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Joschijas Reform, das Deuteronomium und die Verehrung eines Gottes

Biblische Darstellung

In 2Kön 22-23 wird berichtet, dass der König Joschija (639-609) von Juda im Jahre 622 eine Kultreform durchführte, veranlasst durch den Fund eines in Vergessenheit geratenen Gesetzbuches („Bundesbuch“, 22,8; 23,2) während Umbauarbeiten im Jerusalemer Tempel. Die Satzungen dieses Buches seien nicht beachtet worden, weshalb der Zorn Gottes über die Väter gekommen sei.

Joschija lässt daraufhin, so beschreibt es der Bericht, den Jerusalemer Tempel von allen Anzeichen eines Fremdkultes reinigen. Zudem schafft er auch Höhenkulte, Wahrsager, Magier etc. in allen anderen Orten ab (dies sogar im nordisraelitischen Bet-El). Am Ende wird ein Passa gefeiert, wohl mit dem Zweck der Bundeserneuerung. Die von Joschija berichteten Maßnahmen stimmen in auffälliger Weise überein mit bestimmten Vorschriften, die im Deuteronomium gefordert sind.

Übereinstimmungen zwischen Joschijas Reform und dem Deuteronomium

Maßnahme 2Kön 22+23 Dtn
     
Kultzentralisierung 23,4-15 12 u. ö.
zentrale Passafeier 23,21-23 16,1ff.
Maßnahmen gegen Wahrsager etc. 23,24 18,10f.
Angst Joschijas/Flüche im Dtn 22,13 27f.
Name: „Buch der Tora/des Bundes“ 22,8-11 28,58-69

Historischer Hintergrund

In der Forschung wurde gefolgert, dass das, was im Deuteronomium gefordert wurde, von Joschija umgesetzt wurde. Hintergrund dessen war die assyrische Besetzung Judas durch Sanherib 701. Joschija konnte sich von der assyrischen Oberherrschaft lösen und das judäische Einflussgebiet bis nach Samaria ausdehnen. Die fremde Herrschaft hatte auch Folgen im religiösen/kultischen Bereich, so wurden offenbar astrale Gottheiten im Jerusalemer Tempel verehrt. Dabei ist aber umstritten, ob die Maßnahmen auf Druck der Assyrer erfolgten, durch Anbiederung an die Oberherrschaft oder die allgemeine religiöse Situation verursacht waren. Joschija emanzipierte sich in einer Phase der assyrischen Schwäche sowohl militärisch wie kultisch von Assur und führte außerdem wohl eine Zentralisierung des Kultes in Jerusalem durch. Damit ging seine Reform weiter und war erfolgreicher als die seines Vorgängers Hiskija im Jahre 705 (vgl. 2Kön 18,3-7).

Der historische Quellenwert der Darstellung 2Kön 22-23 ist aber außerordentlich umstritten. Es ist deutlich, dass der Bericht aus zumindest zwei Teilen, einem Fund- und einem Bundbericht, zusammengesetzt ist und zudem erweitert wurde. Man wird aber wohl einen Grundbestand an tatsächlich erfolgten Reformen annehmen können, vor allem die Tempelreinigung und die Zentrierung des Kultes auf JHWH und Jerusalem. Doch es gibt auch Stimmen, die dem Text keinen historischen Quellenwert zumessen; eine umgreifende „Reform“ habe es nicht gegeben.

Religion Israels

Durch verschiedene Funde ist in der Zwischenzeit das Bild der Religion Israels in der Königszeit deutlicher geworden. Danach ist die Darstellung der Königsbücher historisch nicht korrekt, dass die alleinige Verehrung JHWHs in Jerusalem seit David und Salomo selbstverständlich war, einige Könige jedoch abgefallen seien. Neben dem Einfluss von Fremdkulten durch die jeweilige politische Obermacht gab es auch innerhalb der israelitischen Gesellschaft einen religiösen Pluralismus.

Monolatrie

Erst im Gefolge der prophetischen Kultkritik (ibs. bei Hosea) kam es zur Ausbildung von monolatrischen Tendenzen (= Alleinverehrung eines Gottes bei gleichzeitigem Akzeptieren, dass es andere Götter gibt), die aber nur für bestimmte Gruppen verständlich waren. Andere Gruppen verehrten am Tempel assyrische Götter oder begriffen in ihrem privaten oder halboffiziellen Kultus abseits Jerusalems JHWH nach dem Muster kanaanäischer Gottheiten. Sie verehrten Ba%alim oder El-Gottheiten und stellten JHWH eine Aschera zur Seite, wobei inzwischen kaum noch strittig ist, dass es sich bei ihr um eine Göttin, nicht nur um ein Kultsymbol handelt.

Kultkritik

Die prophetische Kritik an diesen und den unhaltbaren sozialen Zuständen floss wohl in die Formulierung der ältesten Stücke des Deuteronomiums ein und beeinflusste die Reformaktivitäten Joschijas. Das Gesetz wurde „im Schatten der Profetie“ gegeben (K. Koch, Die Profeten II., 1988, S. 9). Zu einer Formulierung wirklich monotheistischer Gedanken (= Es gibt nur einen Gott) kam es erst im Exil seit Deuterojesaja.

Kuntillet Adjrut

Die hier wiedergegebene Abbildung zeigt einen bemalten Krug aus Kuntillet Adjrud, einer wohl nordisraelitisch besiedelten Karawanenstation im Negeb (8. Jh.). Das Bild zeigt zwei Bes-Gestalten (M+N; Ägyptischer Fruchtbarkeits- und Schwangerschaftsgott) im Vordergrund, davor eine Kuh mit saugendem Kalb (J), ebenfalls ein Fruchtbarkeitsmotiv. Im Hintergrund eine Leierspielerin (O). Über die Abbildung wurde eine Inschrift mit folgendem Wortlaut geschrieben, wobei aber der Zusammenhang von Inschrift und Abbildungen noch nicht zufriedenstellend geklärt ist:

Ich will euch segnen durch JHWH von Samaria und durch seine Aschera.

Der Text belegt zum einen, dass es auch in Samaria ein JHWH-Heiligtum gegeben haben muss, wovon die Bibel nichts berichtet. Ähnliche Zusammenstellungen von JHWH und Aschera finden sich zudem auch in anderen Inschriften aus vorexilischer Zeit. In 2Kön 23,4.7 wird etwa berichtet, dass es im Jerusalemer Tempel eine Aschera-Verehrung gegeben habe. In Ez 8 sieht der Prophet Ezechiel visionär die Götzenverehrung am Tempel, und in Jer 44,17ff. wird das Volk kritisiert, dass es die „Königin des Himmels“ verehre, womit wohl auch die Aschera gemeint ist. Die Inschriftenfunde und die biblischen Texte zeigen alsobeispielhaft, dass das vorexilische Israel nicht strikt monotheistisch dachte, sondern die Verehrung JHWHs mit der anderer Gottheiten verbinden konnte. Zum ausformulierten Monotheismus ist es erst in der Exilszeit gekommen, dies vor allem in den Schriften Deuterojesajas (vgl. das Themenkapitel „Exil“).

Literatur

Chr. Uehlinger, Gab es eine joschijanische Kultreform? in: W. Groß (Hg.), Jeremia und die „deuteronomistische“ Bewegung, 1995, S. 57-89.

K. Koch, Der Gott Israels und die Götter des Orients, FRLANT 216, 2007; S. 9-85.

O. Keel, Jerusalem und der eine Gott. Eine Religionsgeschichte, 2011.

Th. Römer, Die Erfindung Gottes. Eine Reise zu den Quellen des Monotheismus, 2018.

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