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Sommerhaus / Winterhaus

(erstellt: Februar 2016)

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1. Begriff

Sommerhaus 1

Mit „Winterhaus und Sommerhaus“ sind aller Wahrscheinlichkeit nach Häuser gemeint, die man nur in der entsprechenden Jahreszeit bewohnte. Die Familie besaß also zwei Häuser und zog zwei Mal im Jahr um.

Der Begriff „Winterhaus“ ist ein geläufiges Übersetzungsäquivalent für die hebräische Phrase בֵּית־הַחֹרֶף bêt haḥorӕf (Am 3,15; Jer 36,22), wobei beim hebräischen Wort חֹרֶף ḥorӕf vermutlich genauer an die „(Zeit der) Aussaat“ gedacht ist. In Am 3,15 wird neben dem „Winterhaus“ auch das „Sommerhaus“ בֵּית הַקָּיִץ bêt haqqājiṣ genannt, wobei das hebräische Wort קָיִץ qājiṣ eigentlich die Ernte bezeichnet. In Palästina unterschied man nur zwei → Jahreszeiten, die ihren Namen durch die hauptsächlich anfallenden landwirtschaftlichen Tätigkeiten erhielten, nämlich die Zeit der „Aussaat“, die die deutschen Jahreszeiten Herbst und Winter, und die Zeit der „Ernte“, die Frühling und Sommer umfasst (vgl. Gen 8,22; Dalmann, 1928, 34). Die „Zeit der Aussaat“ brachte Regen und Kälte, die „Zeit der Ernte“ dagegen Trockenheit und Hitze. Die Menschen passten sich auf vielfältige Weise den Jahreszeiten an, anscheinend auch durch die Wahl des Aufenthaltsortes.

Ob das hebräische Wort בַּיִת bajit „Haus“ wirklich ein komplettes Haus oder gar einen Palast bezeichnet, ist unsicher. In Jer 36,22 hat man eher den Eindruck, dass das „Winterhaus“, in dem sich der König aufhält, ein Bereich (Raum, Geschoss oder Komplex) seines Palastes ist, den man mit offenem Feuer beheizen kann. In Am 3,15 dagegen spricht der Umstand, dass noch weitere Häuser im Plural aufgezählt werden, dafür, dass es nicht nur um verschiedene Bereiche innerhalb desselben Hauses, sondern tatsächlich um verschiedene Häuser geht. Sollte dies richtig sein, so hätte man damit zu rechnen, dass man im Winter in eine Gegend mit mildem, trockenem Klima zog, um dem nass-kalten Wetter zu entgehen, das nicht nur unangenehme Temperaturen mit sich brachte, sondern auch die Gefahr einer Erkrankung.

König → Ahab besaß jedenfalls, folgt man 1Kön 21,1 und 1Kön 21,18, zwei Häuser, eines in der auf Meereshöhe gelegenen Jesreel-Ebene (→ Jesreel) und eines in der auf dem Gebirge (410m über Meereshöhe) gelegenen Hauptstadt → Samaria, das im Sommer angenehmere Bedingungen bot.

2. Belege außerhalb des Alten Testaments

In der aramäischen Bauinschrift des Königs Barrakib von Samal (→ Sendschirli; KAI 216,18f; deutsche Übersetzung auch in TUAT I, 630-631, ca. aus dem Jahr 730 v. Chr.) stellt dieser heraus, dass seinen Vorfahren ein „Haus“ (bjt, dieselben Konsonanten wie im Hebräischen) gehört habe, das diesen sowohl als Winterhaus, wörtlich „Haus der Regenzeit“ (bjt štw’), als auch als Sommerhaus, wörtlich „Haus der Ernte“ (bjt kjṣ’; wie in Am 3,15) diente. Es wird also explizit festgehalten, dass derselbe Palast sowohl als Sommer- als auch als Winterhaus genutzt wurde. Der Schlusssatz der Inschrift („Und ich baute dieses Haus.“) könnte so zu verstehen sein, dass König Barrakib, auf Grund seines neu gewonnenen Reichtums, einen neuen Palast bauen konnte, so dass ihm nun zwei Häuser zur Verfügung standen: das eine für den Winter und das andere für den Sommer.

Der griechische Schriftsteller Xenophon (Kyropädie 8.Buch, 6, 22) berichtet, dass auch der Perserkönig → Kyros seinen Wohnsitz saisonal wählte:

Er selbst schlug seinen Wohnsitz im Mittelpunkt derselben auf und brachte die Winterszeit in Babylon sieben Monate lang zu (denn dieses Land ist warm), die Frühlingszeit drei Monate lang in Susa, den höchsten Sommer zwei Monate lang in Ekbatana. Bei dieser Einrichtung, sagt man, habe er immer in der Temperatur [Wärme und Kühle] des Frühlings gelebt.

Jahreszeitlich wechselnde Wohnorte in biblischer Zeit sind auch archäologisch belegt. Am eindrücklichsten ist sicherlich der Fall von → Herodes dem Großen, der sich für die Winterzeit große und reich ausgestattete Palastanlagen in Jericho bauen ließ. Die 259m unter Meereshöhe gelegene Stadt bot im Winter ein mildes Klima mit guter Wasserversorgung und fruchtbarem Land (Netzer, 2006, 42-43). Im Sommer nutzte Herodes dagegen das im Bergland gelegene Herodium (Netzer, 2006, 180-181).

3. Amos 3,15

Der Vers Am 3,15, der vermutlich einer frühen Redaktionsschicht der → Amosschrift zugehört (Jeremias, 40), ist Teil eines Gerichtswortes, das sich gegen Personen richtet, die sich großen Luxus leisten (auch Am 4,1; Am 6,4-6; → Sozialkritik). Im Kontext der Amosschrift geht es darum, dass besondere kulturelle Leistungen, wie z.B. der Bau eines Zweitwohnsitzes, um den Unbillen des Winters zu entgehen, die Verzierung der → Möbel mit → Elfenbeinschnitzereien oder die Vergrößerung der Städte durch eine hohe Zahl von Neubauten durch die Ausbeutung der einfachen Bauern erzielt werden (Am 4,1). Deshalb kündigt der Prophet an, dass sich JHWHs Strafe gegen Winterhaus und Sommerhaus, gegen die Elfenbeinhäuser und die vielen Häuser richten wird. Offensichtlich zählen Winterhaus und Sommerhaus zu den Objekten, die den Zorn des Propheten besonders erregen. Daraus kann man schließen, dass er diese Art von Luxus in besonderer Weise für Verschwendung von Ressourcen hält, die man anderweitig zum Nutzen der Gemeinschaft hätte einsetzen können.

Es fällt auf, dass von Winterhaus und Sommerhaus im Singular die Rede ist, wohingegen von Elfenbeinhäusern und am Ende sogar von „vielen Häusern“ im Plural gesprochen wird. Wäre der Singular im präzisen Sinn gemeint, so läge es nahe an zwei Paläste des Königs zu denken, die dieser je nach Jahreszeit bewohnt hat (Reimer, 85-87). Der Singular könnte aber auch kollektiv zu verstehen sein. In diesem Fall wäre anzunehmen, dass sich nicht nur die Königsfamilie, sondern auch andere zu Reichtum gekommene Familien zwei Wohnsitze leisteten.

Die → Septuaginta wählt für „Winterhaus“ das Äquivalent „Kolonnaden-Haus“ οἶκος περίπτερος oikos peripteros und denkt dabei vermutlich an einen bestimmten Baustil.

Der Prophet Amos beurteilt, im Namen JHWHs architektonische, technische und künstlerische Errungenschaften Israels danach, ob sie gemeinschaftsdienlich eingesetzt werden oder nur den Überfluss einer kleinen Elite zur Schau stellen. Die Objekte, die nur Letzterem dienen, so kündigt Amos an, werden von dem Feind, der Israel heimsuchen wird, als erstes zerstört werden. Dies sollte künftigen Generationen, nach Meinung der Tradenten der Amosworte, zur Warnung dienen (Am 3,13).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003

2. Weitere Literatur

  • Dalman, G., 1928, Arbeit und Sitte in Palästina Bd. 1. Gütersloh = herausgegeben / bereitgestellt von Florian Lippke (V.IRAT), Tübingen, 2013, URL http://hdl.handle.net/10900/43654 [letzter Zugriff: 2016-02-22]
  • Jeremias, J., 2013, Der Prophet Amos (Das Alte Testament Deutsch. Neues Göttinger Bibelwerk 24,2), Göttingen, 3. Aufl.
  • Mittmann, S., 1976, Amos 3,12-15 und das Bett der Samarier, ZDPV 92, 149-176
  • Netzer, E., 1999, Die Paläste der Hasmonäer und Herodes’ des Großen (Zaberns Bildbände der Archäologie), Mainz am Rhein
  • Netzer, E., 2006, The architecture of Herod, the great builder, Tübingen
  • Reimer, H., 1992, Richtet auf das Recht!: Studien zur Botschaft des Amos (SBS 149), Stuttgart
  • Xenophon, 1854, Die Kyropädie, übersetzt von Christian Walz, Stuttgart, = Projekt Gutenberg-DE (http://gutenberg.spiegel.de/buch/die-kyropadie-7531/1) [letzter Zugriff: 2016-02-22]

Abbildungsverzeichnis

  • Orte in höherer Lage sind im Sommer weniger heiß (rot: Samaria, Herodium), Orte in tieferer Lage im Winter weniger kalt (blau: Jericho, Jesreel). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

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