Keniter
(erstellt: September 2007)
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1. Die Belege
Keniter (קֵינִי qēnī) kommen 12-mal in der hebräischen Bibel vor. Der Eigenname Kain (קַיִן qajin) erscheint 21-mal, davon 18-mal als Eigenname von Protagonisten der Urzeit (oder „Weltgründungszeit“), nämlich von Kain in Gen 4,1-16
1.1. Kain, der Stammvater der Keniter
Kain ist der Brudermörder (vgl. zu diesem Stereotyp im „Image der Nomaden“ auch Gen 16,11f
Dass der „Pastoralnomade“ Kain zum ersten Städtegründer wird (Gen 4,17
Dass ein mythischer Ahnherr nicht nur Völker, sondern auch Berufsgruppen als Nachkommen hat, setzt eine Gesellschaft voraus, in der „ethnische Arbeitsteilung“ herrscht, also z.B. Bauern andern „Stämmen“ oder „Völkern“ angehören als Viehzüchter oder Händler. Solche Verhältnisse lassen sich in Israel seit dem 8. Jh. v. Chr. nachweisen.
Die Blutrache, Kain von Gott zur Minimierung der Gewalt anvertraut (Wellhausen), pervertiert in der Generation seines Nachkommens Lamech zum Blutrausch (Gen 4,23-24
1.2. Zur Lokalisierung der Keniter
Die Etymologie wie die geographische Verteilung der Belege für den Stamm nähren die Vermutung, dass es sich bei den Kenitern um eine Gruppe von Nichtsesshaften handelte, die Viehzucht und Metallurgie betrieben.
Unspezifisch ist Gen 15,19
Die übrigen Belege finden die Keniter entweder (a) im Negev oder (b) in der Jesreel-Ebene.
a) Keniter im Negev. In 1Sam 27,10
Die Keniter wurden in Juda offensichtlich nie voll assimiliert. Bei den Orten Kina (Jos 15,22
1Chr 2,55
b) Keniter in der Jesreel-Ebene. Während die Keniter im Negev und am Rand des judäischen Siedlungsgebietes durchaus toponomastische Spuren hinterlassen haben (Wādī l-Qênî, s.o.), spielt im → Deborah-Lied
2. Sozialanthropologische Interpretationen
Scheidet man die im innerbiblischen Traditionsprozess entstandenen Belege für die Keniter (wie 1Sam 15,6
Alternativ könnte man von der Etymologie des Stammesnamens und von Gen 4,17-24
3. Korrespondierende archäologische Befunde
Kupferbergbau und -verhüttung durch nicht sesshafte (oder jedenfalls nicht völlig sesshafte) Gruppen (und jedenfalls niemals ganz ohne deren Beteiligung) ist vom 13. bis zum 10./9. Jh. v. Chr. sowohl für → Timna
Tel Masos war im 10. Jh. v. Chr. Zentralort eines bis in das Negev-Hochland ausstrahlenden Häuptlingtums (Finkelstein). Die Möglichkeit, das Häuptlingtum von Masos mit den biblischen Kenitern zu verbinden, hängt davon ab, ob man es vor (Herzog / Singer-Avitz) oder nach → Scheschonqs
4. Die Keniter-Hypothese
Die Keniter-Hypothese besagt, dass „Israel“ den Gott → JHWH
Gegen die Keniter-Hypothese spricht allerdings, dass der Stamm Juda vor David keinen Gott, sondern eine Göttin verehrt zu haben scheint, wie der Beiname Baalat („Herrin von“) Juda für → Kirjat-Jearim
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
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- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
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2. Weitere Literatur
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- Wellhausen, J., 1900, Ein Gemeinwesen ohne Obrigkeit. Rede zur Feier des Geburtstages Seiner Majestät des Kaisers und Königs am 27. Januar 1900 im Namen der Georg-August-Universität, Göttingen
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