Biographie und Wirksamkeit
Biographische Daten
Jesus wurde in Nazaret geboren. Darin sind sich mit Ausnahme der Kindheitserzählungen alle Traditionsstränge einig. Die Betlehem-Tradition dürfte deshalb Ergebnis nachösterlicher christologischer Reflexion (Davidssohn) sein. Das Geburtsjahr ist nicht mehr exakt zu ermitteln. Ziemlich sicher ist allerdings, dass sich der Mönch Dionysius Exiguus im 6. Jh. irrte, als er die Geburt Jesu auf das Jahr 753 nach der Gründung Roms terminierte. Mt und Lk stimmen nämlich darin überein, dass Jesus noch zu Lebzeiten Herodes des Großen geboren wurde. Dieser König starb 4 v.Chr. Die weiteren Angaben in den Kindheitserzählungen (Zensus im Lk, Stern im Mt) tragen für die Chronologie nichts aus. Lukas verwechselt mehrere historische Ereignisse miteinander. Der Stern mag zwar auf tatsächliche Himmelsphänomene zurückgehen, symbolisiert aber in der Erzählung des Mt die göttliche Führung, d.h. seine Bahn ist astronomisch nicht auswertbar.
Die Eltern Jesu waren Maria und Joseph. Ob Joseph tatsächlich Nachkomme Davids war, muss unsicher bleiben. Festzuhalten ist aber in jedem Fall, dass die Zugehörigkeit zur zahlreichen Nachkommenschaft Davids nicht automatisch bedeutete, potentieller Messias zu sein. Jesus hatte noch vier Brüder und (mindestens) zwei Schwestern (vgl. Mk 6,3; 1Kor 9,5; Joh 2,12; 7,1-9). Joseph war "Zimmermann". Diesen Beruf erlernte auch Jesus (Mk 6,3). Dabei muss die Berufsbezeichnung – wie in der Antike üblich – weit gefasst werden. Heute würde man eher von einem "Bauhandwerker" sprechen.
Nach Lk 3,23 war Jesus ca. 30 Jahre alt als er in die Öffentlichkeit trat. Diese Altersangabe wird meist für vertrauenswürdig gehalten, denn sie passt mit dem wahrscheinlichsten Todesjahr und der Annahme, dass Jesus nur ca. 1 Jahr öffentlich gewirkt hat, zusammen. Vermutlich hat er sich zunächst Johannes dem Täufer angeschlossen. Dafür sprechen die Taufe Jesu und die im Joh überlieferte Nachricht, dass sich unter den Jüngern Jesu ehemalige Täuferjünger befanden (Joh 1,37). Möglicherweise hat auch Jesus zunächst die Bußtaufe praktiziert (vgl. Joh 3,22.26).
Öffentliche Wirksamkeit
Die Masse der überlieferten Tradition weist nach Galiläa als dem Wirkungsgebiet Jesu. Genauer konzentrierte sich sein Wirken offenbar auf ein kleines Gebiet nordwestlich des Sees Gennesaret, in dem die häufig erwähnten Orte Kafarnaum, Chorazim und Betsaida lagen. Es fällt auf, dass Jesus bei seinen Wanderungen die hellenistischen Städte in Galiläa – Sepphoris und Tiberias – gemieden hat. Diese Beobachtung wird durch das in seinen Gleichnissen verwendete Bildmaterial unterstützt, das ebenfalls die Welt der Kleinbauern, Pächter und Tagelöhner des ländlichen Galiläa spiegelt. Politisch gehört das Wirkungsgebiet Jesu zu weiten Teilen zur Tetrarchie des Herodes Antipas (vgl. Lk 13,31f; 23,7). Daneben wirkte er im angrenzenden Gebiet des Philippus. Die dabei zu überschreitende Grenze erklärt die häufige Erwähnung von Zöllnern. Es ist unsicher, ob Jesus auch auf nichtjüdischem Gebiet wirkte. Die wenigen Zeugnisse dafür (z.B. Mk 7,24-30) lassen eher vermuten, dass Jesus sich auch bei Überschreitung der politischen Grenzen Galiläas auf jüdisch besiedeltem Gebiet aufhielt.
Über die Dauer der Wirksamkeit Jesu machen Joh und die Synoptiker unterschiedliche Angaben (vgl. die Einleitung zu Joh). Man geht in der Forschung im allgemeinen davon aus, dass die Angabe der Synoptiker eher den historischen Tatsachen entspricht. Jesus hat also ca. 1 Jahr öffentlich gewirkt und ist dann anlässlich einer Pilgerreise zum Passafest in Jerusalem angeklagt und hingerichtet worden.
Jesus selbst war unverheiratet und hat offenbar auf Besitz verzichtet. In Galiläa hat er eine Schar von Anhängern um sich gesammelt, die sein Wanderleben teilten. Dabei ist unter den Forschern umstritten, ob der Kreis der Zwölf schon auf Jesus selbst zurückgeht. Dafür könnte sprechen, dass er nach Ostern schnell an Bedeutung verliert (vgl. die differierenden Namenslisten in den Evangelien und der Apg). Jesus wollte mit der Berufung dieser Zwölf dann den Anspruch seiner Botschaft auf ganz Israel dokumentieren, d.h. die Zwölfzahl symbolisiert die – historisch z.Zt. Jesu nicht mehr existierende – Zahl der Stämme Israels.
Unter den Anhängern Jesu befanden sich auch eine Reihe von Frauen. Offenbar hat Jesus mit Frauen einen freieren Umgang gepflegt als seine Umwelt.
In den Evangelien wird immer wieder berichtet, dass Jesus in Synagogen gepredigt oder geheilt habe. Dieses Bild seiner Wirksamkeit ist wohl unhistorisch, denn archäologisch und inschriftlich sind für die Zeit Jesu in Galiläa so gut wie keine Synagogen nachweisbar. Die Evangelisten haben hier die Verhältnisse ihrer Gegenwart in die Zeit Jesu zurückprojiziert. Jesus dürfte vor allem in Privathäusern und im Freien gewirkt haben.
Auch in seiner Heimat Galiläa hat Jesus nicht nur Zustimmung geerntet. Die Prädikate "Fresser und Weinsäufer" und "Freund der Zöllner und Sünder" (Mt 11,19par) zeugen zumindest von deutlicher Distanz. Mit dem Vorwurf, er wirke durch die Macht der Dämonen (Mk 3,20-22; Lk 11,14-16par) steigert sich diese Distanz zur offenen Feindschaft.