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(erstellt: September 2011)

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1.Textüberlieferung und Bezeugung

1.1 Überlieferung

Die anonyme, seit Klemens von Alexandria als Barnabasbrief (Barn) bezeugte Schrift ist mit ihren 21 Kap. vollständig nur im Cod. Sinaiticus (א, 4. Jh.) und im Cod. Hierosolymitanus 54 (H, 11. Jh.) (→ Codices) in griechischer Sprache überliefert. Ein syrisches Fragment (Syr) von Barn 19,1f.8; 20,1 aus dem 5./6. Jh. steht diesen Schriften nahe. Weitere Textzeugen sind nur fragmentarisch erhalten: Die lateinische Übersetzung (L) von Barn 1-17 geht auf das 2./3. Jh. zurück; ihr, bzw. ihrem hypothetischen Archetypen Λ steht der Papyrus PSI 757 (3./5. Jh.) mit Barn 9,1–6 nahe. Im Cod. Vaticanus graecus 859 (v, 11. Jh.) ist Barn 5,7–21,9 ohne Übergang an Polykarp, ep. 1,1–9,2 (→ Polykarpbrief) angefügt. Mit neun Deszendenten (15./16. Jh.) bildet diese Handschrift den Zeugen G; eine armenische Übersetzung der Hs. v im 12. Jh. ist nachgewiesen, aber verschollen. Da die vier Hauptzeugen (א, H, G, L) oft differieren und dennoch ihr textkritischer Wert vergleichbar ist, die Genese der Textzeugen erst ansatzweise geklärt, die indirekte Überlieferung (vgl. I.b) spärlich und die Zeugnisse in ihrem textkritischen Wert strittig sind, sind unterschiedliche Editionsregeln möglich, die zu divergenten kritischen Ausgaben führen. Mit gutem Recht vertrauen daher einige Herausgeber einem der vier Hauptzeugen (א, H, G, L) oder folgen von Fall zu Fall nur einem der vier Textzeugen.

1.2 Bezeugung

Die Bezeugung des Barn setzt in der zweiten Hälfte des 2. Jh.s ein. Wahrscheinlich haben bereits → Justin der Märtyrer, der Valentinianer Marcus, → Irenäus von Lyon und → Tertullian den Barn gekannt, vielleicht war die Schrift auch Kelsos bekannt (→ Origenes, Cels. I,63). Sein hohes Ansehen in der Alten Kirche bezeugen Origenes (Kath. Brief), der Cod. Sinaiticus (א) sowie Klemens von Alexandria (Apostelbrief), der älteste der vier sicheren patristischen Zeugen. Er zitiert wiederholt aus dem Schriftstück und notiert mehrfach, dass ihm der „Brief des Barnabas“ (str. II 20,116,3) als Quelle vorliegt. Durch Klemens von Alexandria ist sicher, dass die Schrift als „Brief des Barnabas“ bekannt war und ihr im Übergang zum 3. Jh. die Argumentationskraft und Würde eines „apostolischen Schreibens“ zugebilligt wurde. An der Wende zum 4. Jh. rückte der Barn an den Rand des neutestamentlichen Kanons. Abgesehen von der bald in Vergessenheit geratenen lat. Übersetzung (L) lassen sich keine Spuren des Barn in der Westkirche finden. Erst seit Auffindung der lat. Übersetzung und einer Hs. des Zeugen G im 17. Jh. stand der Text der lateinischen Kirche (wieder) zur Verfügung.

2.Entstehungsverhältnisse

2.1 Abfassungszeit

Für eine präzisere Datierung des Textes kamen wiederholt Barn 4,3–5 und 16,3f. in die Diskussion. Jedoch ist von Barn 4,3–5 wegen des Traditionscharakters, der apokalyptischen Prägung (→ Apokalypse) sowie der theologischen Absicht der Eintragung des ὑφ᾿ ἕν (hyph’ hen) in 4,4f. keine zuverlässige Auskunft zu erwarten. Dem Gesamtbild des Barn zufolge kann sich auch Barn 16,3f. nur auf die Zeit zwischen dem Ausbruch des Bar Kochba Aufstandes und dem von Cassius Dio 69,12,1f. berichteten Bauauftrag Hadrians zur Neugründung von → Jerusalem als Aelia Capitolina und dem Bau eines Jupitertempels zu beziehen. Barn 16,3f. setzt somit die Zerstörung des herodianischen → Tempels voraus; terminus post quem ist daher das Jahr 70. Wegen der Bezeugung des Barn in Werken des Klemens von Alexandria, die er noch in der Metropole im Nildelta verfasste, muss der Barn vor 190, sicher aber vor 202 abgefasst sein. Diese Hinweise machen die Abfassung des Barn in den Jahren zwischen 130 und 132 wahrscheinlich. Dieser zeitliche Ansatz wird von zwei inneren Gründen gestützt: Zum einen durch die Distanz, mit der Barn 5,8 über ‚die Apostel‘ spricht, wodurch der Eindruck erweckt wird, dass die Zeit der → Apostel bereits eine zurückliegende Epoche ist, zum anderen, dass zur Legitimierung eines autoritativen Anspruchs einer Schrift deren epistulare Rahmung nicht nur nach wie vor Sitte ist, sondern offenkundig die obligate sowie wirksame Strategie.

2.2 Entstehungs- und Bestimmungsort

Der Barn nennt weder seinen Entstehungs- noch einen Bestimmungsort. Es gibt jedoch einige Gründe, die zu der berechtigten Annahme führen, → Alexandria als Abfassungsort auszumachen. Dafür spricht unter anderem die ausschließliche Benutzung griech. Bibelübersetzungen und theologischer sowie exegetischer Traditionen (Testimonien). Aber auch die Wertschätzung des Barn durch Klemens von Alexandria sowie die ambitionierte theologische Sprache mit widerstreitenden theologischen Optionen weisen auf eine Beheimatung im geistig-religiösen Milieu → Alexandrias hin. Die rabbinisch anmutenden Sequenzen lassen sich ebenfalls aus der Präsenz und der kaum zu umgehenden Beeinflussung durch die Literatur des alexandrinischen und ägyptischen → Judentums erklären.

2.3 Verfasserschaft

Der Verfasser ist unbekannt. Die Anonymität ist ebenso programmatisch wie die mit Bedacht gepflegte Unbestimmtheit von Abfassungs- und Bestimmungsort. Die inscriptio ΒΑΡΝΑΒΑ ΕΠΙΣΤΟΛΗ (BARNABA EPOSTOLĒ) stellt dabei den ältesten Kommentar zu dieser anonymen Schrift dar. Durch die epistolare Rahmung des Schriftstücks drängte sich die „Gattungsbestimmung“ als Brief auf. Die angesichts der antijüdischen Polemik erstaunliche Namenswahl, und damit die Behauptung der Verfasserschaft des aus Apg, 1 Kor und Gal bekannten zypriotischen Leviten Joseph, setzt indes Kenntnis dieser Schrift sowie eine Vorstellung der theologischen Propria des „Apostels neben → Paulus“ (Apg 14,14) voraus. Grundlage der Namenswahl mögen zwei Personaltraditionen gewesen sein: zum einen von dem Herrenbruder → Jakobus für Ägypten, zum anderen von Johannes Markus für Alexandria. In deren Umfeld konnte ein Barnabasbild konstruiert werden, das auf diese prominente Gestalt als Verfasser verwies. Somit hätte der Inscriptor einen vermeintlichen Defekt des epistularen Anfangs des Schriftstücks, nämlich die fehlende Absenderangabe, korrigiert.

3. Struktur und literarischer Charakter

3.1 Struktur

Die literar- und formkritischen Analysen haben Dreierlei erwiesen: 1. Der Barn hatte von Anfang an den von den Hauptschriften א und H überlieferten Umfang. 2. Man trifft fortgesetzt auf Traditionen, wobei in Barn 17 zwei Traditionskomplexe aneinander stoßen. 3. Im stilistischen Gleichklang mit Barn 17 heben sich Barn 1 als Begrüßung mit Einleitung und Barn 21 als Schluss vom übrigen Schriftstück ab und rahmen als kompositorische Eckpfeiler zwei Abschnitte unterschiedlicher Länge (Barn 2–16; 18,1b–20,2) mit je eigenem inhaltlichen, formalen und traditionsgeschichtlichen Profil. Barn 17,1–18,1a markiert dabei nicht nur deren Schnittstelle, sondern leitet zugleich vom ersten zum zweiten Hauptteil über.

barnabasbrief1

3.3 Literarischer Charakter

Sprachliche und situative Konstanz sowie argumentative Bezüge und Kohärenz zeigen die literarische Integrität des Barn an.

Epistulare Rahmung (Barn 1 und 21), schriftstellerischer Impetus (Barn 1,5; 4,9; 12,2; 21,9), universale Adresse (Barn 1,1), Autoritätsanspruch (Barn 1,1.8; 4,9; 5,3; 6,5.10 passim) und didaktische Emphase (Barn 6,5; 7,1.9; 9,7–9 passim) sowie intensive Zitierung und Auslegung der Schrift kennzeichnen den Barn als brieflich gerahmten Traktat. Er will auf der Grundlage autoritativer Zeugnisse (→ Schrift) und maßgeblicher Tradition (Zwei-Wege-Lehre und christliche Paradosis) die christliche Identität seiner Leser konstruieren und sichern.

Der Anlass des Barn ist ein Dissens über die soteriologische Bedeutung des Christusereignisses. Der Zweck ist der exegetische Nachweis, dass die Schrift als die unstrittig autoritative Grundlage (vgl. Barn 1,7f.; 5,3; 7,1; 21,1.5) exklusiv auf → Christus und die Christen weist und, dass durch sie alle ihre Verheißungen erfüllt werden.

3.4 Disposition

Die beiden Hauptteile konvergieren thematisch darin, dass Glaube und Handeln der Christen in der prophetischen Überlieferung vorgegeben und daher bindend sind. Daher und wegen der Axiome, dass alles in der prophetischen (→ Prophetie, Prophet) Rede eine Bedeutung hat und exklusiv die Christen zu ihrem Verstehen fähig sind, gilt alle Offenbarung immer schon den Christen. Der Glaube und die Verhaltensgrundsätze der Christen sind somit Ausdruck recht verstandener prophetischer Überlieferung. Das Grundthema und die Kommunikationsstruktur sind auf zwei Fixpunkte ausgerichtet: 1. Die Leser sind durch ihren Gnadenstand kompetent, die Thematik zu erfassen und wissen sich zugleich in ihren Grundüberzeugungen von anderen Christen unterschieden. 2. Der Verfasser besitzt die Kompetenz, die Thematik exemplarisch und richtungsweisend darzulegen (Barn 1,5; 4,9a; 17,1.2). Disponiert ist der Barn von der Absicht, Glauben und Praxis seiner Bezugsgruppe zu begründen und diesen bzw. diese gegenüber anderen Christen zu profilieren. Dazu wird die Schrift insgesamt als ursprünglich christlich ausgewiesen und ein dualer ethischer Katalog als Verzeichnis typisch christlichen Verhaltens reklamiert. Inhaltlich ist der Barn durch die Frage nach der eschatologischen Rettung (→ Eschatologie) (vgl. Barn 2,10b; 4,1; 21,1.8b) disponiert; sie bestimmt die Auswahl und die Organisation der Themen sowie ihre Behandlung.

4. Theologische Charakteristika

Die Soteriologie (Barn 4-8) ist das theologische Thema des Barn, die christologischen, ekklesiologischen und eschatologischen Themen sind ihr funktional zugeordnet und gewinnen ihre Konturen in der Sicherung der Soteriologie. Die Frage der eschatologischen Rettung (Barn 2,10b; 4,1) bestimmt die Auswahl und die Behandlung der Einzelthemen. Hierdurch disponiert will der Barn im Sinne eines Kompendiums geltender Tradition (Barn 1,5-8; 17,1) anhand autoritativer Zeugnisse die christliche Identität seiner Leser in Front zu anderen Christen (Barn 4,6) aufzeigen und sichern (Barn 1,5; 4,9; 7,2).

Die Christologie stellt für den Barn den hermeneutischen Schlüssel (→ Hermeneutik) der Schrift dar, sowie der theologischen Terminologie und der Anschauungen, die er biblisch- jüdischer Tradition entnimmt. Die Schrift kündigt Christus und die Christen an: Barn. 2-16 erweist die Schrift als Vorausankündigung der christlichen Zeit (Barn 7,1 und 9,7-9). Weil die ganze Schrift einzig Christus und die Christen prophezeit, gibt es keine Heilsgeschichte, die dieser Heilssetzung vorausgeht. Israel sowie seine Einrichtungen werden als Heilsgrößen z.T. polemisch annulliert (Barn 4,6-8; 5,7; 13f.) und die Patriarchen (→ Erzeltern), → Mose und → David exklusiv als Christus und die Christen ankündigenden Propheten reklamiert (Barn 4,8; 5,7; 6,8; 9,7; 11,9; 13,7). Die Schrift in diesem Licht zu erforschen, erbringt jene „vollkommene → Gnosis“ (Barn 1,5; 6,9; 18,1), die erst gottgehorsames Handeln im Glauben an Jesus Christus und Teilhabe an dem im Christusereignis verheißenen und verbürgten endzeitlichen Heil (Vergeltung, Auferstehung und ewiges Leben) ermöglicht. An diese Begründung und Verflechtung von Glaube und Praxis fügen Barn 18-20 in einer Zwei-Wege Lehre (vgl. → Didache 1-6; Doct. Patr.) einen Handlungskatalog an. Dominanter und bedeutsamster christologischer Begriff innerhalb des Barn ist κύριος (→ kyrios). Anhand dieses Begriffs gewinnt der Verfasser für die Paradoxie, dass der Präexistente (Barn 5,5) und Gott gelitten haben und gestorben sind, die Kontaktstelle, die dieses Geschehen durch die Hinweise auf die Erfüllung der vom κύριος (kyrios) selbst initiierten Prophetien sowie auf seinen Willen und vor allem auf den soteriologischen Zweck (Barn 7,2) plausibel erscheinen. Da mit der Verwendung des κύριος-Begriff auch der irdische Jesus und somit der Gekreuzigte (Barn 7,3-11) in den Blick kommt, ist der Begriff konstitutives Element des christologischen, soteriologischen und ekklesiologischen Entwurfs. Soteriologie und Ekklesiologie hängen dicht mit der Polemik gegen alles Jüdische und dessen binnenchristlicher Funktion zusammen.

5. Antijüdische Polemik und ihre Funktion

Der Barn wird in der Frühchristentumsforschung nicht selten neben Joh 8,30-47 und die Stephanusrede (→ Stephanus) gestellt. In beiden Texten scheint jene Distanzierung des Christentums vom Judentum Konturen zu gewinnen, die für den Barn als Signum gilt und ihn als ältestes Dokument einer antijüdischen Polemik sehen lässt, die in den christlichen Schriften ‚Adversus Iudaeos‘ formal und inhaltlich ihre Absicht offen bekundet. In der Kombination der Elemente antijüdischer Polemik sowie in der Radikalität der argumentativen Durchführung und der theologischen Tragweite ist der Barn singulär, wenngleich in der Alten Kirche keine seiner bisweilen massiv antijüdischen Aussagen zitiert wird.

Tragende Elemente der antijüdischen Polemik im Barn sind offene polemische Aussagen und Wendungen. Unter Berufung auf die prophetische Kritik warnen Barn 2,9f. und 3,6 davor, gemäß jüdischer Vorschriften → Opfer darzubringen, → true zu begehen oder „die Fasten“ zu halten. Die Stilmittel der antijüdischen Polemik im Barn sind unauffällig, aber wirkungsvoll, so werden die Juden beispielsweise nie beim Namen genannt. Sie erscheinen als anonyme Größe, als Personenkreis, von dem sich der Verfasser und seine Leser deutlich abheben. Mehrfach werden die Juden abschätzig und ausgrenzend als ἐκεῖνοι (ekeinoi, jene/ andere) (z. B. 3,6; 4,7a; 8,7) bezeichnet. Neben der offenen, an bestimmten Aussagen und Wendungen haftenden und mit Hilfe typischer Argumentationsstrategien geschärften antijüdischen Polemik geschieht im Barn eine programmatische Entwertung alles Jüdischen.

Zwar übergießt der Verfasser die Juden und das Judentum mit heftigster Polemik, aber er zielt damit nicht auf sie. Der Verfasser will mit seinen Ausführungen möglichst prägnant vor Augen führen, dass der christliche Glaube schriftgemäß ist (Barn 2–16) und dass das christliche Handeln die hohen sittlichen Standards der Tradition erfüllt (Barn 18–20). Mit dieser Intention übt der Verfasser schärfste Kritik an Christen, die eine dem Christusereignis vorausliegende und bindende Heilssetzung und Heilsgeschichte bekennen. Mag diese Heilsgeschichte auf Christus und die Christen hinführen, so relativiert dem Verfasser zufolge dieser Glaube dennoch das Christusereignis, weil dessen soteriologische Exklusivität tangiert wird. Aus seiner Sicht kann solcher Glaube und solche Hoffnung nur einem verfehlten Schriftverständnis entsprungen sein, das im übrigen Zeichen fehlender → Gnade ist. Weil der Verfasser die Ursache dieses Christentums in einem wörtlichen Verständnis der Schrift wähnt, das er ebenso als Basis aller jüdischen Propria diagnostiziert, gelten ihm diese anderen Christen im Grunde wie Juden. Daher eröffnet sich ihm die Möglichkeit, zur Profilierung und Verketzerung anderer Christen jüdische Propria ausschließlich pejorativ in Dienst zu nehmen. Alles Jüdische ist geeignet, Irrtum, Eitelkeit und Sündhaftigkeit dieser anderen Christen kenntlich zu machen, denn aus der Sicht des Verfasser besitzt nichts, was Juden auszeichnet, Dignität vor Gott. Alles ist aus Irrtum, Eitelkeit und Ungehorsam entsprungene Blasphemie. Diese polemische Abgrenzung gegen andere Christen gewinnt durch ihr antijüdisches Gepräge nicht nur an Kontur und Schärfe. Sie ist zugleich eine Funktionalisierung des Judentums – und der Juden –, die dem programmatischen Antijudaismus Bahn bricht.

Charakteristisch an dieser zum Zweck einer innerchristlichen Ketzerpolemik geäußerten Kritik an allem Jüdischen ist ihre Legitimierung unter Berufung auf die Schrift. Ebenso wie nach Ausweis des Vf. die → Präexistenz und Gottessohnschaft (→ Gottessohn) des κύριος (kyrios), der soteriologische Belang des Christusereignisses und die Verheißung der Gnade Gottes an die Kirche die grundlegenden Offenbarungen der Schrift sind, ist es der Auslegung von Gen 2,2f. in Barn 15 zufolge der von Anfang an bekundete Wille Gottes, dass Judentum und Kirche nichts gemein haben. Die theologische Paralyse einer dem Christentum vorausliegenden Heilsgeschichte ist der Grund für diese Funktionalisierung der Juden und des Judentums. Von daher erklären sich sowohl Umfang als auch Vehemenz der antijüdischen Polemik.

Kirchengeschichtlich überaus folgenreich ist die mit der theologischen Paralyse einer dem Christentum vorausliegenden Heilsgeschichte gekoppelte Aufgabe der kultischen Gemeinschaft mit der Religion, aus der das Christentum stammt. Die Kirche glaubt nicht nur anders, sie betet und feiert anders als das Judentum. Der Gottesdienst der Kirche liegt auf einem anderen Termin, weil ihre Liturgie ihren Grund in der eschatologischen Heilssetzung Gottes in Jesus hat. Im Unterschied zur Didache, die die Begehung des → Sabbats noch als gemeindliche Wirklichkeit bezeugt und freilich für den Herrentag optiert, ist nach Barn 15 das Halten des Sabbats mit dem Christsein unvereinbar. Der Auslegung von Gen 2,2f. in Barn 15 gemäß ist nämlich der von Anfang an bekundete Wille Gottes, dass Judentum und Kirche nichts gemein haben. Dass der Barn die Schrift – und davon abhängig auch jüdisch ethische Traditionen (Zwei-Wege-Lehre) – dennoch als Grundlage christlichen Glaubens und Lebens ausweist, statt sie als Zeugnis zu begreifen, das zwar zuverlässig über den Schöpfer (→ Schöpfung), den Demiurgen, Auskunft gibt, aber nicht den Retter und die Erlösung der Menschen verkündet, wird durch die Allegorese (→ Allegorie) ermöglicht. Von → Markion trennt das Christentum, das der Barn propagiert, die Exegese.

Literaturverzeichnis

1. Editionen und Übersetzungen (in Auswahl)

  • Holmes, M. W. (Hg.), Apostolic Fathers (Early Christian collection). Translated by J. B. Lightfoot / J. R. Harmer. Grand Rapids, Mich. 2. Aufl. 1990.
  • Kraft, R. A., The Apostolic Fathers. Bd. 3: Barnabas and the Didache. New Translation and Commentary. New York / Toronto 1965.
  • Lindemann, A. / Paulsen, H. (Hg.), Die Apostolischen Väter. Griechisch-deutsche Parallelausgabe auf der Grundlage der Ausgaben von Franz Xaver Funk / Karl Bihlmeyer und Molly Whittaker, mit Übersetzung von M. Dibelius und D.-A. Koch. Tübingen 1992.
  • Prigent, P. / Kraft, R. A. (Hg.), Épître de Barnabé. Introduction, traduction et notes par P. Prigent, Texte grec établi et présenté par R. A. Kraft. SC 172. Paris 1971.
  • Scorza Barcellona, F. (Hg.), Epistola di Barnaba. Introduzione, testo critico, traduzione, commento, glossario e indici. CorPat 1. Torino 1975.
  • Wengst, K. (Hg.), Didache (Apostellehre), Barnabasbrief, Zweiter Klemensbrief, Schrift an Diognet. SUC 2. Darmstadt 1984 (ND 2004, 2006).

2. Kommentare zum Barnabasbrief

  • Prostmeier, F.R., Der Barnabasbrief. KAV 8. Göttingen 1999.
  • Windisch, H., Die Apostolischen Väter. III: Der Barnabasbrief. HNT Erg.-bd., Hg. v. H. Lietzmann. Tübingen 1920, 299-413.

3. Sonstige Literatur

  • Carleton Paget, J., The Epistle of Barnabas. Outlook and Background. WUNT 2,64. Tübingen 1994.
  • Hvalvik, R., The Struggle for Scripture and Covenant. The Purpose of the Epistle of Barnabas and Jewish-Christian Competition in the Second Century. WUNT 2,82. Tübingen 1996 (zugl. Diss. Masch. Oslo 1994).
  • Prostmeier, F.R., Antijüdische Polemik im Rahmen christlicher Hermeneutik. Zum Streit über christliche Identität in der Alten Kirche. ZAC 6 (2002) 38-58.
  • Prostmeier, F.R., Der Barnabasbrief, in: W. Pratscher (Hg.) Die Apostolischen Väter. Eine Einleitung. UTB 3272. Göttingen 2009, 37-58.
  • Prostmeier, F.R., Zur handschriftlichen Überlieferung des Polykarp- und des Barnabasbriefes. Zwei nicht beachtete Deszendenten des Cod. Vat. gr. 859. VigChr 48 (1994) 48-64.
  • Wengst, K., Tradition und Theologie des Barnabasbriefes. AKG 42. Berlin 1971.

Abbildungsverzeichnis

  • Gliederung des Barnabasbriefes Gliederung: Ferdinand Prostmeier

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