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(erstellt: April 2018)

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1. Altes Testament

1.1. Bezeichnungen

Die hebräische Bezeichnung der Wurzel ist שֹׁרֶשׁ šoræš. Damit wird der in der Erde liegende und im Boden wachsende Teil einer Pflanze bezeichnet.

1.2. Bedeutung

Selten ist im Alten Testament konkret von der Wurzel einer Pflanze die Rede, so z.B. Hi 30,4, wo die Ausgestoßenen die Wurzeln des Ginsters als Brennstoff verwenden. Von der Heilkraft von Wurzeln weiß Weish 7,20. Die meisten Belegstellen finden sich im Rahmen der Bildsprache.

1.3. Metaphorik

Eine Wurzel ist Garant für das Überleben einer Pflanze, da sie ihr Festigkeit verleiht und sie mit Wasser versorgt, was besonders in den trockenen, heißen Gegenden des Vorderen Orients lebenswichtig ist. Daher nimmt die Metaphorik immer wieder auf die Wurzel Bezug, und zwar positiv wie negativ. So ist eine fest in der Erde haftende Wurzel Zeichen für Beständigkeit und Stabilität. Daran knüpft Spr 12,3 an, wo es vom Gerechten heißt, dass seine Wurzel nicht ins Wanken gerät. Das Gegenbild entfaltet Hi 8,11-15: Dort erscheint der Frevler im Bild einer Pflanze, deren Wurzeln sich um einen Steinhaufen ranken – Ausdruck von Instabilität (vgl. Hi 5,3; Spr 12,12; vgl. Sir 40,15).

Das neue Ausschlagen der Wurzel einer Pflanze ist Bild für einen Neuanfang, so z.B. in Jes 11,1, wenn angekündigt wird, dass ein Reis aus der Wurzel → Isais hervorgeht. Die davidische Königsherrschaft wird sich somit nicht nahtlos fortsetzen, sondern es wird auf ihre „Wurzel“, den Vater Davids, Isai, zurückgegriffen. Nur so ist ein wirklicher Neuanfang für die judäische Herrscherdynastie möglich, ein Neuanfang, der in Bezug auf die Amtsführung in Jes 11,2ff näher beschrieben wird (vgl. Sir 47,22 [Lutherbibel: Sir 47,25]). Auf die Regenerationsfähigkeit eines Baumes nimmt auch Hi 14,8 Bezug und setzt sie in Gegensatz zur menschlichen Vergänglichkeit: Von der Wurzel wird auch gesprochen, wenn auf den Weltenbaum Bezug genommen wird, der oft bildlich für Könige steht (Ez 17,6f; Ez 31,7). Selbst wenn dieser Baum bis auf den Wurzelstock umgehauen wurde, kann er aus der Wurzel wieder ausschlagen (vgl. bezogen auf → Nebukadnezar Dan 4,12.20.23; → Daniel). In einer Wurzel gründen Kraft und Lebendigkeit, so bezogen auf den von Gott gepflanzten Weinstock Israel, der aufgrund seiner guten Verwurzelung das Land erfüllt (Ps 80,10).

Nicht nur das feste Haften im Boden, sondern auch die Fähigkeit und Funktion der Wasseraufnahme ist Hinweis auf Stabilität und Dauer. So vergleicht Jer 17,8 den, der auf JHWH vertraut, mit einem am Wasser gepflanzten Baum, dessen Wurzeln zum Bach hin ausgestreckt sind (vgl. Hi 29,19 und das Gegenbild Weish 4,3).

Wo es um Vernichtung und Untergang geht, wird oft bildhaft von der Zerstörung der Wurzel gesprochen, so im → ReinigungseidHiobs, der im Stil einer bedingten Selbstverfluchung für den Fall einer Schuld auf seine Entwurzelung rekurriert (Hi 31,8; vgl. Sir 10,16 [Lutherbibel: Sir 10,18]; Ps 52,7). Gerichtsansagen beziehen sich oft auf die Vernichtung von Wurzel (der untere Teil einer Pflanze) und Zweig bzw. Frucht (ihr oberer Teil) einer Pflanze, was einer Totalvernichtung gleichkommt (Jes 5,24; Am 2,9; Mal 3,19 u.ö.). Zeichen des Heils ist es, wenn → Hiskia angesagt wird, dass die Erretteten Israels Wurzeln schlagen und Früchte bringen (2Kön 19,30 par. Jes 37,31; vgl. Jes 27,6; Hos 14,6). Fremdgötterverehrung gleicht einer Wurzel, die Gift hervorbringt und so ins Verderben führt (Dtn 29,17; vgl. 1Makk 1,10 [Lutherbibel: 1Makk 1,11]).

Von Wurzeln kann auch bezogen auf eine Familie gesprochen werden, so Sir 3,9 (nicht in Lutherbibel): wonach im Segen des Vaters die Wurzel einer Familie begründet liegt. Das Bild der Wurzel steht hier für den Ursprung einer Familie (Ez 16,3LXX) oder – in ethischem Sinne – auch für den einer Haltung, so Sir 1,20 (Lutherbibel: Sir 1,25): „Die Wurzel der Weisheit ist die Gottesfurcht“. Und Wurzel der Unsterblichkeit ist es nach Weish 15,3, um die Macht Gottes zu wissen.

2. Neues Testament

2.1. Bezeichnungen

Die griechische Bezeichnung für die Wurzel ist ῥίζα rhiza. Das Wort kommt im Neuen Testament zumeist in metaphorischen Zusammenhängen vor.

2.2. Metaphorik

Die Wurzel gibt der Pflanze die nötige Feuchtigkeit, wie das Gleichnis von der selbstwachsenden Saat betont (Mk 4,6.17 par. Mt 13,6). Wo aber die Wurzel verdorrt, ist das Ende der Pflanze besiegelt (Mk 11,20). Das Ölbaumgleichnis Röm 11 spricht davon, dass die Wurzel des → Ölbaums Israel die Heiden trägt, die im Bild der eingepfropften wilden Ölbaumzweige gefasst sind. Röm 15,12 spielt auf Jes 11,1 an, wenn betont wird, dass die „Wurzel Isais“ kommen wird, um über die Heiden zu herrschen. Auf die Wurzel Davids beziehen sich auch Apk 5,5 („gesiegt hat … die Wurzel Davids“) und Apk 22,16, wo Christus von sich sagt: „Ich bin die Wurzel“.

In anderer Weise nimmt 1Tim 6,10 das Nomen ῥίζα rhiza auf: Dort erscheint die Habgier als „Wurzel aller Übel“. Eine bittere Wurzel ist schädlich; daher mahnt Hebr 12,15, an der göttlichen Gnade festzuhalten, um das Wachstum eines solch schadenbringenden Gewächses nicht zu befördern.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Stuttgart 1933-1979
  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973-2015
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, 2. Aufl., Stuttgart u.a. 1992
  • Calwer Bibellexikon, 2. Aufl., Stuttgart 2006

2. Weitere Literatur

  • Rüthy, A.E., Die Pflanze und ihre Teile im biblisch-hebräischen Sprachgebrauch, Diss. Bern 1942, 44-46

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