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(erstellt: August 2009)

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Mit dem deutschen Wort „Tal“ werden in den Übersetzungen des Alten Testaments verschiedene hebräische Landschaftsbezeichnungen wiedergegeben, die sich am ehesten als Gegensatz zum Wortfeld „Berg / Anhöhe“ verstehen lassen und daher sowohl markante, tiefe Geländeeinschnitte (גיא / נחל) als auch (Tief-)Ebenen (בקעה / עמק) umfassen.

In diesem weiteren Sinn prägen „Täler“ die biblische Landschaft: die verschiedenen Bezeichnungen sind Teile von Ortsangaben und werden so zu Schauplätzen biblischer Ereignisse, Grenzen und Verbindungswegen von der Jesreel-Ebene (יזרעאל עמק Jos 17,16; Ri 6,33; Hos 1,5) im Norden über die zum Teil großen Bach-Täler (→ Fluss / Bach) zu beiden Seiten des Jordangrabens (vgl. auch die Ebene von Jericho, בקעת ירחו Dtn 34,3) und der → Araba und die Jerusalem umgebenden Täler (→ Hinnomtal גיא בן־הנם Jos 15,8; Jos 18,16; 2Kön 23,10; 2Chr 28,3; 2Chr 33,6; Neh 11,30; Jer 7,31f; Jer 19,2.6; Jer 32,35 und → Kidrontal נחל קדרון in 2Sam 15,23; 1Kön 2,37; 1Kön 15,13; 2Kön 23,6.12; 2Chr 15,16; 2Chr 29,16; 2Chr 30,14; Jer 31,40) bis zum „Bach Ägyptens“ (נחל מצרים Num 34,5; Jos 15,4.47; 1Kön 8,65; 2Kön 24,7; 2Chr 7,8; Jes 27,12; Ez 47,19; Ez 48,28), der die Südgrenze des antiken Kulturlandes bildete und in der Bronze- und Eisenzeit wohl den Nachal Besor, ab der Perserzeit das Wādī l-‘Arīš meinte (Keel / Küchler, 101f.). Ein weiteres wichtiges „Tal“ als biblischer Schauplatz in diesem Sinn ist die mesopotamische Tiefebene (בקעה Gen 11,2; Ez 3,22f; Ez 8,4; Ez 37,1f).

Theologisches Gewicht erhalten Täler und Ebenen im Alten Testament in verschiedener Weise. Berühmt ist zunächst das „finstere Tal“, etymologisierend übersetzt das „Tal des Todesschattens“ (גיא צלמות) in Ps 23,4, ein „Unort“, an dem sich das betende Ich trotzdem der Nähe JHWHs sicher ist. Zudem sind Ebenen die typischen Schauplätze für Schlachten, insbesondere, wenn sie auch mit Streitwagen geführt werden. Bei der Schlacht in der Ebene von Afek wird nach 1Kön 20,28 die Annahme der Aramäer widerlegt, dass der Berggott JHWH keine Kriegshilfe im Flachland bieten könne, da er kein Gott der Ebenen (אלהי עמקים) sei.

Auch das Kriegsgeschehen des Völkergerichts in Jo 4 findet in einer Ebene statt, die mit → „Tal Joschafat“ (עמק יהושׁפט Jo 4,2.12; vgl. auch die Erklärung als „Tal der Entscheidung“ Jo 4,14) den Programmnamen „Tal JHWH richtet“ trägt und in byzantinischer Zeit mit dem oberen Kidrontal identifiziert wird. Insbesondere das Hinnomtal, später auch das Kidrontal werden als eisenzeitliche Bestattungsorte mit chthonischen Gottheiten, der Unterwelt und schließlich im Sinne einer Erinnerungslandschaft entsprechend mit den Ereignissen des Jüngsten Gerichts verbunden (vgl. Bieberstein). Im Ezechielbuch ist „die Ebene“ (mit Artikel) in Ez 3,22f.; Ez 8,4; Ez 37,1f ein Ort der besonderen Gottesbegegnung des Propheten im Exil und gleichzeitig als topographischer Gegensatz zu den „Bergen Israels“ (vgl. bes. Ez 36 u.ö.) auf den Exilsort in der mesopotamischen Tiefebene hin transparent. Wenn anders als vom Buchkontext vorgegeben Ez 37,1-10 als Auferstehungsszene rezipiert wird (vgl. Schnocks, 237-243), erhält auch hier ein eschatologisches Geschehen die Kulisse einer Ebene.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff. (נחל / עמק)
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
  • Herders Neues Bibellexikon, Freiburg 2008

2. Weitere Literatur

  • Krinetzki, L., 1961, „Tal“ und „Ebene“ im Alten Testament, BZ 5, 204-220
  • Bieberstein, K., 2001, Die Pforte der Gehenna. Die Entstehung der eschatologischen Erinnerungslandschaft Jerusalems, in: B. Janowski / B. Ego (Hgg.), Das biblische Weltbild und seine altorientalischen Kontexte (FAT 32), Tübingen, 503-539
  • Schnocks, J., 2009, Rettung und Neuschöpfung. Studien zur alttestamentlichen Grundlegung einer gesamtbiblischen Theologie der Auferstehung (BBB 158), Göttingen
  • Schwarzenbach, A., 1954, Die geographische Terminologie im Hebräischen des Alten Testamentes, Leiden

Abbildungsverzeichnis

  • Karte: Wichtige Täler in Palästina. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
  • Das Wādī el-Qelṭ mit dem Georgskloster. © public domain (Foto: Johannes Schnocks, 2003)
  • Die Jesreel-Ebene. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

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