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Schulseelsorge/Schulpastoral

(erstellt: Februar 2016)

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1. Profil

Bei Schulseelsorge bzw. Schulpastoral handelt es sich um ein kirchliches Engagement im Lebensraum Schule, das sich an alle Menschen an der Schule wendet und einen Beitrag zur Humanisierung der Schulwirklichkeit leistet. Auf evangelischer Seite ist für dieses Engagement der Begriff Schulseelsorge gängig, auf katholischer Seite wird dafür mittlerweile der Begriff Schulpastoral bevorzugt. Das kirchliche Engagement kann beispielsweise seelsorgerliche Beratungsgespräche, Orientierungstage, Projekte zur Sozialkompetenz, Trauerbegleitung, Andachten und Gottesdienste umfassen.

Katholischerseits zeichnet sich das mögliche Angebot der Schulpastoral durch Vielfalt aus. Für die Konzeption und Beschreibung dieser Pastoral werden die kirchlichen Grundvollzüge (Diakonia, Martyria, Leiturgia, Koinonia) in Gebrauch genommen. Sie dienen u.a. zur Orientierung und Differenzierung des schulpastoralen Angebots und helfen dabei, Engführungen des kirchlichen Engagements zu vermeiden. Häufig werden Prinzipien des schulpastoralen Engagements genannt – Freiwilligkeit, Subjektorientierung, Gastfreundschaft und Ökumene/Interreligiosität etc. (Mendl, 2004, 27-31) –, um das kirchliche Angebot an der Schule zu charakterisieren und Qualitätskriterien zu benennen. Akteure der Schulpastoral sind in der Regel katholische Lehrkräfte, „die bereit sind, ihre Berufung zum allgemeinen Priestertum aller Gläubigen im Kontext des schulischen Alltags zu leben“ (Schmälzle, 2010, 169). Als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Schulpastoral kommen auch Schülerinnen und Schüler in Frage und von der Kirche beauftragte Personen mit einer geeigneten Qualifikation, die diesen Dienst hauptamtlich ausüben.

Evangelischerseits lässt sich eine stärkere Profilbildung der Schulseelsorge auf Formen der seelsorgerlichen Beratung und Begleitung von Menschen im Lebensraum Schule erkennen (zur Begriffsbildung vgl. Schröder, 2006, 21). Die rechtliche Einordnung als „Anstaltsseelsorge“ (Joedt, 2011, 34-36) erfordert klare Rahmenbedingungen hinsichtlich von Erkennbarkeit, Profil und Standards. Schulseelsorge „realisiert sich primär individuell in Form von Einzelseelsorge“, in einem weiteren Verständnis umfasst sie analog zur Schulpastoral auch die soziale Arbeit mit Gruppen, Angebote von religiöser Praxis und Angebote der ethischen und religiösen Bildung (Erläuterungen zum Orientierungsrahmen für die evang. Schulseelsorge in der EKD). Schulseelsorge versteht sich als „christliche Begleitung der Schulgemeinschaft“, die im Sinn einer unterstützenden Schulgemeinschaft als „caring community“ gesehen wird (Schneider-Harpprecht, 2011, 29). Bei einem weiten Verständnis der evangelischen Schulseelsorge gibt es Überschneidungen mit dem Aufgabengebiet der sog. schulnahen oder schulbezogenen → Jugendarbeit. Seelsorge im engeren Sinn der seelsorgerlichen Einzelbegleitung ist „eine Facette und Dimension der Gesamtheit religiös konnotierter und motivierter Aufgaben im Schulleben“ (Schröder, 2012, 661).

Anders als beim konfessionellen Religionsunterricht, der auf Art. 7 GG basiert, handelt es sich bei Schulseelsorge/Schulpastoral um keine res mixta. Sie wird durch Art. 140 GG legitimiert (Schmitz, 2006, 96; Witsch, 2015, 283-287). Dementsprechend ist Schulseelsorge/Schulpastoral im Vergleich zum Religionsunterricht kein ordentliches Lehrfach, sondern ein kirchliches Angebot und als solches transparent zu machen. Die Teilnahme an diesem Angebot geschieht freiwillig. Im Unterschied zur Schulsozialarbeit handelt es sich bei Schulseelsorge/Schulpastoral um einen kirchlich verantworteten Dienst, dem es insbesondere darum geht, „Fragen nach dem ‚Sinn des Lebens’ und nach Gott Raum zu geben“ (Demmelhuber, 1999, 30). Während Schulsozialarbeit stärker als diakonische Aufgabe verstanden wird, möchte Schulseelsorge/Schulpastoral alle Menschen an der Schule begleiten – in Krisen- wie auch in Hoch-Zeiten (Demmelhuber, 1999, 30).

Schulseelsorge/Schulpastoral allein als Erweiterung von Religionsunterricht zu verstehen, wird dem kirchlichen Engagement, das auch ohne Religionsunterricht an der Schule möglich ist (Schneider, 2007, 1960), nicht gerecht. Schulseelsorge/Schulpastoral bietet geeignete Voraussetzungen dafür, (probehalber) Erfahrungen in puncto Religion zu machen, um sich eine eigene, verantwortete Position gegenüber Religion bilden zu können, die nicht nur auf Theorie basiert, und um die eigene Religiosität zu vertiefen.

2. Begründungen von Schulseelsorge/Schulpastoral und Entwicklung

In pädagogischer Hinsicht leistet Schulseelsorge/Schulpastoral mehrfach einen Beitrag zum Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule. So fördert das kirchliche Engagement die Kultur einer Schule als Lern- und Lebensraum, schafft Bildungsanlässe, die den Erwerb verschiedener Kompetenzen begünstigen, und trägt zur Schulentwicklung bei (Kaupp, 2015c, 47-51). Der religiöse Weltzugang, den Schulseelsorge/Schulpastoral eröffnet, ist als wichtiger Bestandteil eines mehrdimensionalen Bildungsverständnisses gewürdigt worden (Baumert, 2002, 107). In theologischer Perspektive findet das kirchliche Engagement u.a. seine Legitimation im Auftrag zur Mitgestaltung der Schöpfung im Sinne der Gottebenbildlichkeit des Menschen (Bußmann/Lob, 2015). Es richtet sich als Angebot an alle Menschen, unabhängig von Alter, intellektueller Verständnisfähigkeit und Religion. Als „Praxis des Evangeliums“ (Josuttis, 1974, 109) hat Schulseelsorge/Schulpastoral Anteil an seiner Verkündigung und Gestaltwerdung (Wermke, 2008, 30).

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist Schulseelsorge als eigenes Handlungsfeld an Schulen in Erscheinung getreten. Ihr Aufkommen erwächst aus einem Differenzierungsgeschehen in der Beziehungsgeschichte von Kirche und Schule (Lames, 2000, 96), das den Religionsunterricht betrifft und mit gesellschaftlichen Veränderungen, insbesondere dem Auseinanderdriften von Kirche und Gesellschaft, zusammenhängt. Einerseits steht Schulseelsorge in einer langen Tradition des kirchlichen Einflusses auf die Schule und der Begleitung der an ihr arbeitenden Menschen und ist in diesem Sinn nicht voraussetzungslos (Mette/Bußmann, 2015), andererseits unterscheiden sich das (Selbst-)Verständnis und die konzeptionelle Ausrichtung des heutigen kirchlichen Engagements an der Schule von dem damaligen kirchlichen Bemühen, weshalb sich Schulseelsorge/Schulpastoral als eine Art Sorge der Kirche um die Menschen an der Schule einstufen lässt, die neuartig ist.

Die gemeinsame Synode der röm.-kath. Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland in Würzburg (1971-75) nimmt eine Differenzierung zwischen Schulseelsorge und Religionsunterricht vor (Roth, 2012, 128), indem sie – in dem Beschluss zum Bildungsbereich – Schulseelsorge als eigenes pastorales Angebot versteht, das Menschen im Lebensbereich Schule erreicht, und dieses Angebot mit Empfehlungen bedenkt (Präsidium der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz, 1989, 539f.). Gegen Ende des 20. Jahrhunderts wird auf katholischer Seite der Begriff Schulpastoral als Titel für das kirchliche Engagement an der Schule zunehmend gegenüber dem Begriff Schulseelsorge favorisiert. Zwei wichtige Marksteine auf dem Weg dieser Entwicklung sind der Grundlagentext der Vereinigung Deutscher Ordensoberen (VDO) „Schulpastoral in katholischen Schulen in freier Trägerschaft (Orden) in der Bundesrepublik Deutschland“ (1990) und die Verlautbarung der deutschen Bischöfe zur Schulpastoral im Jahr 1996. Mit dem Begriff Schulpastoral rückt das kirchliche Engagement in Form „von strukturellen Maßnahmen einer systemsensiblen Pastoral im Lebens- und Sozialraum einer Schule“ (Schmälzle, 2010, 168) in den Blick. Schulseelsorge als persönliche Begleitung von Schülerinnen und Schülern (und Erwachsenen) „auf der Grundlage jesuanischer Begegnungspraxis“ (Schmälzle, 2010, 168) ist ein wichtiger Teil dieser systemsensiblen Pastoral.

Innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland hat sich die Schulseelsorge seit den 70er Jahren zu einem eigenen kirchlichen Handlungsfeld entwickelt. Dieser Prozess wurde vorangetrieben durch die enge Kooperation zwischen Kirchenamt der EKD, Comenius-Institut und den Verantwortlichen einzelner Landeskirchen, z.B. der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau mit Harmjan Dam. Seit 2006 gibt es im zweijährigen Turnus EKD-weite Fachtagungen, die der Schulseelsorge zu einer klaren Profilbildung verhelfen. Dabei lässt sich eine zunehmende Fokussierung auf Schulseelsorge als seelsorgerliches Beratungsangebot erkennen. Um das in der EKD-Synode am 28.10.2009 beschlossene Seelsorgegeheimnisgesetz (SeelGG) umzusetzen, werden auch für die Schulseelsorge Rahmenbedingungen und Standards definiert, die grundlegend sind für die Inanspruchnahme der seelsorgerlichen Verschwiegenheit. In diesem Denkhorizont entsteht 2014 der sog. „Orientierungsrahmen für die Evangelische Schulseelsorge in der EKD“, in dem Selbstverständnis, Handlungsbereiche und Qualifizierungsmaßnahmen für Schulseelsorge vorgestellt werden. Damit ist ein Handlungsrahmen gegeben, der den Gliedkirchen der EKD als Orientierung für die weitere Entwicklung der Schulseelsorge dienen wird.

3. Bedingungen der pluralen Schule

Pluralität ist ein Grunddatum heutigen Schullebens und stellt eine diakonische Herausforderung dar (Schneider, 2007, 1960). Anliegen der Schulseelsorge/Schulpastoral ist es, einen Beitrag dafür zu leisten, dass sich die vieldimensionale Verschiedenheit nicht zu einem Nebeneinander oder Gegeneinander entwickelt, sondern dass sie immer mehr zu einer Schulgemeinschaft wird. Um Schulseelsorge/Schulpastoral nicht an den Menschen an der Schule vorbeizukonzipieren, ist es notwendig, die spezifische Schulsituation vor Ort zu berücksichtigen.

In ihrer jüngeren Entwicklung ist Schulseelsorge/Schulpastoral theoretisch fundiert und konzeptionell in verschiedene Richtungen ausgefaltet worden (Kaupp, 2015b, 201-204). Katholischerseits liegen Ansätze vor, die Schulpastoral in systemischer Perspektive (Gundo Lames), mystagogischer Perspektive (Carsten Roeger), in ignatianischer Perspektive (Philipp Görtz) und bzgl. der Herausforderung religiöser Pluralität (Ulrich Kumher) durchdenken und profilieren. Evangelischerseits gilt die Aufmerksamkeit besonders der Profilierung von Schulseelsorge innerhalb der schulischen Beratungsangebote einerseits und der kirchlichen Seelsorgediskussion andererseits. Dabei erweisen sich die Konzepte von systemisch-lösungsorientierter und ressourcenorientierter Seelsorge, Beratung und Pädagogik als besonders anschlussfähig.

Konfessionellen Unterschieden begegnet Schulseelsorge/Schulpastoral mit ökumenischer Kooperation. An das Ökumeneprinzip wird das Prinzip „Interreligiosität“ angeschlossen (z.B. Mendl, 2004, 29f.). In der religiösen Pluralität des Schullebens sind die verschiedenen Konfessionen und Religionen aufeinander verwiesen, um mit vereinter Kraft auf die religiöse Dimension der Wirklichkeit aufmerksam zu machen und das Bildungs- und Humanisierungspotenzial von Religion in das Schulleben einzubringen.

Zunehmend finden sich Überlegungen, die ein jüdisches und islamisches Engagement konturieren, welches christlicher Seelsorge bzw. Schulseelsorge/Schulpastoral entspricht, und die prüfen, ob ein solches Engagement mit den (traditionell christlichen) Begriffen Seelsorge bzw. Pastoral bezeichnet werden könnte (z.B. Cimşit, 2015, 157-159). Bzgl. religiöser Feiern (in der Schule) gibt es fortlaufende konfessionelle Anstrengungen, Formen des Miteinanders zu erstellen, die über konfessionelle und religiöse Grenzen hinweg wünschenswert sind (z.B. Dam, 2014; Erzbischöfliches Generalvikariat Paderborn, 2012; Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, 2008).

4. Beschreibung des Handlungsfeldes

Für die Beschreibung des Handlungsfeldes der Schulseelsorge/Schulpastoral werden zwei Denkmodelle verwendet. Auf katholischer Seite dienen die kirchlichen Grundvollzüge (Leiturgia, Martyria, Diakonia, Koinonia) als Perspektivierung der Schulpastoral, auf evangelischer Seite werden folgende Handlungsbereiche unterschieden (Dam, 2002, 361f.): Schulseelsorge/Schulpastoral entwickelt Angebote für Einzelne und entspricht damit dem geläufigen Sinn von Seelsorge. Sie bietet Angebote für Gruppen im sozialen System von Schule. Sie bildet darüber hinaus Vernetzungen in das umgebende gesellschaftliche Umfeld mit all seinen Unterstützungsangeboten für Probleme im Lebensraum von Schule.

Unter den Angeboten für Einzelne werden die seelsorgerlichen Gesprächsangebote verstanden. Ausgangspunkt ist die Erfahrung, wie bedeutsam die Alltagspräsenz von Seelsorgenden als Lehrkräfte im System ist. Seelsorge für Kinder und Jugendliche braucht niedrigschwellige Kontakt- und Begegnungsmöglichkeiten und die Bereitschaft zur Kontaktaufnahme durch die Seelsorgerin bzw. den Seelsorger. Seelsorgerliche Begegnungen finden häufig zwischen Tür und Angel und in ungeschützten Räumlichkeiten statt. Diese Offenheit der Form entspricht den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen. Seelsorgerliche Gespräche haben oft den Charakter von Intervention bei akuten Problemen und Lebenskrisen. Weitere häufige Themen sind Trauerbewältigung und existentielle Sinn- und Orientierungsfragen. Die Aufgabe der Seelsorge in der Schule besteht in der Präsenz als verschwiegene Gesprächspartnerin, in der ressourcen- und lösungsorientierten Intervention und gegebenenfalls in der Vermittlung von weiterführenden Unterstützungsangeboten.

Zu den Angeboten für Gruppen gehören die liturgischen und spirituellen Angebote im Lauf des Schuljahres, die besonders sichtbarer Teil von Religion im Schulleben sind. Zielgruppen können dabei die verschiedenen Personengruppen im Lebensraum von Schule sein. Dazu kommen alle Angebote mit pädagogischem Fokus, die die Methoden von kirchlicher Jugendarbeit auf die Situation in der Schule umsetzen. Ein besonderer Schwerpunkt der kirchlichen Angebote liegt im Bereich von Krisenseelsorge/Notfallseelsorge in Schulen. Dort haben sich eigene Unterstützungssysteme ausgebildet, die von Schulen in akuten Krisen in Ergänzung der staatlichen Krisenunterstützungssysteme angefordert werden können.

Die Vernetzung der kirchlichen Präsenz in der Schule mit den Akteuren des gesellschaftlichen Umfeldes ist eine besondere Aufgabe. Hier kommt der diakonische Aspekt der Schulseelsorge/Schulpastoral besonders zum Tragen, wenn es um die Bereitstellung und Vermittlung von gezielten Unterstützungsmaßnahmen geht.

5. Kompetenzen der seelsorgerlich handelnden Lehrkräfte und Qualifizierungsmaßnahmen

Bisher gibt es kein Kompetenzprofil für schulpastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das deutschlandweit favorisiert werden würde, wenngleich verschiedene Beiträge zu diesem Thema sowie Fort- und Weiterbildungsprogramme Gemeinsamkeiten in puncto erforderliche Kompetenzen erkennen lassen. Ein Kompetenzprofil für schulpastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollte insbesondere Spiritualität und Seelsorge berücksichtigen. Differenzen bzgl. der Beantwortung der Frage, welche Kompetenzen für schulpastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am vordringlichsten sind, hängen auch mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen in Bistumskonzeptionen (Thalheimer/Bußmann/Geißler, 2015) und den verschiedenen Konzepten von Fort- und Weiterbildungsangeboten (Thalheimer/Lob, 2015) in den unterschiedlichen Bistümern zusammen.

Im evangelischen Kontext wurden mit dem schon erwähnten Orientierungsrahmen für die evangelische Schulseelsorge umfangreiche und detaillierte Standards für Kompetenzerwartungen und Qualifizierungsmaßnahmen entwickelt. Diese Weiterbildungen sind an die religionspädagogischen Institute der Landeskirchen angebunden. Die dort verantwortlichen Referentinnen und Referenten sind EKD-weit gut vernetzt und im ständigen Austausch über Umfang, Inhalte und Methoden der Weiterbildungen.

6. Kirchliche Unterstützung und Einbindung

Katholischerseits ist Schulpastoral bereits in mehreren Verlautbarungen der deutschen Bischöfe bedacht und entfaltet worden. Gemäß Empfehlung der Synode von Würzburg,1971-1975 (Präsidium der Gemeinsamen Synode der Bistümer, 1989, 540), finden sich auf Bistumsebene Beauftragte für Schulpastoral, die u.a. mit der Erarbeitung und Aktualisierung von Schulpastoralkonzepten für das Bistum beschäftigt sind und Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen koordinieren. In diesem Rahmen finden sich in den Bistümern Kursangebote, die speziell Seelsorgegespräche behandeln. Von Bistum zu Bistum variieren Praktiken der Organisation und Unterstützung von Schulpastoral (Roth, 2013, 129). Es liegt ein „Orientierungsrahmen“ der deutschen Bischöfe für Katholische Schulen vor (Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, 2009), in dem Schulpastoral als integraler Bestandteil des Erziehungsauftrags der Schule gewürdigt wird und zentrale Qualitätskriterien zusammengestellt sind. Hierzu gehört, dass es „an der Schule Ansprechpartner für den Fall persönlicher Krisensituationen von Mitgliedern der Schulgemeinschaft“ gibt (ebd., 2009, 23).

Evangelischerseits unterscheiden sich die kirchlichen Unterstützungsmaßnahmen zwischen den einzelnen Landeskirchen erheblich. Die Bandbreite reicht von einem durchweg ehrenamtlichen Engagement einzelner Lehrkräfte in der Schulseelsorge bis zu entwickelten Strukturen von Stundenanrechnung und finanzieller Unterstützung der Schulseelsorgerinnen und -seelsorger. Strukturell ist die Schulseelsorge durch die Weiterbildungen eng an die religionspädagogischen Einrichtungen der Landeskirchen angebunden. Auch in der Kirchenleitung ist die Schulseelsorge in den Bildungs- und Schulabteilungen der landeskirchlichen Behörden verortet. Dazu gibt es eine enge Kooperation mit den jeweiligen Seelsorgereferaten/-instituten.

Zwischen den Prinzipien von Schulseelsorge/Schulpastoral und kirchlicher Jugendarbeit gibt es Überschneidungspunkte. Kaupp (2015a, 256-259) listet in diesem Kontext einige Beispiele für die mögliche Zusammenarbeit auf (z.B. Tage der Orientierung, die für Klassen konzipiert und von kirchlichen Jugendämtern durchgeführt werden) und benennt einige Gesichtspunkte, deren Berücksichtigung bei einer Kooperation eine Win-win-Situation verspricht.

Durch die Vernetzungsarbeit zwischen Schulen, Kirchengemeinden und Jugendverbänden kann Schulseelsorge/Schulpastoral zur Kommunikationsschnittstelle werden (Schmälzle, 2010, 169) und schulexterne Ressourcen zur Humanisierung der Schulwirklichkeit aktivieren.

7. Besondere Herausforderungen

7.1. Seelsorge mit Kindern und Jugendlichen

Die besonderen Herausforderungen in der Seelsorge mit Kindern und Jugendlichen können an dieser Stelle nur stichwortartig angedeutet werden. Leider liegt zu diesem Gebiet nur wenig aktuelle Forschungsliteratur aus der Seelsorgelehre vor.

  1. 1. Seelsorge ist ein kommunikativer Vorgang, der im üblichen Format eine hohe sprachliche Kompetenz beider Partner voraussetzt. In der Seelsorge mit Kindern braucht es Methoden, die über eine Fokussierung auf Sprache als Medium hinausführen.
  2. 2. Seelsorge mit Kindern und Jugendlichen stellt besondere Anforderungen an die Beziehungsgestaltung im Umgang mit Nähe und Distanz, mit pubertärem Widerstand und kindlicher Aufgeschlossenheit. Beide Partner begegnen sich im Raum der Schule im Alltag in unterschiedlichen Rollen, so dass eine ausdrückliche Rollen- und Auftragsklärung notwendig ist.
  3. 3. Es gilt tragfähige Konzepte zu finden, wie Kontakt und Unbefangenheit möglich gemacht werden und wie Grenzüberschreitungen bis hin zu Missbrauch vermieden werden, um Kinder und Jugendliche als abhängige Bezugspersonen zu schützen. Dabei sind Genderfragen besonders zu berücksichtigen. Seelsorgerinnen und Seelsorger setzen sich durch die Situation der Verschwiegenheit unter Umständen der Gefahr der Verdächtigungen aus, ihre Integrität muss ebenfalls geschützt werden können.
  4. 4. Seelsorge in der Schule kommt in Kontakt mit der medialen Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler. Dabei dringt sie in ein Feld vor, mit dem Seelsorge insgesamt noch wenig Erfahrung hat.
  5. 5. Öffentliche Schule ist ein staatliches System, es gilt der strikte Angebotscharakter von Religion. Aus Sicht der Schule und der Eltern gilt die Verpflichtung zur weltanschaulichen Neutralität. Zur Seelsorge gehört auch die Möglichkeit, spirituelle Angebote zu machen in Form von Gebet, Segen, Beichte. Schulseelsorge/Schulpastoral braucht die Freiheit, diese Angebote bereitstellen zu dürfen, um in ihrem Profil erkennbar zu sein (Dam/Elsenbast/Spenn, 2014).

7.2. Bewahrung und Grenzen von Verschwiegenheit unter den Bedingungen von Schule

Seelsorge ist im allgemeinen Bewusstsein charakterisiert durch die Verschwiegenheit der Seelsorgenden. Staatliche Gesetze garantieren den besonderen Schutz der seelsorgerlichen Verschwiegenheit. Auf Seiten der evangelischen Kirche wurden mit dem am 28.10.2009 beschlossenen Seelsorgegeheimnisgesetz (SeelGG) Richtlinien vorgegeben, unter denen auch nicht-ordinierte Seelsorgerinnen und Seelsorger den Schutz der vollen seelsorgerlichen Verschwiegenheit genießen.

Für die Seelsorge in der Schule ergeben sich besondere Fragestellungen: Schulseelsorgerinnen und Schulseelsorger sind auch und zuerst Lehrkräfte in einem staatlichen System von Schule und damit an Dienstpflichten gebunden, die mit der seelsorgerlichen Verschwiegenheit kollidieren können. Kinder und Jugendliche unterstehen der Fürsorgepflicht einer Schule. D.h. bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung, der sich z.B. in einem seelsorgerlichen Gespräch erhärtet, hat die Schule einen besonderen Schutzauftrag. Zur Klärung dieser Interessenkollision zwischen Schutz von Leib und Leben der Schutzbefohlenen und Schutz der seelsorgerlichen Verschwiegenheit entwickeln die einzelnen Landeskirchen und Bistümer z.T. eigene Ausführungsbestimmungen, die mit den jeweiligen Kultusministerien abgestimmt werden.

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