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Bodenrecht (AT)

(erstellt: Juli 2008)

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1. Erbbesitz und überlieferte Bodenordnung

Der wichtigste Begriff für den Boden in rechtlicher Hinsicht ist der des „Erbbesitzes“ (nachǎlāh). Damit ist der Grundbesitz einer bäuerlichen Familie gemeint, den sie geerbt hat und selbst bebaut. Der Idee nach geht der → Erbbesitz auf die Landverteilung nach der → Landnahme zurück, wie im Buch → Josua geschildert. Ausgegangen wird davon, dass die Bodenanteile ungefähr gleiche Größe haben und ihre Familie ernähren können. Der Erhalt des Erbbesitzes ist eine selbstverständliche, durch die Tradition gegebene Pflicht. Wenn in der Erzählung von 1Kön 21 der Weinbergsbesitzer → Nabot sich weigert, seinen Boden dem König zu verkaufen (1Kön 21,3), kommt er dieser Pflicht nach. Dass er rechtlich am Verkauf gehindert wäre und der König ein anderes Bodenrecht vertrete, in dem Boden frei verkäuflich wäre, sagt der Text nicht. Es geht nicht um verschiedene Auffassungen vom Bodenrecht, sondern um die Frage, ob königliche Macht Grenzen hat. Dass die Könige sich mit Gewalt den Boden der Freien aneignen, ist ein geläufiger Topos antiköniglicher Polemik (vgl. neben 1Kön 21 auch 1Sam 8,14 und Ez 46,18).

2. Rechtliche Regelungen

Die Selbstverständlichkeit des Erbbesitzes als Grundlage des Lebens und Wirtschaftens der Freien wird in den Gesetzessammlungen zunächst einfach vorausgesetzt. So geht die Regelung des Schadensersatzes beim Weiden von Vieh auf fremden Feldern ganz selbstverständlich davon aus, das jeder weiß, welches das eigene und welches das Feld eines anderen ist (Ex 22,4). Das Verbot, Grenzsteine zu verrücken (Dtn 19,14; Dtn 27,17), ist die einzige rechtliche Bestimmung zur Sicherung des Erbbesitzes.

Landverlust aufgrund militärischer Niederlagen, Exilierungen und spätere Rückkehr von Exilierten verändern die Lage allerdings grundlegend. Jetzt werden rechtliche Regelungen notwendig, wie sie sich in Lev 25 finden. Auch sie gehen vom Erhalt des Erbbesitzes als höchstem Ziel aus: Boden soll nicht „für immer“ verkauft werden, was theologisch mit einem Eigentumsvorbehalt JHWHs am Boden begründet wird (Lev 25,23). Dies soll dadurch garantiert werden, dass im → Jobeljahr (also nach 50 Jahren) der Boden wieder an den ursprünglichen Eigentümer zurückfällt. Bei Verkäufen in der Zwischenzeit soll sich der Kaufpreis nach den Ernteerträgen richten (Lev 25,13-17). Bei Notverkäufen wird die Möglichkeit der → Lösung durch Verwandte eingeräumt (Lev 25,25-28). Ausgenommen von der Regelung sind nur Wohnhäuser in ummauerten Städten (Lev 25,29-34). Ergänzend unterscheidet Lev 27,22 bei der Frage der Weihung von Boden an den Tempel zwischen gekauftem Besitz und Erbbesitz. Den Vorgang der Lösung eines Grundstücks schildert Jer 32,6-15 anschaulich. Es handelt sich dabei um einen regelrechten Kaufakt, für den ein Preis zu zahlen und der vor Zeugen schriftlich zu beurkunden ist.

3. Frauen und Bodenrecht

Aufgrund der patriarchalen Struktur der israelitischen Familien ist wohl davon auszugehen, dass sich der Erbbesitz in der Regel über die Männer definiert. So spricht Mi 2,2 vom „Mann und seinem Erbbesitz“ (später in Mi 2,9 allerdings auch von der Vertreibung der Frauen aus ihren Häusern). Das heißt aber nicht, dass man sich Frauen grundsätzlich als grundbesitzlos vorstellen muss. Besonders ab der persischen Zeit häufen sich Hinweise auf Grundbesitz von Frauen. Die ideale Frau von Spr 31 erwirbt einen Acker und pflanzt einen Weinberg (Spr 31,16). Das Mädchen im → Hohenlied spricht vom „Haus meiner Mutter“ (Hhld 3,4; Hhld 8,2). → Hiob gibt seinen Töchtern Erbbesitz „wie ihren Brüdern“ (Hi 42,15). Diese Entwicklungen werden schließlich im → Numeri-Buch in Rechtsform gebracht. Am Beispiel der Töchter → Zelofhads wird hier festgelegt, dass beim Fehlen männlicher Erben auch Töchter erben dürfen (Num 27,1-11), was allerdings an die Bedingung geknüpft wird, dass sie innerhalb des eigenen Stammes heiraten müssen (Num 36).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007

2. Weitere Literatur

  • Alt, A., 1968, Micha 2,1-5. ΓΗΣ ΑΝΑΔΑΣΜΟΣ in Juda, in: ders., Kleine Schriften zur Geschichte des Volkes Israel, Bd. 3, 2. Aufl. München, 373-381
  • Dearman, J.A., 1988, Property Rights in the Eighth-Century Prophets. The Conflict and Its Background (SBL.DS 106), Atlanta, Georgia
  • Ebach, J., 1976, Sozialethische Erwägungen zum alttestamentlichen Bodenrecht, BN 1, 31-46
  • Kessler, R., 2009, Gott und König, Grundeigentum und Fruchtbarkeit, in: ders., Studien zur Sozialgeschichte Israels (SBAB 46), 167-184

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