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Schear-Jaschub

(erstellt: Mai 2010)

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1. Der Name

Schear-Jaschub (hebr. שְׁאָר יָשׁוּב šə’ār jāšûv) ist ein Eigenname, der syntaktisch unterschiedlich verstanden werden kann. יָשׁוּב jāšûv kann ein verkürzter Relativsatz ohne Relativpartikel zu שְׁאָר šə’ār „Rest“ sein, sodass „ein Rest, der zurückkehrt / umkehrt“ zu übersetzen ist. Wahrscheinlicher ist der Name aber als Satzname aufzufassen, in dem das Subjekt durch die Voranstellung hervorgehoben wird: „[nur] ein Rest / Überrest wird umkehren / zurückkehren“. Die Übersetzung bleibt allerdings umstritten, da der Name selbst nicht gedeutet wird und sein Sinn aus dem Kontext erschlossen werden muss.

2. Die Person

Schear-Jaschub ist der Symbolname eines Sohnes von → Jesaja ben Amoz in Jes 7,3. Neben ihm begegnet in Jes 8,1-4 ein weiterer Jesajasohn mit dem symbolischen Namen Maher-Schalal-Chasch-Bas (→ „Raube-bald Eile-Beute“). Dass diese Namen zeichenhafte Bedeutung haben, bringt der Prophet in Jes 8,18 selbst zum Ausdruck.

3. Ambiguitäten

Gemäß dem Er-Bericht in Jes 7,3-4 tritt der Pophetensohn vordergründig nur als Begleiter bei der Begegnung zwischen Jesaja und König → Ahas in Erscheinung, der gerade die Befestigungsanlagen kontrollierte (→ Jesaja-Denkschrift). Hier ist jedoch von einer symbolischen Handlung auszugehen (Irsigler, 1985, 101). Wesentliche Fragen sind zum einen, ob „Schear-Jaschub“ als Heils- oder Unheilszeichen zu verstehen ist, und zum anderen, ob im militärischen Sinn ein Überleben oder in theologischer Perspektive eine „Umkehr“ zu Gott gemeint ist. Bei der Annahme eines verkürzten Relativsatzes ist Jesajas Sohn selbst der Rest (Köhler). Lehnt man die Erwartung eines heilvollen Restes in der jesajanischen Grundschrift ab (Kaiser, 1987, 647), führt dies zu der negativen Deutung, dass nur ein kleiner → Rest die angekündigte Katastrophe überleben werde. Die literarkritische Ausscheidung des Passus „du und Schear-Jaschub, dein Sohn“ (Jes 7,3aβ) geht von derselben Grundannahme aus, basiert jedoch nicht auf textinterner Evidenz (Wertlitz, 1992, 135f). Auf eine positive Deutung des Namens, dass nicht alle zugrunde gehen, sondern ein gläubiger Rest bewahrt bleibt, weist der Kontext (Jes 7,3-9) in seiner kanonischen Endgestalt hin.

4. Schear-Jaschub im Kontext

Die zentralen Abschnitte der sog. Jesaja-Denkschrift (Jes 6,1-9,6) haften an Symbolnamen: Schear-Jaschub (Jes 7,1-9), → Immanuel (Jes 7,10-17) und Maher-Schalal-Chasch-Bas (Jes 8,1-18). Die beiden Jesajasöhne mit ihren entsprechenden Abschnitten bilden dabei den inneren Kompositionsring. Zeitgeschichtlich bildet der → syrisch-ephraimitische Krieg (734-732 v. Chr.) den Hintergrund, in dessen Verlauf das Nordreich Ephraim mit Aram eine anti-assyrische Koalition eingeht und das Südreich Juda bedroht. Während → Rezin böse Pläne schmiedet (Jes 7,5-6), sagt der Prophet den verbündeten Feinden durch den Namen Schear-Jaschub das Gericht an: Von ihnen wird nur ein „Rest“ das Schlachtfeld lebend verlassen (vgl. mit dieser negativen Bedeutung Jes 10,19; Jes 14,22; Jes 16,14; Jes 17,3.6; Jes 21,17; Jes 24,6.12 sowie 1Kön 22,28; Jer 22,10). Dies impliziert Heil für Juda. Jes 7,3-9 weist die Form eines Auftragsberichts an Ahas und das judäische Königshaus auf. In Jes 7,9b wird die Heilszusage durch die Forderung nach unbedingtem Vertrauen konditioniert und kehrt sich bei Ungehorsam in ein Unheilswort. Diese Zweiseitigkeit spiegelt sich auch in den beiden Namen der Prophetensöhne wider. Dem angesprochenen „Haus David“ (Jes 7,2.13.14) wird Schear-Jaschub zu einem Zeichen des Heils, während Maher-Schalal-Chasch-Bas Aram und Ephraim das Unheil eröffnet, aber auch dem judäischen Volk und König, wenn es Jahwe nicht glauben will. Angesichts des logisch referenzierten Adressaten liegt eine Verheißung für einen feindlichen Rest aus dem Nordreich, die sich dem judäischen Königshaus wieder unterwerfen will, nicht nahe. Die Mehrdeutigkeit des Namens wird mindestens auf synchroner Textanalyse durch Jes 10,21-22 bestätigt, wo die Wendung „ein Rest kehrt um“ einmal das Heil (V. 21) und einmal das Unheil (V. 22) bezeichnet (Berges, 1998, 104f). Der Namensbestandteil שׁוּב šûv „umkehren“ kann im Jesajabuch die religiöse Hinwendung zu Jahwe (Jes 1,27; Jes 6,10; Jes 9,12; Jes 19,22; Jes 30,15; Jes 31,6) und שְׁאָר šə’ār „Rest“ in positiver Weise die Vorstellung eines gläubigen Restes bezeichnen (Jes 4,2; Jes 10,20f; Jes 11,11.16; Jes 28,5; Jes 37,31f).

Literaturverzeichnis

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