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(erstellt: Januar 2010)

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1. Name

Etymologisch ist der Name „Emmaus“ wohl von hebr. המם (hamam; „warm werden“) abzuleiten. Das deutet darauf hin, dass der Ort in der Nähe von warmen Quellen gelegen haben muss.

2. Erwähnung(en) in der Bibel

„Emmaus“ ist der Name eines Ortes, der in Lk 24,13 erwähnt wird. In der lukanischen Erzählung ist er das Ziel von zwei Jüngern, die am Ostersonntag von Jerusalem aus dorthin auf dem Weg sind. Lukas schreibt, dass Emmaus „60 Stadien“ (das sind ungefähr 11 km) von Jerusalem entfernt liegt. 60 Stadien entsprechen etwa einem Fußweg von 2 Stunden. Einige Handschriften nennen als Entfernung 160 Stadien, was einer Distanz von knapp 30 km entspräche. Diese Angabe ist aber schlechter bezeugt als die erstgenannte und lässt sich darüber hinaus auch als sekundäre Angleichung an die Lage des einzigen Ortes erklären, der unter dem Namen „Emmaus“ in biblischer Zeit bekannt war und der ca. 30 km von Jerusalem entfernt liegt.

In 1Makk 3,40.57; 1Makk 4,3; 1Makk 9,50 wird eine Ortschaft namens Emmaus erwähnt, die sich ca. 30 km westnordwestlich von Jerusalem in der Schefela befand, unweit der heutigen Autobahn von Tel Aviv nach Jerusalem. In ihrer Nähe fand ca. 165 v. Chr. eine Schlacht zwischen einem seleukidischen Heer und den makkabäischen Streitkräften statt, die für letztere siegreich endete. – Dieses Emmaus findet unter den Namen „Emmaus“ oder „Ammaus“ auch noch bei anderen antiken Autoren Erwähnung: Josephus, Bell 1,222.319; 2,63.71.568; 3,55; 4,444.449; 5,42.67; Ant 12,298; 13,15; 14,276.436; 17,282.291; Plinius d. Ä., HistNat 5,70. – Im 3. Jahrhundert n. Chr. wurde es in „Nikopolis“ umbenannt (vgl. Eusebius, Onomastikon, GCS XI/1, Euseb. III/1, 90,15–17; Hieronymus, Ep. 108,8,2 [CSEL LV, 314,5f]). Bis 1967 gab es dort auch noch ein arabisches Dorf namens „Amwas“. Es wurde während des Sechstagekriegs im Juni 1967 zerstört.

3. Identifikationen

  • Schon in altkirchlicher Zeit wurde das im 1. Makkabäerbuch erwähnte Emmaus mit dem Emmaus von Lk 24,13 identifiziert. Das Problem besteht darin, dass dieses Emmaus eben nicht „60 Stadien“, sondern „160 Stadien“ von Jerusalem entfernt liegt. Darüber hinaus ist nach allen Regeln der Textkritik „60 Stadien“ die ältere Lesart. Zu ihren Gunsten spricht nicht nur die bessere handschriftliche Überlieferung, sondern auch, dass man die Änderung von „60 Stadien“ in „160 Stadien“ sehr gut als Anpassung an die Lage des einzigen Ortes erklären kann, der unter diesem Namen bekannt war, während eine umgekehrte Korrektur ganz unplausibel ist. Es hat darum nicht an Versuchen gefehlt, weitere Ortschaften mit dem lukanischen Emmaus zu identifizieren. Die wichtigsten Vorschläge sollen kurz vorgestellt werden:
  • Eine ganze Reihe von Historikern und Exegeten favorisieren das bei Josephus, Bell 7,217 erwähnte „Ammaus“, das den Vorteil hat, dass es ungefähr 30 Stadien (westnordwestlich) von Jerusalem entfernt liegt. In ihm ließ Vespasian im Jahr 70 n. Chr. 800 römische Soldaten ansiedeln. Wahrscheinlich handelt es sich um das heutige Kalōnije (von lat. colonia). In der Nähe befindet sich die Ortslage des in Jos 18,26 erwähnten Ham-moza (Septuaginta: „Amosa“ bzw. „Amoke“; Vulgata: „Ammosa“; im Mischna-Traktat Sukkot 4,5: „Moza’“), das phonetisch durchaus an „Emmaus“ anklingt. In der lateinischen Josephus-Überlieferung heißt der Ort zwar anders („Amassada“), doch ist auch dieser Name nicht weit von „Emmaus“ entfernt.
  • Erstmals im Mittelalter belegt ist die Identifikation mit dem ca. 12 km (ca. 65 Stadien) nordwestlich von Jerusalem gelegenen al-Qubeibah.
  • Ebenfalls erst mittelalterlicher Herkunft ist die Lokalisierung des lukanischen Emmaus in Abu Gosh, dem alttestamentlichen Kirjat Jearim.
  • Jüngeren Datums ist der Vorschlag von W. Zwickel, der Emmaus mit einem ca. 11 km nördlich von Jerusalem gelegenen Ruinenfeld in der Nähe der Quelle Bīr el-Hammām identifizieren will. Zugunsten dieses Vorschlags können die Entfernung und die Namensähnlichkeit angeführt werden; gegen ihn spricht, dass es keinerlei Tradition für diese Identifikation gibt.
  • In der Handschrift D (Codex Bezae Cantabrigiensis) aus dem 5. Jahrhundert n. Chr. steht in Lk 24,13 nicht „Emmaus“, sondern „Ulammaus“. Diese Angabe halten Read-Heimerdinger / Rius-Camps für die ältere Lesart und identifizieren den Ort mit dem in Gen 28,19LXX erwähnten „Ulamlus“ (hebr. ’Ulam), dem nachmaligen Bethel.

4. Auswertung: Wo lag Emmaus wirklich?

Wir können zunächst davon ausgehen, dass die lukanische Erzählung von einer Begegnung mit dem auferstandenen Jesus in einem „Dorf“ namens „Emmaus“ oder in dessen Nähe auf einer sehr alten Tradition beruht, die wohl auch einen historischen Kern hat. Indizien dafür sind die beiden Eigennamen „Emmaus“ und „Klopas“. Klopas wird vermutlich auch der erste Erzähler dieser Geschichte gewesen sein. Diese Überlieferung ist mündlich tradiert worden, und in dieser Form ist sie auf Lukas gekommen. Welche Gestalt sie hatte, als Lukas mit ihr bekannt wurde, können wir nicht mehr sagen.

In dieser Überlieferung fehlten mit großer Wahrscheinlichkeit zwei Daten, nämlich die zeitliche und die räumliche Näherbestimmung: Weder behauptete die Überlieferung ursprünglich, dass die Begegnung am Ostersonntag stattfand, noch enthielt sie eine Angabe über die Distanz zwischen Emmaus und Jerusalem.

Lukas hat bei seiner Neuerzählung der Geschichte zunächst zweierlei getan: Zum einen legte er die Begegnung auf den Ostersonntag. Zum anderen bestimmte er die Ortslage näher, an der sich die von ihm erzählten Ereignisse abspielen – und zwar im Verhältnis zu Jerusalem, wo die beiden Jünger herkommen und wohin sie wieder zurückkehren. Die 60 Stadien, die sich in Lk 24,13 als Entfernungsangabe finden, stammen also von Lukas. Man kann auch leicht erklären, wie sie in die Erzählung geraten sind: Eine solche Angabe wurde nämlich genau in dem Moment erforderlich, als die ursprüngliche Erzählung in ihren jetzigen literarischen Kontext eingebettet wurde und Lukas den Schauplatz der Handlung erst von Jerusalem weg- und dann wieder nach Jerusalem zurückführte. Vorher, als die Emmaus-Geschichte noch nicht in Verbindung mit Episoden erzählt wurde, die in Jerusalem spielen, war eine solche Entfernungsangabe entbehrlich. Dass die von Lukas ergänzte Distanz auf präzisem geographischem Wissen beruht, dürfen wir nicht annehmen. Es handelt sich vielmehr nur um eine runde Entfernungsangabe (zwei Wegstunden).

Für die Bestimmung der tatsächlichen Lage von Emmaus, dem Wohnort des Klopas, sind die 60 Stadien von Lk 24,13 also wertlos. Man darf sie darum auch nicht als Argument gegen die Identifizierung von Emmaus / Nikopolis (s. o. Abschn. 2.2. und 3.1.) mit dem Emmaus des Klopas verwenden. Umgekehrt ist damit aber auch nicht positiv erwiesen, dass beide Orte wirklich dieselben waren, denn diese Annahme könnte ebenso auf einer zufälligen Namensgleichheit beruhen.

Literaturverzeichnis

Zum Ort

  • Fleckenstein, K.H. (Hg.), 2003, Emmaus in Judäa. Geschichte – Exegese – Archäologie, BAZ 11, Gießen
  • Gichon, M., 1993, Emmaus, NEAEHL II, Jerusalem, 385–389
  • Read-Heimerdinger, J. / J. Rius-Camps, 2002, Emmaous or Oulammaous?, RCatT 27, 23–42
  • Thiede, C.-T., 2004, Die Wiederentdeckung von Emmaus bei Jerusalem, ZAC 8, 593–599
  • Wolter, M., 2008, Das Lukasevangelium (HNT 5), Tübingen, 776–777
  • Zwickel, W., 1994, Emmaus: Ein neuer Versuch, BN 74, 33–36

Zur Erzählung

  • Bovon, F., 2009, Das Evangelium nach Lukas (EKK 3/4), Neukirchen-Vluyn / Düsseldorf, 542–572 (mit reichhaltigen Literaturangaben)
  • Chenu, B., 2003, Disciples d’Emmaüs, Paris
  • Just jr., A.A., 1993, The Ongoing Feast. Table Fellowship and Eschatology at Emmaus, Collegeville
  • Schnider, F. / W. Stenger, 1972, Beobachtungen zur Struktur der Emmausperikope, BZ NF 16, 94–114
  • Wanke, J., 1973, Die Emmauserzählung, Leipzig
  • Wanke, J., 1974, „… wie sie ihn beim Brotbrechen erkannten“. Zur Auslegung der Emmauserzählung Lk 24,13–35, BZ.NF 18, 180–192
  • Wolter, M., 2008, Das Lukasevangelium (HNT 5), 774–787

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