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(erstellt: Mai 2010)

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1. Vorbemerkungen

Dass man das neutestamentliche Evabild weder losgelöst von der alttestamentlichen und frühjüdischen Tradition noch in Absehung von den im NT gegebenen Aussagen über Adam betrachten kann, liegt auf der Hand. Allerdings mag es an dieser Stelle genügen, auf die relevanten Wibilex-Artikel zu verweisen (→ Adam und Eva, → Adam, NT), so dass hier eine Konzentration auf die neutestamentlichen Aussagen über Eva und deren Wirkungsgeschichte erfolgen kann.

2. Eva im NT

Der Name Eva begegnet lediglich an zwei Stellen im Neuen Testament. Das ist zum einen 2Kor 11,3, wo die Verführung Evas (von Adam wird hier nichts gesagt) als warnendes Beispiel erscheint, dem die Korinther angesichts der umherziehenden Irrlehrer nicht folgen sollen. Eventuell könnte dann in 2Kor 11,14 noch einmal auf den gleichen Traditionszusammenhang angespielt sein, denn die Verwandlung des Teufels in einen Engel kennen gerade auch die frühjüdischen Nacherzählungen von Gen 3 (vgl. z.B. griech. Leben Adams und Evas 17,1). Die zweite Stelle ist 1Tim 2,13f, wo die nachträgliche Erschaffung und die Verführbarkeit Evas als Argument für das Lehr- und Herrschaftsverbot von Frauen herangezogen wird. Manche Ausleger vermuten, dass im Hintergrund ein Konflikt mit gnostischen Lehrerinnen oder Prophetinnen (→ Gnostiker) steht, welcher im Zusammenwirken mit zunehmend patriarchalischen Tendenzen im Urchristentum zu einem Rückgang des ursprünglich relativ selbstverständlichen Verkündigungsdienstes von Frauen führte (vgl. dazu die in Röm 16 erwähnten Frauen und ihre Funktionen sowie die Äußerungen über das prophetische Reden von Frauen in 1Kor 11).

Neben den erwähnten sind einige weitere Stellen bedenkenswert, die indirekt auf Eva anspielen. Es handelt sich dabei um Aussagen in Mk 10,6-9 und 1Kor 11,8f, die einerseits das Verbot der Ehescheidung und andererseits die Unterordnung der Frau unter den Mann begründen sollen (zur erstgenannten Stelle vgl. auch Eph 5,31, zur zweitgenannten die oben zitierte Stelle aus 1Tim 2).

Betrachtet man die relativ spärlichen Aussagen über Eva im Neuen Testament insgesamt, so lassen sich zwei Linien erkennen. Einmal wird Eva im ätiologischen Sinn (→ Ätiologie) als Begründung und Norm gegenwärtiger Lebenswirklichkeit herangezogen (z.B. im Scheidungsverbot in Mk 10 oder im Lehr- und Herrschaftsverbot in 1Tim 2). Zum anderen ist das Interesse an Eva ein typologisches, sie gilt als Urbild der verführbaren Frau oder des verführbaren Menschen schlechthin. Nicht selten tragen solche Auslegungen deutlich frauenfeindliche Züge (vgl. Küchler), die dann in der Wirkungsgeschichte noch verstärkt werden. Wichtig ist daher der Hinweis auf ihren marginalen Charakter im Gesamtkontext des Neuen Testaments.

3. Wirkungsgeschichte

In der Wirkungsgeschichte des neutestamentlichen Evabildes tritt zum einen der Aspekt der Verführbarkeit Evas deutlich in den Vordergrund. Theologen wie → Tertullian (2. Jhd. n. Chr.) bescheinigen ihr, dem Teufel die Tür geöffnet und der Menschheit die Gottebenbildlichkeit geraubt zu haben (vgl. Anderson 2001, 75f). Die Frau sei dem Manne rechtlich nachgeordnet und moralisch unterlegen (vgl. Ehrenschwendtner).

Auf der anderen Seite wird mit der Gegenüberstellung von Eva und Maria ein neues Ideal postuliert: das Rollenmodell der Jungfrau (lat. Virgo). Als solche könne die Frau dem Manne „spirituell gleich werden“ (Ehrenschwendtner, 261). So ähnlich wie Christus als der „neue Adam“ gilt (→ Adam, NT), so wird Maria von manchem Ausleger als die „neue Eva“ und damit sozusagen als das Urbild einer Christin verstanden (vgl. Anderson 2001, 75-97).

Aufs Ganze gesehen bleibt dennoch festzuhalten, dass die Auslegung der alt- und neutestamentlichen Evaaussagen bis in die Neuzeit hinein vor allem auf den Aspekt der Nachrangigkeit und leichteren Verführbarkeit der Frau insistierten. Demgegenüber gilt es festzuhalten, dass die biblischen Texte nur zum Teil eine Basis dafür bieten und durchaus auch gegenläufige Tendenzen kennen, wenn sie relativ selbstverständlich davon ausgehen, dass Frauen im Dienst am Evangelium eine den Männern gleichwertige Rolle spielen können (vgl. etwa Gal 3,28; 1Kor 11,1-16; Röm 16 mehrfach, vor allem Röm 16,3.7.12).

Literaturverzeichnis

  • Anderson, G.A. / Stone, M.E. / Tromp, J. (Hg.), 2000, Literature on Adam and Eve. Collected Essays (SVTP 15), Leiden u.a.
  • Anderson, G.A., 2001, The Genesis of Perfection. Adam and Eve in Jewish and Christian Imagination, Leiden u.a.
  • Ehrenschwendtner, M.-L., Art. 2000, Frau IV. Kirchengeschichte, RGG4 3, 261-263
  • Flasch, K., 2004, Eva und Adam. Wandlungen eines Mythos, München
  • Knittel, T., 2002, Das griechische „Leben Adams und Evas". Studien zu einer narrativen Anthropologie im frühen Judentum (TSAJ 88), Tübingen
  • Küchler, M., 1986, Schweigen, Schmuck und Schleier. Drei neutestamentliche Vorschriften zur Verdrängung der Frauen auf dem Hintergrund einer frauenfeindlichen Exegese des Alten Testaments im antiken Judentum, Freiburg u.a.
  • Schüngel-Straumann, H., 1998, „Von einer Frau nahm die Sünde ihren Anfang, ihretwegen müssen wir alle sterben" (Sir 25,24). Zur Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte der ersten drei Kapitel der Genesis in biblischer Zeit, in: Bibel und Kirche 53, 11-20
  • Stone, M.E., 1992, A History of the Literature of Adam and Eve (SBL.EJL 3), Atlanta

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