigkeit verweigerte seine Familie ihm zunächst eine politische Karriere. Zwar verlieh ihm der Nachfolger des Augustus, → Tiberius Iulius Caesar Augustus, 14 n. Chr. die ornamenta consularia (konsularische Ehrungen), vereitelte jedoch einen Senatsbeschluss, der Claudius das Recht gewähren sollte, sein Votum unter den Consularen abzugeben. Da Tiberius ihm ebenso wie Augustus kein öffentliches Amt zugestand, gab Claudius die Hoffnung auf eine öffentliche Tätigkeit auf und verbrachte die übrige Regierungszeit auf seinen Landgütern bei Rom oder in Campanien. Erst nach dem Tod des Tiberius bestimmte ihn dessen Nachfolger Gaius Caesar Augustus Germanicus (Caligula) 37 n. Chr. zu seinem Mitkonsul, um damit an seinen verstorbenen Vater Germanicus zu erinnern.

3. Die Regentschaft

3.1. Thronbesteigung

Am 24. Januar 41 wurde → Caligula im Rahmen einer umfassenden, seine gesamte Familie betreffenden Verschwörung umgebracht. Der Überlieferung zufolge wurde der fliehende Claudius von Teilen der Prätorianergarde in Schutzhaft genommen und zum neuen Kaiser ausgerufen – ein für den neuen Kaiser offensichtlich wichtiges Ereignis, an das er später in seiner Münzprägung erinnerte. Der Senat bestätigte die Regentschaft des Claudius schließlich am 25. Januar. Claudius erhielt mit der tribunicia potestas und dem imperium proconsulare unmittelbar nach Herrschaftsantritt die üblichen Rechte des Princeps. Da es für Claudius wichtig war, sich dynastisch zu legitimieren, stellte er sich von Anfang an bewusst in die Nachfolge des Augustus.

3.2. Verhältnis zum Senat

Nicht zuletzt aufgrund seiner Akklamation zum Kaiser durch Teile der Prätorianergarde, die der Senat als Eingriff in seine Entscheidungskompetenz betrachten musste, blieb das Verhältnis des Claudius zu diesem zeitlebens gespannt (vgl. die Apocolocyntosis Senecas), wiewohl der Kaiser die Spannungen abzubauen suchte, indem er etwa den Senat demonstrativ an Entscheidungen beteiligte, zahlreiche Senatoren mit den ornamenta triumphalia auszeichnete und eine große Zahl von Suffektkonsuln (nachgewählte Konsuln) ernannte. Der Senat durfte außerdem erstmalig seit Augustus wieder eigene Bronzeprägungen emittieren lassen. Trotz dieser Maßnahmen blieben die Spannungen allerdings weitgehend bestehen, so dass Claudius u.a. die Zahl der Senatoren reduzierte und den Senat aus seiner Machtposition drängte, indem er die Macht zunehmend zentralisierte und eine gut organisierte Reichsverwaltung auf der Basis von Prokuratoren förderte. Zahlreiche Verschwörungen gegen den Kaiser aus den Reihen des Senats belasteten das Verhältnis zwischen diesem und Claudius immer wieder, bis es jenem mit der Übernahme des Amtes des censor (das ihm gestattete, Senatoren aus dem Senat zu entfernen) schließlich gelang, seine Position gegenüber dem Senat zu festigen.

3.3. Bautätigkeit

Claudius stieß sowohl in der Hauptstadt als auch in den Provinzen eine intensive öffentliche Bautätigkeit an, um die Versorgung der Bevölkerung mit den zum Leben notwendigen Gütern zu sichern und zu verbessern. Dabei widmete er dem Ausbau der Wasserversorgung und der Verbesserung des Verkehrswegenetzes besondere Aufmerksamkeit.

3.4. Religionspolitik und Claudius-Edikt

In seiner Religionspolitik orientierte Claudius sich an Augustus. Ähnlich letzterem lehnte er es häufig ab, als Gott verehrt zu werden; so beschied er etwa die kurz nach seiner Thronbesteigung an ihn ergangene Anfrage der alexandrinischen Griechen, seiner Person einen Tempel zu widmen, negativ, und begründete dies damit, dass nur Götter neue Götter auswählen könnten (P. Lond. 1912). Damit rückte er von der Selbstvergötterung seines Vorgängers Caligula ab, die in → Alexandria zu massiven Konflikten zwischen Juden und Griechen geführt hatte. Allerdings ließ Claudius an anderer Stelle, sich auch hierin an seinen Vorgängern Augustus und Tiberius orientierend, durchaus auch Ausnahmen zu.

Auch bei der Förderung von Kulten sah er Augustus als sein Vorbild an und teilte dementsprechend dessen Vorliebe für Altrömisches. So versuchte er etwa, die Ausbreitung orientalischer Mysterienreligionen innerhalb der Stadt Rom zu beschränken und diese durch römische Kulte zu ersetzen. Seine konservative Religionspolitik zeigte sich auch an der Vertreibung fremder Astrologen, wobei er als Ersatz in Gestalt der Haruspices alte römische Wahrsager rehabilitierte. Besonders energisch ging er mit einem Verbot gegen das Druidentum vor.

In den entsprechenden Quellen finden sich unterschiedliche Aussagen zu Maßnahmen des Claudius gegenüber den in Rom lebenden Juden. Ohne hier eine konkrete Begründung zu nennen, berichtet Cassius Dio, dass der Kaiser – anders als noch sein Vorgänger Tiberius (14–37 n. Chr.) – die Juden aufgrund ihrer großen Anzahl nicht aus Rom ausweisen konnte und deshalb nur ihre Versammlung verboten habe (LX 6,6). Dieses Versammlungsverbot dürfte in das Jahr 41 n. Chr. zu datieren sein

Auf eine von diesem Versammlungsverbot zu unterscheidende antijüdische Maßnahme des Claudius kommt Suetonius zu sprechen; er schildert, dass der Kaiser ein entsprechendes Edikt erlassen und die Juden aus Rom vertrieben habe, weil sie durch einen gewissen Chrestos zur Unruhe angestiftet worden seien (Claudius 25,4: Iudaeos impulsore Chresto assidue tumultuantes Roma expulit), ein Edikt, das der Kirchenhistoriker Orosius (5. Jh. n. Chr.) in seiner historia adversum paganos (VII 6,15) in das neunte Jahr der Regierungszeit des Claudius, d.h. in das Jahr 49 n. Chr. datiert.

Diesem Edikt des Claudius kommt im Rahmen der Diskussion der absoluten Chronologie des paulinischen Wirkens große Bedeutung zu. Nach Apg 18,2 trifft → Paulus nämlich in → Korinth mit Aquila und Prisca zusammen, einem Ehepaar, das Lukas zufolge erst kürzlich aus Italien nach Korinth gekommen sei, eben weil der Kaiser Claudius allen Juden geboten habe, Rom zu verlassen. Dieser Hinweis untermauert die mit Hilfe der Gallio-Inschrift gewonnene Datierung des Aufenthaltes des Paulus in Korinth in die Zeit zwischen dem Frühjahr 50 n. Chr. und dem Herbst 51 n. Chr. (vgl. Apg 18,12-17).

Die in Alexandria entbrannten Konflikte zwischen Juden und Griechen versuchte Claudius zu befrieden, indem er einerseits der jüdischen Bevölkerung das alexandrinische Bürgerrecht verweigerte, sie andererseits jedoch vor den Übergriffen der Alexandriner schützte und zum gegenseitigen Gewaltverzicht aufrief. Er bestätigte die überkommenden Privilegien für die alexandrinische Judenschaft (Josephus, Antiquitates Iudaicae XIX 279ff.) und verfügte darüber hinaus, dass eben diese Privilegien, Rechte und Freiheiten sämtlichen im Imperium Romanum lebenden Juden in gleicher Weise zukommen sollten (Antiquitates Iudaicae XIX 287ff.).

3.5. Expansion und Provinzialpolitik

Schon zu Beginn der Herrschaft des Claudius wurde das römische Reich erstmals seit der Regentschaft des Augustus wieder ausgedehnt. Thrakien, Mauretanien, Noricum, Pamphylien und Lykien wurden in das römische Reich eingegliedert und gelangten unter kaiserliche Verwaltung. Als bedeutendste Expansion des römischen Reiches zu dieser Zeit hat jedoch die 43 n. Chr. vorläufig abgeschlossene Eroberung Britanniens zu gelten. In Judäa setzte Claudius 41 n. Chr. → Herodes Agrippa I. zum König ein; nach dessen Tod im Jahr 44 n. Chr. wurde das Land aber wieder einem römischen Prokurator unterstellt. Für die militärischen Erfolge während seiner Regierungszeit nahm der unsoldatische Claudius insgesamt 27 Imperatorenakklamationen an.

3.6. Freigelassene

Claudius war der erste Kaiser, der eine eigene Verwaltung organisierte. Obwohl er keine gesetzlichen oder formalen Innovationen einführte, wurde der Kaiserhof erstmals in der Praxis das exekutive Zentrum der Verwaltung. Die persönlichen Angelegenheiten vertraute der Kaiser weder den Senatoren noch den Rittern an, sondern den Freigelassenen, die Staatsbeamte geworden waren. Dadurch konnte Claudius seine Unabhängigkeit von beiden Gruppierungen, dem Senat und der Ritterschaft, absichern und seine Macht in den Provinzen ausweiten. Das imperiale Sekretariat wurde in Büros eingeteilt, die unter der Führung von freigelassenen Staatsbeamten standen.

3.7. Gelehrtentätigkeit

Claudius war die meiste Zeit seines Lebens schriftstellerisch tätig. Neben einer Geschichte über die Herrschaft des Augustus gelten eine Geschichte der Etrusker, acht Bücher über die Geschichte Karthagos sowie ein etruskisches Wörterbuch und eine achtbändige Autobiographie als seine Hauptarbeiten. Obwohl er die Behandlung der Kaiserzeit generell vermied, verfasste er eine Verteidigungsschrift für Cicero bezüglich der Strafen gegen Asinius Gallus. Keines dieser Werke ist erhalten geblieben. Der Verlust der Erkenntnisse, die die Werke des Claudius enthalten haben müssen, zählt zu den schwersten Verlusten in der antiken Geschichtsschreibung. Die Autobiographie des Claudius wird von Suetonius einmal zitiert und er dürfte sie oftmals als Quelle herangezogen haben. Plinius der Ältere, der ihn des Öfteren zitiert, reihte ihn unter die bedeutendsten gelehrten Schriftsteller seiner Zeit ein.

4. Tod

Claudius starb in den frühen Stunden des 13. Oktobers 54 unter bis heute ungeklärten Umständen. Während zahlreiche antike Historiker von einem von seiner Frau Agrippina zu verantwortenden Giftanschlag ausgehen, rechnen moderne Historiker eher mit einem natürlichen Tod. Der Überlieferung zufolge soll Claudius aufgrund der Vergiftung auch Durchfallsymptome gehabt haben. In seiner Apocolocyntosis („Verkürbissung“), einer 54 n. Chr. auf Claudius verfassten Satire, lässt Seneca den Kaiser unmittelbar vor seinem Tode ausrufen: vae me, puto, concacavi me! („Oh weh, ich glaube, ich habe mich beschissen!“; Seneca, Apocolocyntosis 4,3).

Claudius’ vollständige Titulatur zum Zeitpunkt seines Todes war Tiberius Claudius Caesar Augustus Germanicus, pontifex maximus, tribuniciae potestatis XIV, consul V, imperator XXVII, pater patriae. Claudius’ Asche wurde am 24. Oktober im Augustusmausoleum beigesetzt; die von Seneca verfasste Leichenrede hielt → Nero, der als dessen Nachfolger gemeinsam mit dem Senat zugleich auch die Konsekration des Claudius als Divus („Vergöttlichter“) vollzog (Suetonius, Nero 9).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

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2. Quellen

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