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Landverteilung

(erstellt: Dezember 2007)

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1. Alttestamentliche Überlieferung

Der Begriff Landverteilung bezieht sich der Sache nach auf die Verteilung der palästinischen sowie ostjordanischen Gebiete an die Stämme Israels während bzw. nach der Landnahme. Über sie wird im Alten Testament in Num 32; Num 33,50-56; Num 34-35, Dtn 3,12-20 sowie vor allem in Jos 13-19.20-22 berichtet. Darüber hinaus wird im Verfassungsentwurf des Ezechielbuches die Landverteilung der Exilsheimkehrer geregelt (Ez 47,13-48,29).

Nach Jos 13-19 (→ Josua / Josuabuch) erfolgt die Vergabe des Landes aufgrund eines göttlichen Befehls an Josua, auch das noch nicht eroberte Land zu verteilen (Jos 13,1-7). Sodann wird die bereits in Num 32 durch → Mose vorgenommene und somit legitimierte Landverteilung an die ostjordanischen Stämme Ruben, Gad und den halben Stamm Manasse (Jos 13,8-33) wiederholt, an die sich die Auflistung im Josuabuch trotz einiger Varianten auch literarisch anlehnt. In Jos 14 erfolgt nach einer Einleitung (Jos 14,1-5) zunächst die Landverteilung an → Kaleb (Jos 14,6-15; auch Jos 15,13-19), in Jos 15 sodann die an Juda sowie an die Josefsstämme Ephraim und Manasse (Jos 16-17), in deren Siedlungsraum von Josua zudem Rodungsmaßnahmen zur Gewinnung weiterer bewohnbarer Gebiete angeordnet werden (Jos 17,14-18). Jos 18-19 setzt mit einer Versammlung der Israeliten in → Silo und der Errichtung des Versammlungszeltes erneut ein (Jos 18,1-10) und berichtet über die Landverteilung an die verbleibenden sieben Stämme: Benjamin (Jos 18,11-28), Simeon (Jos 19,1-9), Sebulon (Jos 19,10-16), Issaschar (Jos 19,17-23), Ascher (Jos 19,24-31), Naftali (Jos 19,32-39) und Dan (Jos 19,40-48). Mit der Nennung des Besitzes Josuas wird das Kapitel zu Ende geführt (Jos 19,49-51). Vor der abschließenden Bewertung der Landnahme (Jos 21,43-45) werden → Asyl- (Jos 20) und → Levitenstädte (Jos 21) festgelegt.

Am Ende des Verfassungsentwurfs Ez 40-48 (→ Ezechiel / Ezechielbuch) werden in Ez 47,13-23 die Grenzen des Landes bestimmt, das an die zwölf Stämme Israels verteilt werden soll. Das Gebiet umfasst nur das Westjordanland, allerdings einschließlich der Philistergebiete sowie Teile der phönizischen Küste. Das eigentliche Landverteilungsprogramm der zwölf Stämme wird dann in Ez 48,1-29 im Nord-Süd-Gefälle stark schematisiert und somit um Gleichbehandlung aller Stämme bemüht vorgestellt; es beinhaltet in Ez 48,8-23 zudem die Beschreibung eines 13. Landanteils, in dem das Heiligtum liegt, um das in abgestuften Heiligkeitsgraden das Gebiet der Priester, Leviten, der Stadt und des Fürsten angeordnet sind.

2. Literarische Entstehung und historische Voraussetzungen der Überlieferung

2.1. Hexateuch

Die Konzeption der Landverteilung ist in den Büchern → Numeri und Josua insgesamt ein rein literarischer Entwurf, der mit hoher Wahrscheinlichkeit erst aus nachexilischer Zeit stammt. Quellen, die über realhistorische Abläufe einer Landverteilung in vorstaatlicher Zeit im Anschluss an eine wie auch immer aufzufassende Landnahme Auskunft geben könnten, sind in Num 32; Num 34-35; Dtn 3* und Jos 13-19 nicht erhalten. Allerdings kann aufgrund der literarischen Heterogenität der Texte durchaus mit der Rezeption vorexilischen Materials gerechnet werden, das aber erst aus der (späten) Königszeit stammen dürfte.

In der Forschungsgeschichte der letzten 130 Jahre sind verschiedene Modelle zur Textgenese diskutiert worden. Zum einen wurde im Wirkungskreis der Neueren Urkundenhypothese (→ Pentateuchforschung) Jos 13-19.20-22 zumindest in tragenden Teilen der → Priesterschrift (P) zugewiesen (→ Wellhausen, → Mowinckel, Lohfink u.a.), und zwar sowohl der Priestergrundschrift (PG) als auch priesterschriftlichen Zusätzen (PS), die dann im Rückgriff auf PG in Num 34* gestaltet worden sein könnten. Insbesondere Jos 20-22* werden der Priesterschrift zugewiesen, aber auch Jos 14,1-5 und Jos 18,1; Jos 19,51, vor allem aufgrund des Rückbezugs auf Gen 1,28 und Gen 2,2.

Zum anderen wird im Kontext der These, es habe ein ursprünglich selbstständiges → Deuteronomistisches Geschichtswerk (DtrG) gegeben, auch für die Landverteilung deuteronomistischer (dtr.) Ursprung vermutet (→ Noth, Auld, Smend, Fritz), wobei – je nach Modell zur Entstehung des DtrG – mit verschiedenen dtr. Händen gerechnet wird (etwa DtrH, DtrN).

Beide Modelle setzen die Aufnahme älteren Materials voraus. Einen Syntheseversuch hat etwa Cortese vorgelegt, der eine priesterliche Bearbeitung (PS(S)), vordeuteronomistische sowie deuteronomistische Textschichten annimmt.

In neuerer Zeit wird demgegenüber zur Erklärung der Pentateuchgenese ausgehend vom Deuteronomium mit zwei Redaktionen gerechnet, einer Hexateuch- und einer Pentateuchredaktion (Achenbach, Otto). Für die nachdeuteronomistische Einfügung von Jos 13-19, die in Jos 13,1 als nachträglich hinzugefügte Vorwegnahme bereits Jos 23,1 sowie Num 32 voraussetzt, ist demnach der Hexateuchredaktor verantwortlich, wie insbesondere an der Hebron-Kaleb-Ätiologie Jos 14,6-15; Jos 15,13-19 gezeigt werden kann, die auf die bereits durch die Hexateuchredaktion erweiterte Kundschaftererzählung Num 13f. sowie Dtn 1,19-46 zurückgreift.

2.2. Vorexilische Grenzbeschreibungen und Ortslisten

Zu unterscheiden ist in Num 32*.34 und Jos 13-19* zunächst formgeschichtlich zwischen Grenzfixpunktbeschreibungen und Ortslisten. In Num 32,34-38; Jos 13,17-19 finden sich Ortslisten, in Num 34,7-12; Jos 13,16.20-27* Grenzfixpunktbeschreibungen. Von Juda ist in Jos 15,1-12 zunächst eine Grenzfixpunktbeschreibung überliefert, in Jos 15,20-63 folgt dann eine Ortsliste, die wiederum in zehn Bezirke unterteilt ist. Der Ortsliste Judas verwandt ist die Benjamins (Jos 18,21-28), die in zwei Bezirke unterteilt wird und der ebenfalls eine Grenzfixpunktbeschreibung (Jos 18,11-20) vorangeht. In Jos 16-17 (Josefstämme) gibt es nur Grenzfixpunktlisten. Bei den verbleibenden sechs galiläischen Stämmen (Jos 19,1-48) sind wahrscheinlich teilweise Ortslisten zu Grenzfixpunktbeschreibungen umgearbeitet worden.

Hinsichtlich der Frage nach der Herkunft der in Numeri und Josua verarbeiteten Quellen, d.h. vor allem der einzelnen verarbeiteten Listen, herrscht in der gelehrten Diskussion keine einheitliche Meinung vor. So datieren → Albrecht Alt und → Martin Noth die Grenzfixpunktbeschreibungen bereits in die vorstaatliche Zeit. Aber auch eine spätere zeitliche Ansetzung in die Zeit Davids – im Zusammenhang mit dem Bericht über die Volkszählung (2Sam 24,5ff.) – bis hin zur nachexilischen Zeit ist erwogen worden. Mit Blick auf die Ortslisten reichen die Vorschläge von der Regierung Davids über → Joschafat (868-847 v. Chr.), → Usija (773-736 v. Chr.), → Hiskia (725-697 v. Chr.) und → Josia (639-609 v. Chr.). Immerhin lässt sich vermuten, dass die Unterteilung der Ortslisten Judas (Jos 15,20-63) in zehn Bezirke und die Benjamins (Jos 18,21-28) in zwei Bezirke auf eine Verwaltungsmaßnahme in der Königszeit zurückgeht. Juda und Benjamin können demnach zusammen als ein in zwölf Bezirke unterteiltes Territorium aufgefasst werden, das frühestens nach der sog. Reichsteilung (926 v. Chr.) in dieser Form organisiert worden sein dürfte. Die genauere historische Einordnung der Listen Jos 19,1-48 (aus dem Nordreich?) bleibt unklar.

2.3. Ezechiel

Bei den Texten zur Landverteilung im Verfassungsentwurf des Ezechielbuches wird in Ez 47,13-23 eine Grenzfixpunktliste integriert (Ez 47,15-20), die die Nord-, Ost-, Süd- und Westgrenze des Westjordanlandes festlegt, allerdings das nach Stämmen gegliederte Israel nicht berücksichtigt, auf das im Rahmen Ez 47,13-14 alles Gewicht liegt. Die Grenzfixpunktliste berührt sich eng mit Num 34,3-12 sowie Jos 15,2-4, so dass zumindest damit zu rechnen ist, dass sie auf gemeinsame Traditionsbestände zurückgehen. Gegenüber der Grenzfixpunktliste literarisch sekundär, aber an dem Rahmen in Ez 47,13f. orientiert, ist die stark schematisierte Landverteilung an die zwölf Stämme in Ez 48. Die Stämmeabfolge ist an dieser Stelle ohne alttestamentliche Parallele.

Sowohl Ez 47,13f. als auch Ez 48,1-29* repräsentieren die spätnachexilische Perspektive der Diaspora, die die erneute Landverteilung angesichts des Sachverhalts anstrebt, dass das schon während des Exils nicht völlig entvölkerte Land bereits von mehreren Rückkehrergruppen wieder besiedelt ist. In Ez 48,1-29 wurde dann wiederum sekundär die sakrale Konzeption des 13. Landanteils (Ez 48,8-23*), der „Abgabe“ (trwmh, v.8; vgl. auch den jüngeren Text Ez 45,1-8), eingeschoben, der zwischen dem Gebiet Judas und Benjamins positioniert wird. In seiner Mitte liegt der hochheilige Tempel, gefolgt von den Priester- und den Levitengebieten. Die sich anschließende Stadt sowie das randständige Gebiet des Fürsten sind bereits als profan vorgestellt.

Literaturverzeichnis

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