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(erstellt: April 2018)

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1. Altes Testament

1.1. Bezeichnungen

Hebräische Bezeichnungen für Zweige sind u.a. דָּליִת dālît „Zweig / Ranke“, עָנָף ʽānāf „Zweig“, סָעִיף sāʽîf bzw. סְעַפָּה səʽappāh „Zweig“ und סַרְעַפָּה sarʽappāh „Zweig“. Botanisch sind Zweige Teilstücke eines Astes, die von seiner Gabelung ausgehen. An ihnen wachsen Blätter, Blüten und Früchte.

1.2. Bedeutung

Die Zweige als Nist- und Wohnplätze von Vögeln kennt Ps 104,12 (vgl. Dan 4,9; Weish 17,19 [nicht in allen Fassungen]). Zweige von Laubbäumen und Bachweiden wurden beim → Laubhüttenfest für die Errichtung von Hütten benötigt (Lev 23,40; Neh 8,15; 2Makk 10,7; → Laubhütte). Es ist Zeichen der Verödung einer Stadt, wenn dort Tiere weiden und den spärlichen Pflanzenwuchs fressen, so dass die Zweige kahl werden und verdorren und am Ende nur noch zu Brennholz taugen (Jes 27,10f).

1.3. Metaphorik

Metaphorisch wird häufig auf Zweige an einem Baum Bezug genommen. So entwirft Ez 17,6 das Bild eines Weinstocks mit Trieben und wachsenden Zweigen, der für das Königtum → Zedekias steht, der von den → Babyloniern 597 nach der Verbannung → Jojachins als König in Jerusalem eingesetzt worden war, um dort erneut Schoße und Zweige zu treiben (vgl. Ez 17,8), allerdings in deutlicher Unterordnung unter den babylonischen Großkönig. Dieses Königtum Zedekias wird nach Ez 17,23 durch ein anderes ersetzt, das im Bild einer → Zeder gemalt wird, die Zweige treibt und Früchte bringt, Zeichen für → Fruchtbarkeit und Beständigkeit. In Ez 19,10f stehen die Zweige des Weinstocks für die Abkömmlinge des davidischen Königtums, wie der Hinweis auf Herrscherstäbe in Ez 19,11 unterstreicht.

Auch der Pharao (bzw. Assur, wenn man mit Greenberg 2005, 320 bei der masoretischen Textüberlieferung bleibt) kann einem prächtigen, vielverzweigten Baum gleichen (Ez 31,3-9); doch kann diese Macht und Pracht zur Hybris verleiten, die der Grund ist für das göttliche Gericht. Und in der Folge werden die Äste und Zweige des Baumes abgehauen (Ez 31,10-14). Das Bild des vielverzweigten, fruchtbaren und Tiere in seinem Schatten schützenden Weltenbaumes, der das Königtum repräsentiert, findet sich auch in Dan 4,9.11 (hier bezogen auf → Nebukadnezar; → Daniel).

Ps 80,11 bezieht das Bild des Weinstocks, dessen Zweige Schatten spenden und sich machtvoll bis an den → Euphratstrom ausbreiten, auf Israel in seiner ursprünglichen Macht und Pracht (vgl. auch Sir 24,16 [Lutherbibel: Sir 24,22]). Dagegen stehen der → Ölbaum, der verbrannt wird, und seine Zweige, die zerbrochen in den Tälern liegen bleiben, für Israel, das vom göttlichen Gericht getroffen wurde (Jer 11,16). Wenn aber die Berge Israels wieder Zweige treiben und Frucht bringen, dann ist das ein Zeichen für neues Heil für Israel (Ez 36,8). Auch die Weisheit gleicht nach Sir 14,26 einem Baum, in dessen Zweige die Vögel nisten. „Der die Weisheit Suchende lässt sich dort nieder und weiß, dass die Zweige, in deren Vergabelungen er sein Nest gebaut hat, sicheren Halt und Schutz bieten“ (Sauer 2000, 128).

Der Merismus „Wurzel und Zweig“ steht für das Verhältnis von unten und oben. Wenn Wurzel und Zweige beseitigt werden, ist das Ende der Pflanze besiegelt, da ihr dann lebenswichtige Teile fehlen. Dieses Bild überträgt Mal 3,19 auf das Ergehen des Frevlers, dem keine Dauer zukommt (vgl. ähnlich Weish 4,4). Dagegen gleicht der Hohepriester Simon nach Sir 50,10 (Lutherbibel: Sir 50,11) in seiner Pracht und Lebendigkeit einem Ölbaum mit fetten Zweigen. Zum Bild des Mandelzweigs in Jer 1,11fMandel 3.2.

1.4. Die Zweiggöttin in Palästina / Israel

Zweig 01

Seit der Mittelbronze IIB-Zeit (→ Bronzezeit) lässt sich in Palästina / Israel vor allem ikonographisch auf verschiedenen Bildträgern die Vorstellung einer Zweiggöttin nachweisen (s. dazu ausführlich Schroer 1987; → Göttin 4.2.). Die Göttin wird dabei frontal zwischen zwei Zweigen bzw. Bäumen dargestellt. Mit dieser Darstellung dürften „Lebenssteigerung und Vitalität sowie die Abwehr feindlicher Mächte“ (Schroer 1987, 206) verbunden gewesen sein. Ein letzter Nachhall dieser Vorstellung dürfte im Loblied auf die Weisheit Sir 14,26 zu finden sein (s.o. 1.3.).

2. Neues Testament

2.1. Bezeichnungen

Die griechische Begriff für Zweig ist κλάδος klados.

2.2. Bedeutung

Nach Mk 11,8 par. Mt 21,8 huldigt die Volksmenge dem einziehenden König Jesus, indem sie die Straße mit Zweigen, die sie von den Bäumen abbricht, bestreut. Nach Joh 12,13 sind es Palmzweige (→ Dattelpalme).

2.3. Metaphorik

Mk 4,32 par. Mt 13,32 vergleicht das Himmelreich mit einem Senfkorn, das zu einem großen Baum wird. Nach Mt 13,32 par Lk 13,19 lassen sich in seinen Zweigen die Vögel des Himmels nieder. Mk 4,32 spricht dagegen davon, dass in dem Schatten des Baumes aufgrund der großen Zweige die Vögel des Himmels wohnen können. Dies könnte eine Anspielung auf Ez 31,6 sein, wo die Heidenvölker mit den Vögeln identifiziert werden, die in den Zweigen der den Pharao (bzw. Assur) symbolisierenden → Zeder nisten. Im Feigenbaumgleichnis Mt 24,32 stehen das Saftigwerden der Zweige und das Wachsen der Blätter für das Nahen des Sommers.

Zweige spielen auch im Ölbaumgleichnis Röm 11,16-21 eine Rolle. Während der Ölbaum für Israel steht, symbolisieren die vom wilden Ölbaum stammenden Zweige, die dem Ölbaum aufgepfropft wurden, die Heidenchristen, die so Anteil erhalten an der „fettspendenden Wurzel des Ölbaumes“ (V. 17). So entsteht ein enger Zusammenhang zwischen der alttestamentlichen und der neutestamentlichen Heilsgemeinde.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Stuttgart 1933-1979
  • Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, 2. Aufl., Stuttgart u.a. 1992
  • Calwer Bibellexikon, 2. Aufl., Stuttgart 2006

2. Weitere Literatur

  • Greenberg, M., Ezechiel 21-37 (HThKAT), Freiburg 2005
  • Rüthy, A.E., Die Pflanze und ihre Teile im biblisch-hebräischen Sprachgebrauch, Diss. Bern 1942, 52-62
  • Sauer, G., Jesus Sirach / Ben Sira (ATD.A 1), Göttingen 2000
  • Schroer, S., Die Zweiggöttin in Palästina / Israel. Von der Mittelbronze II B-Zeit bis zu Jesus Sirach, in: M. Küchler / Chr. Uehlinger (Hgg.), Jerusalem. Texte – Bilder – Steine (FS H. und O. Keel-Leu; NTOA 6), Göttingen 1987, 201-225

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