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Maleachi / Maleachibuch

Andere Schreibweise: Malachi; Malachias

(erstellt: November 2007)

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1. Name

Den in Mal 1,1 enthaltenen Ausdruck מלאכי mal’ākhî kann man als Eigennamen oder als Titel „mein Bote“ (die → Septuaginta hat „sein Engel“) verstehen. Bereits ein Vorratskrughenkel aus Arad (7. Jh. v. Chr.; Ostrakon 97; Aharoni; HAE I/1, 305f.) belegt aber mit der eingeritzten Eigentumsbezeichnung ml’kj den Gebrauch als Eigennamen für eine Person. Wegen der Bruchkanten bleibt offen, ob hier die Kurz- oder die Langform ml’kjh gestanden hat. Als Vertrauensname dürfte er „mein (schützender) Engel (ist JHWH)“ bedeuten. Wie die Überschriftgestaltung in Mal 1,1 zeigt, ist eine Prophetengestalt gemeint.

Der Ausdruck מלאכי mal’ākhî begegnet auch in Mal 3,1a und wird dort als Titel gebraucht. Er bezeichnet den (himmlischen) Bundesboten, der im Eschaton die levitische Priesterschaft reinigen wird (Mal 3,1b.2.3f.). Durch die Überschrift wird der „endzeitliche Bote“ von Mal 3,1a als prophetische Gestalt gedeutet. Dadurch entsteht eine Angleichung von irdischer und himmlischer Gestalt, prophetischen und priesterlichen Funktionen sowie der Begriffe mal’ākh „Bote / Engel“ und nāvî’ „Prophet“. Maleachi markiert damit konzeptionell das Ende der Prophetie in Israel.

Ob die Maleachi-Schrift tatsächlich auf eine Person dieses Namens zurückgeht, entzieht sich aufgrund fehlender Belege gesichertem Wissen. In Überschriften bzw. Einleitungen von Prophetenbüchern und Prophetenschriften vorkommende Angaben zu Zeit und Ort, Herkunft oder Näherbestimmung eines Propheten, z.B. der Vatername, fehlen hier. Auch unterbleibt im folgenden Text jede Ich-Rede des Propheten; nur im „wir“ von Mal 2,10 scheint er inbegriffen zu sein.

2. Stellung der Schrift im Zwölfprophetenbuch

Die Maleachi-Schrift hat im → Zwölfprophetenbuch die Abschlussposition inne. Das belegen schon die ältesten Handschriftenfunde in → Qumran (4QXIIa-g; etwa zwischen 150 und 25 v. Chr.) und im Wādī Murabba‘āt (Mur 88; etwa zwischen 50 und 100 n. Chr.). Allerdings gibt es eine Ausnahme: In der stark zerstörten Rolle 4QXIIa dürfte nach Maleachi noch Jona gefolgt sein (Fuller).

Schwerlich aufrecht erhalten lässt sich die wiederholt vertretene Ansicht, Maleachi sei – wie es die Doppelung der beiden Gattungsbegriffe maśśā’ „Ausspruch“ und dəvar JHWH „das Wort JHWHs“ in Mal 1,1 und in derselben Reihenfolge in Sach 9,1 und Sach 12,1 nahelege – lediglich einer von drei Protosacharja-Anhängen, der nachträglich verselbstständigt worden sei, um 12 Schriften zu erhalten (Steck). Dabei wird übersehen, dass Mal 1,1 beide Gattungsbegriffe mit der für eine Überschrift von Prophetenbuch oder Prophetenschrift konstitutiven namentlichen Nennung einer intendierten Prophetengestalt verbindet, Sach 9,1 und Sach 12,1 dagegen nicht. Vielmehr handelt es sich von Anfang an um eine eigenständige Prophetenschrift mit singulärer literarischer Gestaltung und eigenem theologischen Profil, die mit ihren die konkrete Praxis eines Tora-gemäßen Lebens betreffenden Diskussionen ein Gegengewicht gegen die von eschatologischer Naherwartung geprägten Kapitel Sach 9-14 bilden soll (Schart).

3. Inhalt und literarische Eigenart

Die nur 55 Verse umfassende Maleachi-Schrift stellt aufgrund ihrer formalen Gestaltung innerhalb des Alten Testaments ein einzigartig gestaltetes Stück Literatur dar. Abgesehen von der redaktionellen Überschrift Mal 1,1 und den ebenfalls redaktionellen Nachworten Mal 3,22.23f. prägen sechs im Wesentlichen gleich strukturierte → „Diskussionsworte“ (Boecker) den gesamten Textbestand:

Grundschicht

I: Mal 1,2-5 – JHWHs Liebe zu Israel;

II: Mal 1,6-2,9* – unzureichende JHWH-Verehrung (das Fehlverhalten der Priester);

III: Mal 2,10-16* – JHWHs Widerwillen gegen Treulosigkeit (mit Ehescheidungsproblematik);

IV: Mal 2,17-3,5* – der Gott des Rechts wird erscheinen (eine Zusage angesichts des Ausbleibens des Heils);

V: Mal 3,6-12 – JHWHs Unwandelbarkeit und Israel als Volk und Land des Wohlgefallens (Natur und Geschichte bedürfen unverkürzter Gottesverehrung);

Fortschreibung

VI: Mal 3,13-21* – Gerechtigkeit für alle und jeden (die Frevler werden gewiss bestraft werden).

Diese sechs Diskussionsworte geben keine echten Gespräche wieder, gehen auch kaum auf solche zurück, kalkulieren aber zu jeder Aussage von vornherein Widerspruch ein. Texte in ähnlicher Auseinandersetzungsliteratur beginnen meistens mit einer Menschen zuerkannten Behauptung oder These, die gewissermaßen das Thema vorgibt und aus der sich mittels Gegenthese die beabsichtigte Argumentation entwickelt. In Maleachi hingegen weist jedes der Diskussionsworte als erstes regelmäßiges Strukturelement mindestens eine Feststellung auf, die als göttliche oder prophetische Rede das Thema aufwirft.

Die vier konstitutiven Strukturelemente sind:

I Feststellung(en),

II Einrede(n) bzw. Widerspruch/-sprüche der Adressaten,

III Entfaltung der Feststellung(en),

IV Folgerung(en).

Außerdem geht der Feststellung mehrmals ein theologischer Vorspruch voraus, der mit der Vaterschaft (Mal 1,6a.bα; Mal 2,10a) bzw. Unwandelbarkeit Gottes gegenüber den Seinen (Mal 3,6a) sowie in Mal 1,11 mit der kultischen Verehrung des JHWH-Namens überall unter den Fremdvölkern wichtige theologische Themen unmittelbar voranstellt und die nachfolgende Feststellung sowie deren Entfaltung weiter verstärkt (Meinhold, 1993).

4. Entstehung

Die genaue Rekonstruktion der Entstehung der Maleachi-Schrift ist mit vielen textlichen (besonders beeinträchtigt ist der Text von Mal 2,10-16) und grammatikalischen Unsicherheiten belastet.

4.1. Grundschicht

Vergleichsweise am sichersten ist noch die älteste Schicht zu bestimmen, die eine Sammlung von fünf Diskussionsworten umfasste. Deren ursprüngliche Gestalt lässt sich ermitteln, wenn man davon ausgeht, dass alle Worte ursprünglich den gleichen Aufbau hatten. Demnach umfasste die Grundschicht die folgenden Worte: I: Mal 1,2-5; II: Mal 1,6-8a; Mal 2,1.9a; III: Mal 2,10.14-16; IV: Mal 2,17; Mal 3,1a.5; V: Mal 3,6-12.

4.2. Fortschreibungen

Die verschiedenen Zufügungen zu einzelnen Worten sind sehr stark auf ihren jeweiligen Kontext bezogen, so dass es schwierig ist, sie bestimmten Schichten zuzuweisen. Gut erkennbar ist, dass die Zukunftserwartung der Grundschicht mit der → Tag-JHWHs-Erwartung des vorangehenden Mehrprophetenbuchs identifiziert wurde. Die dreiteilige Passage Mal 3,1b.2.3f. enthält eine deutliche Anspielung auf die → Joel-Schrift (Mal 3,2a // Jo 2,11b). Die Tag-JHWHs-Konzeption prägt aber auch die Fortschreibung Mal 3,13-21. Dieses Diskussionswort führt die Thematik „Gerechte und Frevler“ von Mal 2,17-3,5 weiter. Es wird nun detailliert dargelegt, wie JHWH die Gerechten von den Frevlern trennen und die Letzteren vernichten wird, so dass die Gerechten endlich mit eigenen Augen den Lohn ihres Tora-gemäßen Verhaltens sehen werden.

Eine ganz andere Thematik führt der einem Diskussionswort nachgebildete Abschnitt Mal 1,11-13 ein, der die Spitzenaussage enthält, dass „an jedem Ort dem Namen JHWHs eine reine Opfergabe dargebracht wird“ (Mal 1,11b). Wie das genau gemeint ist, wird vermutlich bewusst offen gelassen. Vier Erklärungsweisen werden diskutiert (Meinhold, 2006, 130-133): Erstens könnte an eine in der Gegenwart bereits bestehende allgemeine Respektierung des höchsten Gottes durch die Fremdvölker gedacht sein. Zweitens könnte die JHWH-Verehrung durch Proselyten oder – drittens – durch Diasporajuden im Blick sein. Die vierte Möglichkeit wäre, dass gar keine Aussage über die Gegenwart, sondern über die im Eschaton zu JHWH bekehrten Fremdvölker gemacht werden soll. Was auch immer damit gemeint gewesen sein mag, Mal 1,11 gehört deutlich in einen thematisch-sachlichen Zusammenhang mit Zef 2,11 und Jes 19,18-25 (vgl. Irsigler, 277-280).

Die letzten Nachträge sind die beiden Nachworte zur Mose-Tora (Mal 3,22) und zur Elia-Sendung (Mal 3,23f.), wobei Letzterer erneut eine Tag-JHWHs-Wendung aus Joel zitiert (Mal 3,23 // Jo 3,4).

5. Theologisches Denksystem

5.1. Der Tempel als Zentrum der Welt

Grundlegend für Maleachi ist die allgemein altorientalische Sicht einer aus mehreren Großbereichen bestehenden Welt, als deren Zentrum im Grunde der Heilige Hügel galt, in dem sich die beiden angenommenen Weltachsen, die kosmologisch-vertikale und die kosmologisch-horizontale, schnitten (Pongratz-Leisten, Abb. 5; → Weltbild). Für altisraelitische Verhältnisse ist im Achsenschnittpunkt der Tempel mit dem irdischen Thronsitz JHWHs – als Pendant des himmlischen – anzunehmen; von dort gingen Lebensströme aus (Keel, Abb. 13). Für das Funktionieren von Welt und Leben erschien ein intaktes Beziehungs- und Kommunikationsgefüge wechselseitiger Gaben- und Geschenkkultur zwischen der göttlichen und der menschlichen Seite notwendig. Als do ut des („ich gebe, damit du gibst“) wäre das Ganze missverstanden, weil auf die grundlegenden göttlichen Ermöglichungen von Leben und Gemeinschaft von Seiten des Menschen lediglich geantwortet zu werden vermag.

5.2. Die Liebe JHWHs

Programmatisch stellt Maleachi an erster Stelle JHWHs Liebe zu Jakob / Israel heraus (Mal 1,2a) und erläutert diese in Kontrast zu → Edom. Die → Liebe JHWHs bildet die Basis für die angestrebten Problemlösungen und prägt zugleich die beiden Vorstellungskomplexe, die hervorgehoben in Vorsprüchen oder sonst ganz am Beginn von Diskussionsworten begegnen: JHWHs Vaterschaft und der „Bund“ (bərît).

Mal 2,10a erkennt allen Judäerinnen und Judäern – gleichgültig, ob Opfer oder Untäter – die eine Vaterschaft JHWHs als Schöpfer zu und gewinnt daraus ein Argument gegen Treulosigkeit. Mal 1,6 zieht die Priester als unehrerbietige Söhne zur Rechenschaft, während nicht näher bestimmten Gott-Dienenden im nachgebildeten VI. Diskussionswort eine rücksichtsvolle Sohnesbehandlung in Aussicht gestellt wird (Mal 3,17b).

Mit dem Väter-Bund wird in Mal 2,10b der Sinai-Bund mit den speziellen eherechtlichen Bestimmungen gemeint sein (→ Bund), gegen die judäische Männer durch Unrecht an ihrer judäischen Ehefrau verstießen. Von den Erweiterungen argumentiert Mal 2,4b-6.8 mit einem Levi-Bund und Mal 3,1b mit einem vermutlich levitisch-priesterlich aufzufassenden Bundesboten.

5.3. Gottesfurcht als Antwort des Menschen

Dem Erweis der Liebe JHWHs ist menschlicherseits mit Hingabe an Gott in materieller (Opfer, Abgaben) und immaterieller Form (Dankerstattung, gemeinschaftsgemäßes Verhalten, Gebete, das Tun des Rechten u.ä.) zu entsprechen. Von zentraler Bedeutung ist der Begriff „Furcht“ bzw. „Gottesfurcht“ (Mal 1,6b; Mal 2,5f.; Mal 3,5b.16.20a). Maleachi legt großen Wert darauf, dass diese Gottesfurcht sich in der Erfüllung fest formulierter kultischer und ethischer Normen erweist. Zwar begegnet der Begriff „Tora“ nicht in den Grundformen der Diskussionsworte, sondern erst in den Erweiterungen zu Levi-Bund und priesterlicher JHWH-Botenschaft (Mal 2,6-9b) sowie in Mal 3,22, der Aufweis kultischer und sozialethischer Verfehlungen setzt allerdings implizit eine rechtsverbindliche Fassung der in Frage stehenden Normen voraus.

5.4. Kosmisch-universale Bedeutung der Gottesfurcht

Die Funktionsweise des Beziehungs- und Kommunikationsgefüges als durch die Tora geregeltes wechselseitiges Beschenken veranschaulicht am klarsten Mal 3,6-12. Falls JHWHs Großgeschöpfe – Himmel, Erde und Meer – nicht an ihrer Bestimmung gehindert werden, entfalten sie lebensfördernde Wirkungen: Niederschläge fallen zur rechten Zeit und im richtigen Maß (Mal 3,10b); Pflanzenschädlinge, die Vertreter der Anti-Ordnung, werden ausgegrenzt und verbannt (Mal 3,11); die Fremdvölker wenden sich heilvoll Israel zu (Mal 3,12). Jedoch wird in Mal 3,7a.8f. festgestellt, dass Israel JHWH die gebührende Ehre vorenthält, was sich in materieller Hinsicht darin ausdrückt, dass am Zehnten gespart wird. Wegen Fehlverhaltens steht das Land folglich unter dem Fluch (Mal 3,9). Damit das Lebensgefüge im Lot und die göttliche Zuwendung unverkürzt bleiben können, müsste Israel von seiner langen Verfehlungsgeschichte umkehren (Mal 3,6b.7; vgl. Marx, 136-138.140f.).

5.5. Eschatologie

Bereits die Grundschicht rechnet mit einem nahe bevorstehenden, das Ergehen wendenden Eingreifen JHWHs (Mal 1,5; Mal 3,5.10-12), obgleich die Erwartung eines wegbereitenden Vorläuferboten vor Gottes eigenem Kommen (Mal 3,1a.5) schon auf einen Zeitverzug hindeutet (→ Eschatologie). Der Ergänzer, der Mal 3,1b-4 einfügte, identifizierte die Erwartung der Grundschicht mit der Tag-JHWHs-Konzeption (Meinhold, 2006, 355f.). Das als Fortschreibung aufzufassende Diskussionswort Mal 3,13-21 liefert ein Konzept zur endgültigen Lösung der Problematik Gerechter – Frevler. Mittels einer Gedenkschrift (Mal 3,16b) wird es zu einer endgültigen Trennung der einen von den anderen kommen, so dass die einen als Gottes »persönliches Eigentum« (Mal 3,17a.20.21aα) bewahrt bleiben, wohingegen die anderen der Vernichtung anheim fallen (Mal 3,19.21a). Im Eschaton wird die Leviten-Priesterschaft geläutert werden (Mal 3,3f.), so dass der Kult in ungetrübter Kommunikation mit JHWH durchgeführt werden kann. Noch darüber hinaus scheint die vieldeutige Formulierung von Mal 1,11 zu gehen, die wohl den Fremdvölkern die Beteiligung am Opfergabendienst für JHWH und damit am Gemeinschafts- und Kommunikationssystem einräumt, vermutlich aber erst, nachdem sie die Königsherrschaft JHWHs anerkannt haben, was spätestens am Ende der Tage erfolgen wird. Am Ende werden sich auch alle Vorwürfe auflösen, die in der Gegenwart Gott zur Last gelegt werden (Mal 2,17-3,5; Mal 3,13-21). Dann wird man auch das Gericht an den Frevlern und die Rechtfertigung der Gottesfürchtigen sehen (Mal 3,18-21). Solange die Zukunft aber aussteht, bleibt das auf Gabe und Gegengabe beruhende Gemeinschafts- und Kommunikationssystem durch Gegenerfahrungen angefochten. Solange wird es auch nicht gelingen, JHWHs Gerechtigkeit den Gottlosen zu demonstrieren.

6. Historische Verortungen

6.1. Grundschicht

Die Grundschicht nennt „Israel“ auch „Jakob“ bzw. „Jakobsöhne“, was in vorchronistische Zeit führt. Mal 3,10a und erste Erweiterungen setzen das Funktionieren des Zweiten Tempels voraus (Mal 1,10a; Mal 3,1b) und sind somit nach 515 v. Chr. anzusetzen. Die vorausgesetzte Nachlässigkeit bei der Erfüllung kultischer Belange (Mal 1,6-2,9; Mal 3,6-12) könnte auf einen gewissen Abstand von der Tempelwiederweihe und auf eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation im 5. Jh. hinweisen.

Die bereits am Ende des 6. Jh.s angespannte Lage (vgl. Hag 1,5-7.9-11; Hag 2,3.15-19) wurde durch das doppelte, staatlich-achämenidische und lokal-kultische Besteuerungssystem in persischer Zeit sowie agrarische Katastrophen (vgl. auch Mal 3,9-11) weiter zugespitzt (Meinhold, 2006, 110.299f.). Hinzu kamen unrechtmäßige Bereicherungsarten wie Unterdrückung, Falschschwur (Mal 3,5) und Hinterziehung von Opfer- und Zehnt-Abgaben (Mal 1,14a; Mal 2,9b; Mal 3,6-9). In dieser Situation lässt sich die Enttäuschung und das Aufbegehren gegen JHWH verstehen, der es anscheinend den Rücksichtslosen wohlergehen ließ (Mal 2,17b; vgl. Mal 3,15) und Heilsansagen der Propheten → Haggai und → Sacharja, die diese mit dem Wiederaufbau des Tempels verknüpft hatten (Hag 2,6-9; vgl. Hag 2,21f.; Sach 1,8-17; Sach 4,1-6aα.10b-14; Sach 6,1-8; Sach 8,9-13), nicht erfüllte.

Der in Mal 1,4a enthaltene Hinweis auf den „Untergang“ Edoms als unwiderrufliche Verwerfung durch JHWH dürfte etwa aus der Mitte des 5. Jh.s stammen. Zwar verließen die Edomiter – auf Grund von Infiltration durch westwärts drängende Nabatäer – ihr angestammtes Gebiet, wichen in den Negev aus und gingen allmählich in den Nabatäern auf, aber daraus bildete sich Anfang des 4. Jh.s südlich von Jehud (→ Juda, Provinz) Idumäa, das sich als Bedrohung erwies.

Die Erwähnung eines Statthalters (Mal 1,8b) bietet zwar keinen sicheren Anhaltspunkt, aber das Vorkommen des Titels „Statthalter“ in Keilschrift auf der ins Jahr 486 v. Chr. datierten Tontafel BM 74554 legt nahe, dass schon vor Nehemia Statthalter in Jehud eingesetzt wurden (wie Neh 5,15). Und da die in Mal 2,11-13 im Hintergrund stehende Mischehenfrage ebenfalls vor Esra / Nehemia zu verorten sein dürfte (zu den Gründen s. Meinhold, 2006, 195-197), deutet für die Grundschicht alles auf eine Entstehungszeit in der 1. Hälfte des 5. Jh.s hin. Sprachliche Gründe und sachliche Berührungen mit Spr 1-9 sprechen ebenfalls für diesen Zeitraum (vgl. Camp, 237; Hill, 82-84).

6.2. Fortschreibungen

Trotz Unsicherheit im Einzelnen sind für die Erweiterungen bzw. Fortschreibungen Mal 3,1b-4; Mal 3,13-21; Mal 1,11-13.14b; Mal 3,22.23f. lediglich viel spätere Einordnungen wahrscheinlich.

Da der dreiteilige Einschub Mal 3,1b.2.3f. sowohl das fortgeschriebene II. Diskussionswort (noch ohne Mal 1,11-13.14b) als auch wegen des Bezugs auf Jo 2,11b in Mal 3,2a die Joel-Schrift voraussetzt, wird für Mal 3,1b-4 wohl eine Zeit um die Mitte des 4. Jh.s anzunehmen sein.

Die Fortschreibung von Mal 2,17-3,5 in Mal 3,13-21 individualisiert die Problematik Gerechter – Frevler. Sie nimmt eventuell auf Sach 14,6-8 Bezug und passt am ehesten in die Zeit vom Ende des 4. bis gegen Mitte des 3. Jh.s.

Mal 1,11 gehört zusammen mit den Stellen Zef 2,11 und Jes 19,18-25 vielleicht an das Ende der Perserzeit.

Die beiden Nachworte Mal 3,22 und Mal 3,23f., wobei Mal 3,22 wohl etwas jünger als das wenig ältere Nachwort Mal 3,23f. ist, bilden die spätesten Bestandteile der Maleachi-Schrift. Sie schließen vermutlich nicht nur das Zwölfprophetenbuch, sondern darüber hinaus den Kanonteil Propheten ab (→ Kanon). Für sie kommt vielleicht die zweite Hälfte des 3. Jh.s in Frage.

7. Zur Auslegungsgeschichte

Die breiteste Wirkung entfaltete das zugesagte Wiederkommen des Propheten Elia als Vorläufer des endzeitlichen eigenen Erscheinens Gottes (Mal 3,23a.24; vgl. Mal 3,1a.5; → Elia) bzw. des → Tages JHWHs (Mal 3,23b). Bereits die hebräischen Sir-Fragmente haben an diese dem Sterben enthobene Elia-Figur angeknüpft (SirB 48,1-15). Insbesondere wird Elias Ausgleich schaffende Tätigkeit am Ende der Tage (Mal 3,24a) in SirB 48,10 aufgegriffen. Als Vorläufer des Messias taucht Elia jedoch erst und bislang am frühesten nachweisbar im Neuen Testament auf (vgl. Mk 9,11-13).

Paulus zitiert Mal 1,2f. in Röm 9,13. Er weitet den menschlicherseits durch nichts bedingten göttlichen Liebeserweis gegenüber Israel auch auf die christliche Gemeinde aus.

Bedeutsam wurde die in Mal 1,11 enthaltene Vorstellung, dass JHWH auch außerhalb Israels, unter den Fremdvölkern, reine Opfergaben dargebracht werden. Bereits innerhalb der frühen Christenheit des 2. Jh.s wurde die im sonntäglichen Gottesdienst vollzogene Eucharistie als „reines Opfer“ verstanden (vgl. Didache 14,1-3; Bibliothek der Kirchenväter). Während der 3. Periode des Konzils von Trient wurde Mal 1,11 am 17.09.1562 benutzt, um das römisch-katholische Messopfer als die „reine Opfergabe“ biblisch zu begründen.

Der in Mal 1,12 erwähnte „Tisch des Herrn“ wurde von Paulus (1Kor 10,21) auf das christliche Abendmahl appliziert. In der Folge blieb für die christliche Altararchitektur die Tischform als mensa Domini die Regel.

Im Anschluss an die in Mal 3,20a erwähnte „Sonne (der) Gerechtigkeit“, die das im Alten Orient weitverbreitete Motiv der geflügelten Sonnenscheibe aufgreift, wurde in der Alten Kirche (ab dem frühen 3. Jh.) die Sonne zu einer gängigen Metapher für Christus. Diese Metaphorik brachte es mit sich, den Termin der Geburt Jesu auf den 25. Dezember festzulegen, den Tag, welchen Kaiser Aurelian (270-275 n. Chr.) zum Fest der Sonne bestimmt hatte (Beckmann). Viele Bilder, die die Auferstehung Christi darstellen, beinhalten eine große strahlende Sonne. Ein bekanntes Beispiel bietet der Isenheimer Altar von Matthias Grünewald. Christian David (1692-1751) inspirierte die „Sonne der Gerechtigkeit“ zu dem gleichnamigen Kirchenlied (EG 263).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Aufl., Tübingen 1957-1965
  • Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York 1977-2004
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
  • Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (im Internet)

2. Kommentare

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  • Bulmerincq, A. von, 1932, Kommentar zum Buche des Propheten Maleachi, Tartu
  • Hill, A.E., 1998, Malachi: A new translation with introduction and commentary (AncB 25D), New York
  • Meinhold, A., 2006, Maleachi (BK XIV/8), Neukirchen-Vluyn
  • Reventlow, H. Graf, 1993, Die Propheten Haggai, Sacharja und Maleachi (ATD 25/2), Göttingen
  • Rudolph, W., 1976, Haggai – Sacharja – Maleachi (KAT XIII/4), Gütersloh
  • Willi-Plein, I., 2007, Haggai – Sacharja – Maleachi (ZBK.AT 24/3), Zürich

3. Weitere Literatur

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  • Camp, C.V., 1985, Wisdom and the Feminine in the Book of Proverbs (BiLiSe 11), Sheffield
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  • Hieke, T., 2006, Kult und Ethos. Die Verschmelzung von rechtem Gottesdienst und gerechtem Handeln im Lesevorgang der Maleachischrift (SBS 208), Stuttgart
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  • Kessler, R., 2004, Die Theologie der Gabe bei Maleachi, in: F. Hossfeld / L. Schwienhorst-Schönberger (Hgg.), Das Manna fällt auch heute noch. Beiträge zur Geschichte und Theologie des Alten, Ersten Testaments (FS E. Zenger; HBiS 44), Freiburg, 392-407
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  • Lescow, T., 1993, Das Buch Maleachi. Texttheorie – Auslegung – Kanontheorie (AzTh 75), Stuttgart
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  • Pfeiffer, E., 1959, Die Disputationsworte im Buche Maleachi, EvTh 19, 546-568
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  • Willi, T., 1995, Juda – Jehud – Israel. Studien zum Selbstverständnis des Judentums in persischer Zeit (FAT 12), Tübingen

Abbildungsverzeichnis

  • Der Prophet Maleachi (Duccio di Buoninsegna; 1308-1311).
  • Auferstehung Christi (Matthias Grünewald; um 1510).

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