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Andere Schreibweise: Eupolemus

(erstellt: September 2010)

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1. Person

Eupolemos (2. Jh. v. Chr.) ist, wenn man → Demetrios (Ende 3. Jh. v. Chr.) in erster Linie als Exegeten versteht, „der älteste jüdisch-hellenistische Historiker im genaueren Sinne des Wortes“ (Walter, 97). Von seinen Werken sind aber nur Fragmente erhalten, nämlich die Ausschnitte, die von Alexander Polyhistor (Mitte des 1. Jh. v. Chr.) in seiner Schrift „Über die Juden“ exzerpiert und später von Clemens von Alexandrien sowie → Euseb von Cäsarea aus Alexanders Werk zitiert worden sind.

Das in einem der Fragmente angegebene 5. Jahr des syrischen Königs Demetrius (→ Seleukiden) dürfte die Entstehungszeit des Werkes des Eupolemos angeben. Von späterer Hand wurde diese Angabe noch mit der ptolemäischen und der römischen Zeitrechnung synchronisiert, wobei jeweils vorausgesetzt wurde, dass es sich um Demetrius I. Soter (König 161/162-150 v. Chr.) handeln sollte. Je nachdem, ob Eupolemos dessen Regierungszeit von 162/161 v. Chr. oder erst von der Anerkennung seiner Herrschaft durch Rom, 161/160 oder 160/159 v. Chr., an berechnete, ergibt sich eine Entstehungszeit zwischen 158 und 155 v. Chr.

Neuerdings hat Clancy (2009) die ältere Ansicht von Graetz u.a. erneuert, dass es um Demetrius II. ginge, dessen fünftes Jahr (141 v. Chr.) wegen der Erlangung der jüdischen Unabhängigkeit von epochaler Bedeutung gewesen sei. Aber er muss komplizierte Zusatzannahmen machen, um die Angabe des „12. Jahres des Ptolemaios“ bei Clemens zu erklären, und übergeht völlig die Angaben zur römischen Chronologie. Auch bestreitet Clancy die Authentizität der (Clancy: angeblich) von Polyhistor referierten Fragmente 1-4 mit dem argumentum e silentio, dass Josephus von diesen keinen Gebrauch mache.

Zur Chronologie siehe auch den Exkurs unter 2.

Wahrscheinlich ist der Schriftsteller identisch mit dem Gesandten Eupolemos, Sohn des Johannes, des Sohnes des Akkos, der im Jahr 161 v. Chr. im Auftrag der → Makkabäer zusammen mit → Jason, dem Sohn Eleasars, nach Rom gesandt worden war, um einen Freundschaftsvertrag zu schließen (1Makk 8,17; vgl. 2Makk 4,11; Josephus, Antiquitates 12,415.419; Text gr. und lat. Autoren). Möglicherweise hat er auch eine Vita des → Judas Makkabäus geschrieben, die dem Verfasser des ersten Makkabäerbuches um 100 v. Chr. zur Vorlage diente (Schunck, 737; vgl. 1Makk 9,22; → Makkabäerbücher).

2. Werk

Die überlieferten Fragmente dürften, obwohl unter verschiedenen Titeln zitiert, alle zu Eupolemos’ Werk „Über die Könige in Judäa“ (Clemens, Stromateis I, 153,4; Bibliothek der Kirchenväter) gehört haben (Walter). In dessen Mittelpunkt steht der salomonische Tempelbau.

- Das erste der Fragmente (Euseb, Praeparatio evangelica IX, 26,1; Text Kirchenväter 3) handelt von → Mose als Kulturmittler, der den Juden die Buchstaben gegeben habe, die erst später zu den Phöniziern und von diesen zu den Griechen gelangt seien.

- Im zweiten und dritten Fragment (IX, 30,1-34,18; 34,20) geht es ausführlich um Salomos Königtum, wobei sich die Darstellung vor allem am Bericht der biblischen → Chronikbücher orientiert, aber auch neue Details hinzufügt. Die chronologische Einleitung ist nur unvollständig erhalten, da im Zitat auf die 40 und 30 Jahre unter Führung → Moses und → Josuas gleich die Zeit → Samuels und → Sauls, der 21 Jahre regiert habe, folgt (IX, 30,1-2). → Davids Eroberungen werden erwähnt (IX, 30,3-4), um zu begründen, warum erst → Salomo den → Tempel bauen durfte (vgl. 1Chr 22,6-10) und wie der im Folgenden beschriebene unermessliche Reichtum möglich war (IX, 30,5-6). Nur bei Eupolemos findet sich neben der Korrespondenz Salomos mit dem König von Tyrus (IX, 33,1-34,3; vgl. 1Kön 5,14-23 und 2Chr 2,2-15) auch ein von diesem Vorbild inspirierter Briefwechsel mit „Vaphres“, dem König von Ägypten (IX, 31-32), mit dem Salomo einen Friedensvertrag geschlossen habe (IX, 30,4). An die Briefwechsel schließt sich ein ausführlicher Tempelbaubericht an (IX, 34,4-18). Darin werden die Informationen der Vorlagen (1Kön 6-7 und 2Chr 3-4) u.a. mit Ex 25-31 harmonisiert, so erhalten z.B. die zehn Leuchter nach dem Vorbild der einen Menora von Ex 25 je sieben Lampen, sie seien zudem aus je einem Talent Gold gefertigt worden, während die monumentalen Keruben, die nach 1Kön 6 und 2Chr 3 im Allerheiligsten des salomonischen Tempels gestanden haben, gar nicht erwähnt werden.

Umstritten ist, ob und ggf. von welchen Büchern Eupolemos die griechische Übersetzung benutzte. Sicher ist, dass er Hebräisch verstand und für die → Königsbücher bzw. die → Chronik eine hebräische Textfassung benutzte (Wacholder).

- Das vierte Fragment (IX, 39,2-5) berichtet von Jeremia und der Wegführung Jerusalems und enthält u.a. die auch 2Makk 2,4-8 belegte Legende, Jeremia habe die Lade in Verwahrung genommen.

- Das fünfte Fragment ist nur bei Clemens überliefert (Stromateis I, 141,4-5) und für die Datierung des Eupolemos wichtig (s.o.). Von Adam bis zum 5. Jahr des Demetrius seien 5149 Jahre vergangen, davon 2580 Jahre seit dem Exodus.

Somit bilden Mose und die Gegenwart des Autors den chronologischen Rahmen des Werkes, in dessen Zentrum der Tempel Salomos, von seinem Bau bis zu seiner Zerstörung, steht.

Exkurs zur Chronologie. Die Zahl 2580 (in Fragment 5) wird in zahlreichen Ausgaben zu 1580 korrigiert (vgl. Walter, 95, Anm.7), was leidlich zur Septuaginta-Chronologie und zu → Demetrios passen könnte. Clancy nimmt dagegen, neben mehreren Überlieferungsfehlern, an, dass die Zahl 2480 hätte lauten sollen. Das würde zum Exodusdatum des Masoretischen Textes passen, wenn man für dieses (mit Clancy) das Jahr 2669 nach Adam (im Folgenden: n.A.) voraussetzt, denn 2669 n.A. + 2480 = 5149 n.A.

Es lohnt sich aber, von den tatsächlich handschriftlich überlieferten Zahlen 2580 und 5149 auszugehen. Für den Exodus ergibt sich dann das Jahr 2569 n.A. (2569 + 2580 = 5149). Diese Angabe hat Eupolemos wohl aus seinem Textstudium gewonnen; sie liegt im Rahmen der Daten, die nach dem Masoretischen Text (je nach Interpretation 2448 bis 2688 n.A.) oder nach anderen palästinischen Traditionen (Jubiläenbuch: 2411 n.A.; Samaritanus: ca. 2750 n.A.) möglich sind. Für Eupolemos war, wie die Rückbezüge im Tempelbaubericht in Fragment 2 (Euseb, Praeparatio evangelica IX, 34,7f.14f.; Text Kirchenväter 3) bezeugen, die Aufrichtung und Weihe des Zeltheiligtums besonders wichtig. Sie muss wegen Ex 40,1.17 ein Jahr nach dem Exodus datiert werden, also für Eupolemos in das Jahr 2570 n.A.

Hiervon ausgehend, hat er ohne Zweifel dem Jahr 5140 n.A., 2570 Jahre nach der Weihe des Zeltheiligtums im Jahr 2570 n.A., besondere Bedeutung zugemessen. Alles spricht dafür, dass Eupolemos seine Chronologie darauf ausgerichtet hat, die makkabäische Tempelweihe (Dezember 165 v. Chr.) in dieses Jahr 5140 n.A. zu datieren. Sein Werk hätte er im neunten Jahr danach geschrieben und datiert (5149 n.A.), also wohl, unter Berücksichtigung der komplexen chronologischen Angaben des ersten Makkabäerbuches, im Sommer 156 v. Chr.

Die ungewöhnlich große Zeitspanne für die Zeit nach dem Exodus, die zu den zahlreichen Konjekturen Anlass gegeben hat, war schlicht nötig, um die Wiederherstellung des Tempelkults 165 v. Chr. als epochales Datum mit der erstmaligen Aufrichtung und Weihe des Zeltheiligtums, ein Jahr nach dem Exodus, in eine Reihe stellen zu können.

3. Pseudo-Eupolemos (samaritanischer Anomymus)

Ein weiteres von → Euseb (wahrscheinlich ebenfalls aus Alexander Polyhistors Werk) unter dem Namen des Eupolemos zitiertes Fragment (Euseb, Praeparatio evangelica IX, 17,2-9) passt von Inhalt und Stil nicht zum sonstigen Werk des Eupolemos. Seit Freudenthal wird dessen Autor als samaritanischer Anonymus bezeichnet, weil → Melchisedek – nach Gen 14,18 „Priester des Höchsten Gottes“ und „König von Salem“ – darin als Priester des „Argarizin“ genannten Tempels bezeichnet wird (IX, 17,4-5). Die Lokalisierung Salems bei Sichem wäre zwar auch nach der LXX möglich (vgl. dort Gen 33,18 „Salem, die Stadt der Sichemiter“). Aber eine derartige Hervorhebung des samaritanischen Zentralheiligtums auf dem Berg → Garizim, sogar unter Weglassung des Namens „Salem“, ist bei Eupolemos, der den Salomonischen Tempelbau in Jerusalem ins Zentrum seines Geschichtswerks gestellt hat, nicht vorstellbar. Datiert wird das Werk des samaritanischen Anonymus meist auf die erste Hälfte des 2. Jh.s v. Chr.

In dem Fragment ist nach einer kurzen Erwähnung der Turmbaugeschichte vor allem von → Abrahams Wanderungen die Rede, gefolgt von dem Versuch, alle Weisheit letztlich auf → Henoch zurückzuführen, in freier Anknüpfung an die biblischen Erzählungen in Gen 11, Gen 14 und Gen 12 (→ Preisgabeerzählungen).

Der Verfasser kennt sowohl jüdische Henoch- und Abrahamlegenden, wie sie im aramäischen → Genesis-Apokryphon (vgl. auch das samaritanische Buch Asatir) bezeugt sind, als auch babylonisch-hellenistische Literatur (→ Berossos) und ist bestrebt, biblische, griechische und babylonische Überlieferung miteinander zu verbinden, um „die Einheit der Menschheit in ihrer Frühzeit durch Gleichsetzung ihrer alten Überlieferungen aufzuweisen“ (Walter, 139). Dabei wird insbesondere Abraham eine hervorragende Rolle im Kulturtransfer von Babylonien nach Phönizien und Ägypten zugeschrieben.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Der Neue Pauly, Stuttgart / Weimar 1996-2003
  • Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003

2. Weitere Literatur

  • Bartlett, J.R., 1985, Josephus, Aristeas, the Sibylline Oracles, Eupolemus (Cambridge Commentaries on Writings of the Jewish and Christian World 1/1), Cambridge
  • Briggs, R.A., 1999, Jewish temple imagery in the book of revelation (Studies in biblical literature 10), New York u.a.
  • Clancy, F., 2009, Eupolemus the Chronographer and 141 BCE, Scandinavian Journal of the Old Testament 23/2, 274-282
  • Delcor, M., 1988, La description du Temple de Salomon selon Eupolème et le Problème de ses sources, Revue de Qumran 13, 251-271
  • Freudenthal, J., 1874-1875, Alexander Polyhistor und die von ihm erhaltenen Reste jüdischer und samaritanischer Geschichtswerke, Hellenistische Studien I-II, Breslau
  • Graetz, H., 1905, Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart, Bd. 3, Geschichte der Judäer von dem Tode Juda Makkabis bis zum Untergange des judäischen Staates, Hälfte 2, 5. Aufl. Leipzig
  • Holladay, C.R., 1983, Fragments from Hellenistic Jewish Authors. Vol. I: Historians, Chico
  • Inowlocki, S., 2006, Eusebius and the Jewish authors. His citation technique in an apologetic context (Ancient Judaism and early Christianity, Vol. 64), Leiden
  • Rießler, P., 1928, Altjüdisches Schrifttum außerhalb der Bibel, Augsburg (deutsche Übersetzung)
  • Schunck, K.-D., 1954, Die Quellen des I. und II. Makkabäerbuches, Halle (Saale)
  • Schunck, K.-D., 1991, Art. Makkabäer / Makkabäerbücher, TRE 21, Berlin / New York, 736-745
  • Wacholder, B.Z., 1974, Eupolemus. A study of Judeo-Greek literature, Cincinatti u.a. (Standardwerk)
  • Walter, N., 1980, Fragmente jüdisch-hellenistischer Historiker, in: Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit, Bd.1: Historische und legendarische Erzählungen, Lfg.2, Gütersloh (deutsche Übersetzung und Kommentar)

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