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(erstellt: September 2007)

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1. Naturkundliche Bemerkungen

Das Manna im Alten Testament geht letztlich auf eine natürliche Erscheinung zurück (vgl. zum Folgenden Feliks und Maiberger, 362ff.). In einigen Gegenden der Halbinsel Sinai saugen zwei Schildlausarten (Najacoccus serpentinus und Trabutina mannipara; → Laus) in der Zeit von etwa Ende Mai bis Juli aus der Manna-Tamariske (Tamarix mannifera) Pflanzensaft zur Versorgung ihrer Larven. Da er nur wenig des für die Larven notwendigen Nitrogens enthält, benötigen die Schildläuse eine große Menge Saft. Den Überschuss sondern sie als Tropfen ab, die als kleine, weißlich-gelbliche Kugeln auf den Boden fallen. Die Kügelchen werden von Beduinen am Morgen aufgesammelt, da sie während des Tages schmelzen (vgl. Ex 16,21). Manna gibt es auch von dem Wüstenstrauch Hammada salicornica („Weiße Hammada“). Das Manna ist süß und wird als Honigersatz, aber nicht an Stelle von → Brot verwendet. Bis zur Neuzeit wurde das Manna mit dem Tau in Verbindung gebracht, von dem man annahm, dass er vom Himmel fiel (vgl. Num 11,9).

2. Das Manna im Alten Testament

Im Alten Testament wird das Manna in Ex 16; Num 11,6-9; Num 21,5; Dtn 8,2f.16; Jos 5,10-12; Ps 78,23-25; Ps 105,40; Neh 9,15.20 erwähnt.

1) Num 11. Den ältesten Beleg enthält die vorpriesterliche Wachtel-Erzählung Num 11,4ff.* in Num 11,6b. Die Angaben zum Manna in Num 11,7-9, die meist für sekundär gehalten werden, dürften als nachholende Erläuterung bereits zum Grundbestand gehört haben, obwohl sie den Zusammenhang von Num 11,6 und Num 11,10 unterbrechen, da in der vorpriesterlichen Darstellung der Wüstenwanderung das Manna erstmals in Num 11,6b erwähnt wurde. Jedenfalls setzen sie voraus, dass nicht schon zuvor von dem Manna berichtet wurde. In Num 11,7-9 ist das Manna eine Naturerscheinung, die zusammen mit dem Tau auftrat (Num 11,9). Es ist also hier noch nicht ein Wunder, mit dem Gott die Israeliten versorgte. Allerdings kann es nicht gemahlen und zerstampft werden, wie in Num 11,8 berichtet wird. Danach wurde es von den Israeliten wie Getreidekörner behandelt und diente ihnen als Ersatz für Nahrung aus Getreide. Diese Vorstellung zeigt, dass der Verfasser keine genauen Kenntnisse von der Verwendung des Manna hatte. Die Unzufriedenheit mit dem Manna in Num 11,6b griff die Pentateuchredaktion in Num 21,5 auf. Danach empfand das Volk sogar Ekel an der elenden Nahrung. Mit ihr ist das Manna gemeint.

2) Ex 16. In der Priesterschrift (P), von der der Grundbestand in Ex 16,1aβ-35a stammt, erhielten die Israeliten bereits in der Wüste → Sin, in der sie bei P erstmals in einer Wüste waren, durch ein Wunder → Wachteln und Manna. Sie aßen von nun an während der 40 Jahre in der Wüste Manna (Ex 16,35a). In Zusammenhang mit ihm entdeckten sie in der Wüste Sin den → Sabbat, weil ihnen → Mose die doppelte Menge Manna am sechsten Tag so deutete, dass am siebten Tag Sabbat ist, an dem es kein Manna geben wird (Ex 16,22f.*). Das Manna-Wunder wurde später in priesterlichen Zusätzen gesteigert: Außer dem Manna des sechsten Tages konnte es nicht bis zum nächsten Morgen aufbewahrt werden (Ex 16,19f.24b). Jeder verfügte über ein Gomer Manna, obwohl der eine viel und der andere wenig gesammelt hatte (Ex 16,16-18). Nach Ex 16,32-34 wurde im Heiligtum ein Krug mit einem Gomer Manna aufbewahrt, damit spätere Generationen sehen konnten, wie JHWH die Israeliten in der Wüste ernährt hatte. Die Pentateuchredaktion, die u.a. Ex 16,4.5 einfügte, betonte mit der Ankündigung JHWHs „ich will euch Brot vom Himmel regnen lassen“ (Ex 16,4) den übernatürlichen Charakter des Manna.

3) Jos 5. Nach dem Grundbestand von Jos 5,10-12, einem Stück im Stil der Priesterschrift (vgl. z.B. die Datierung in Jos 5,10), hörte das Manna an dem Tag auf, als die Israeliten im Land Kanaan (vgl. den Zusatz Ex 16,35b) in Gilgal das Passa feierten und von dem Ertrag des Landes ungesäuerte Brote und geröstete Getreidekörner aßen. Sie ernährten sich von ihnen, weil sie noch nicht über Sauerteig verfügten. Durch die Zusätze „am folgenden Tag des Passa“ in Jos 5,11 und „am folgenden Tag“ in Jos 5,12, die in der → Septuaginta fehlen, wurde später das Ende des Manna mit dem Mazzotfest in Beziehung gesetzt, das in exilisch-nachexilischer Zeit am 15.1. begann.

4) Dtn 8. Nach Dtn 8,16 hat JHWH Israel in der Wüste mit Manna gespeist, um es zu demütigen und zu prüfen. JHWH hatte mit dem Manna Israel geprüft, ob es bereit war, auf seine Fürsorge zu vertrauen. Diese Aussage wird in dem spätdeuteronomistischen Abschnitt Dtn 8,2-6 in Dtn 8,2f. interpretiert. Nach Dtn 8,2 demütigte und prüfte JHWH Israel während der 40 Jahre in der Wüste, ob es seine Gebote hält. Hier bezieht sich der Verfasser auf das Manna, da in Dtn 8,3 „demütigen“ aus V. 2 aufgenommen wird. Nach V. 3 wollte JHWH mit dem Manna Israel kundtun, dass der Mensch nicht nur vom Brot, sondern durch die Gebote JHWHs lebt. Sie sind hier mit „der Ausspruch (Ausgang) des Mundes JHWHs“ gemeint. Aus der Prüfung des Vertrauens auf JHWH in Dtn 8,16 wurde in Dtn 8,2f. die Prüfung, ob sich Israel an die für den Menschen lebensnotwendigen Gebote hält.

5) Ps 78; Ps 105; Neh 9. In Ps 78, in dem die Pentateuchredaktion vorausgesetzt wird, ist das Manna eine himmlische Speise, die Gott auf die Israeliten „regnen ließ“ (Ps 78,24, vgl. Ex 16,4). Da in Ps 78,24 „Manna“ mit „Himmelskorn“ aufgenommen wird, wird es in V. 25 mit den Worten „Brot von Starken“ als Nahrung der Engel bezeichnet (so sachlich richtig LXX: „Brot von Engeln“). Auch in Ps 105,40 ist das Manna wahrscheinlich eine Himmelsspeise, da hier „Brot“ und „Himmel“ direkt miteinander verbunden sind. Dagegen wird in dem sehr späten Volksklagelied Neh 9,6ff. das Manna in Neh 9,15 „Brot vom Himmel“ genannt. Hier wird auf die Gabe des Manna in Ex 16 Bezug genommen. Dass JHWH nach Neh 9,20 den Israeliten trotz ihres Abfalls zum → Goldenen Kalb das Manna nicht versagte, bezieht sich auf Num 11. In Neh 9,15.20 werden – wie schon in Dtn 8,15f. – die Wachteln übergangen, außer dem Manna wird nur noch Wasser als Gabe Gottes erwähnt, weil in der Wüste Hunger und Durst das Leben gefährden.

Fazit: In den Manna-Texten wird somit eine Entwicklung sichtbar von dem Manna als Naturerscheinung, mit dem sich die Israeliten an Stelle von Produkten aus Getreide ernährten (Num 11,6-9), über das Manna als Wunder Gottes zur Versorgung der Israeliten (so meist) bis zum Manna als himmlische Speise, die Gott den Israeliten in der Wüste gewährte (Ps 78,23-25; Ps 105,40).

3. Das Manna im Neuen Testament

In Joh 6,30ff. wird Jesus als das vom Himmel gekommene Lebensbrot dem Manna gegenübergestellt, das die Väter aßen (Joh 6,31-33.49f.58). Nur Jesus ist das wahre Brot vom Himmel, weil er das ewige Leben gibt, während durch das Manna der Tod nicht überwunden wurde. Dagegen deutet Paulus in 1Kor 10,3f. das Manna als „geistliche Speise“ und das Wasser aus dem Felsen (Ex 17,1bff.) als „geistlichen Trank“. Sie sind hier eine Analogie zum Abendmahl. In Apk 2,17 wird dem Überwinder verheißen, dass ihm Christus von dem verborgenen Manna geben wird. Hier wird die Vorstellung von dem Manna als Himmelsspeise aufgegriffen. Die Beschreibung des irdischen Heiligtums in Hebr 9 bezieht sich in Hebr 9,4b auf Ex 16,33f. Dass das Manna in einem goldenen Krug aufbewahrt wurde, geht auf Ex 16,33LXX zurück. Die Auffassung, dass er in der Lade war, ist sonst nicht belegt.

Literaturverzeichnis

  • Feliks, J., 1964, Art. Manna, in: Biblisch-historisches Handwörterbuch, Bd. 2, Göttingen 1964, 1141-1143
  • Maiberger, P., 1983, Das Manna (ÄAT 6), Bamberg
  • Perlitt, L., 1994 (1981), Wovon der Mensch lebt (Dtn 8,3b), in: ders., Deuteronomium- Studien (FAT 8), Tübingen, 74-96
  • Ruprecht, E., 1974, Stellung und Bedeutung der Erzählung vom Mannawunder (Ex 16) im Aufbau der Priesterschrift, ZAW 86, 269-307
  • Schmidt, L., 2007, Die Priesterschrift in Exodus 16, ZAW 119, 483-498

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