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4.06. Der Philipperbrief (Phil)

Übersicht über den Philipperbrief

1,1f. Präskript
1,3-26 Proömium
1,27-2,18 Mahnungen zum rechten Leben als Gemeinde
2,19-30 Pläne des Apostels
3,1 Beginn derParänese
3,2-4,1 Auseinandersetzung mit judaisierenden Irrlehrern
4,2-9 Fortsetzung der Paränese (Schlussparänese)
4,10-20 Dank für die Unterstützung aus Philippi
4,21-23 Postskript

Das Problem der literarischen Einheit des Phil

Der Phil wird von vielen Exegeten für eine Zusammenstellung von mehreren (meist zwei) ursprünglich selbständigen Paulusbriefen gehalten. Probleme für die Annahme der literarischen Einheitlichkeit des Briefes bereitet insbesondere der Abschnitt 3,2-4,1. Paulus setzt in 3,1 zur Schlussparänese an. Es folgt dann aber eine scharfe Auseinandersetzung mit Gegnern, deren Einflussnahme auf die Gemeinde Paulus fürchtet. Die übrigen Briefabschnitte lassen von einer solchen Situation nichts erkennen. In 1,15-18 redet Paulus zwar auch von Leuten, die Christus „aus Neid und Streitsucht“ predigen, verzichtet aber auf jedwede Polemik (vgl. 1,18). Das könnte dafür sprechen, in 3,2-4,1 das Fragment eines späteren Paulusbriefes zu sehen, der in den Phil eingefügt worden ist. Allerdings hat Paulus in 1,15-18 die Situation am Abfassungsort im Blick, während er in 3,2-4,1 die Philipper warnt.

Die Adressaten

Die Stadt Philippi ist ca. 356 v. Chr. durch Philipp II von Mazedonien als Bollwerk gegen die Traker gegründet worden. Zur Zeit des Neuen Testaments ist Philippi eine römische Kolonie. Seit 42 v. Chr. begann eine intensive Ansiedlung römischer Veteranen, die nach der Schlacht von Actium (31 v. Chr.) noch zunahm. Aufgrund ihrer Lage an der Via Egnatia hatte die Stadt eine gewisse wirtschaftliche Bedeutung.

Paulus hat nach dem Bericht der Apostelgeschichte (Apg 16,11ff.) in Philippi die erste christliche Gemeinde auf europäischem Boden gegründet. Sie bestand sicher mehrheitlich aus Heidenchristen (vgl. die im Phil erwähnten Namen und die Art und Weise, in der Paulus in 3,2ff. mit seiner jüdischen Herkunft argumentiert). Paulus hatte zu dieser Gemeinde ein sehr enges Verhältnis. So gewährte er ihr das Privileg, ihn durch (finanzielle u. a.) Gaben zu unterstützen, während er sonst bewusst auf Unterstützung durch die Gemeinden verzichtet (vgl. 1Kor 9; 2Kor 11).

Abfassungssituation

1,3-26 zeigt, dass sich der Apostel zur Zeit der Abfassung des Phil in einer für ihn äußerst bedrohlichen Lage befand. Er ist gefangen (1,7.13.16f.) und muss mit dem Todesurteil rechnen, obwohl er Hoffnung hat (1,21-26). Aus 1,13 geht hervor, dass Paulus offenbar nicht wegen seiner Evangeliumspredigt inhaftiert worden ist, sondern ihm irgendein strafrechtlich relevanter Sachverhalt vorgeworfen wurde. 1,16f. scheint nahezulegen, dass sein Prozess unter den Christen am Ort seiner Gefangenschaft nicht unumstritten war. In dieser Situation hatten die Philipper Epaphroditus zu Paulus geschickt, der die Gaben der Gemeinde überbracht hat (die Haft des Paulus kann also nicht gar zu streng sein). Zur Zeit der Abfassung des Briefes will Epaphroditus nach Philippi zurückreisen (2,25f.), nachdem er eine bedrohliche Krankheit überstanden hat. Möglicherweise hatte Paulus auch davon gehört, dass die Gemeinde in Philippi in Schwierigkeiten gekommen ist (1,30).

3,2-4,1 setzt voraus, dass Irrlehrer die Gemeinde bedrohen. Allem Anschein nach handelt es sich um judenchristliche Missionare, die die Beschneidung der Heidenchristen verlangen. Dafür spricht neben dem Duktus der Argumentation mit seinen starken Parallelen zum Gal die sarkastische Warnung vor der „Zerschneidung“ in 3,2 (vgl. Gal 5,12). Die Gegner des Apostels scheinen aber noch keinen unmittelbaren Einfluss in der Gemeinde erlangt zu haben (vgl. die Bemerkung in 3,18). Paulus sieht aber – möglicherweise aufgrund der bitteren Erfahrungen in Galatien – diese Gefahr und warnt die Philipper.

Abfassungszeit

Die Datierung des Phil hängt davon ab, wo man die Gefangenschaft des Apostels lokalisiert. Wenn Rom als Ort der Gefangenschaft angesehen wird, ist der Phil der späteste authentische Paulusbrief und muss ca. 60 angesetzt werden. Diese These ist aber mit einigen Problemen behaftet, so dass in neuerer Zeit meist eine Entstehung des Phil in Ephesus angenommen wird. Die Apg weiß zwar nichts von einer Gefangenschaft des Apostels in Ephesus, aber 2Kor 1,8f. legt eine solche nahe (vgl. auch die Aussage über Priska und Aquila in Röm 16,3f., die sich nach 1Kor 16,19 vorher in Ephesus befanden). Setzt man eine Entstehung des Phil in Ephesus voraus, kommt man als Datum des Briefes auf den Winter 54/55. Falls der Abschnitt 3,2-4,1 ein selbständiger Brief ist, muss er während der Reise nach Korinth, also 56 datiert werden.

Literarischer Charakter

Im Phil ist vor allem die paulinische Argumentation in 3,2-21 von Interesse, da der Apostel in diesem Abschnitt seine Rechtfertigungslehre ganz von seiner persönlichen Offenbarungserfahrung her entfaltet. In 2,6-11 zitiert Paulus ein Traditionsstück, das meist als „Christushymnus“ bezeichnet wird, obwohl es sich um gehobene Prosa handelt. Der Text gewährt uns wichtige Einblicke in die vorpaulinische Theologie.

Der Philipperbrief trägt Züge des antiken Freundschaftsbriefes.

Briefanfang

1,1f. Präskript
1,3-11 Danksagung
1,12-26 Briefliche Selbstempfehlung

Im Präskript (1,1f.) finden wir die älteste Erwähnung von Bischöfen im Neuen Testament. Sie sind in Philippi offenbar Teil einer kollektiven Gemeindeleitung.

In der Danksagung betont Paulus das herzliche Verhältnis zur Gemeinde in Philippi (1,3-11).

Die briefliche Selbstempfehlung ist ein Bericht über die Lage des gefangenen Apostels. Paulus hofft darauf, Christus in der Öffentlichkeit zu verherrlichen (1,20). Trotz seiner Sehnsucht, mit Christus vereinigt zu werden, ist es im Interesse der Gemeinde notwendiger, dass er am Leben bleibt (1,12-26).

Mahnungen zum rechten Leben als Gemeinde, Pläne des Apostels

1,27-30 Der einmütige Kampf für den Glauben an das Evangelium
2,1-11 Mahnung zur Einheit der Gemeinde in der Liebe
2,12-18 Mahnung, Gottes Kinder zu sein
2,19-30 Pläne des Apostels

Im Zentrum dieses Abschnitts steht die Mahnung an die Philipper, einmütig in der Liebe zu sein. Das Leben aus der Liebe konkretisiert sich in einem Leben in Demut, das das Wohl der anderen immer mit im Blick hat. Damit widerspricht Paulus diametral den Wertehierarchien der Umwelt der frühen christlichen Gemeinden. Wohl nicht zufällig zitiert er deshalb an dieser Stelle den „Christushymnus“ als Beleg. Der Weg der Liebe ist der Weg der Niedrigkeit, den Christus mit seiner Selbsterniedrigung ans Kreuz gegangen ist (2,1-11).

Den Philippern muss aber bewusst sein, dass Gott sowohl Wollen als auch Vollbringen bewirkt – über ihren guten Willen hinaus (2,13). Sie sollen Kinder Gottes sein, die als Lichter in der Welt leuchten. Am Ende der Mahnungen steht der Aufruf zum eschatologischen Jubel (2,17f.).

Im Anschluss teilt Paulus seine Pläne mit. Vermutlich hat Epaphroditus nach seiner Genesung den Brief nach Philippi überbracht (2,19-30).

Auseinandersetzung mit judaisierenden Irrlehren

3,1 Beginn der Paränese
3,2f. Scharfe Warnung vor den Irrlehrern und Abwehr ihrer Lehre
3,4-11 Das Paradigma des Lebensweges des Apostels
3,12-16 Die Suche nach der Glaubensgerechtigkeit
3,17-4,1 Zusammenfassung, abschließende Mahnung

In 3,1 greift Paulus den Freudenruf aus 2,17f. auf und setzt zur Schlussparänese an. In 3,2 folgt relativ unvermittelt eine scharfe Warnung vor Irrlehrern (Hunde). Die wahren Beschnittenen sind die (Heiden)Christen, die im Geist Gottes dienen und sich (nur) in Christus rühmen.

Der Apostel schildert seinen eigenen Lebensweg als Paradigma (3,4-11). Er hat „um Christi willen“ (3,7) eine radikale Wende in seinem Leben erfahren. 3,8 macht in seiner Zugespitztheit die Radikalität dieser Wende deutlich. Alles wird von Christus her neu bewertet. „Nicht meine eigene Gerechtigkeit suche ich, die aus dem Gesetz hervorgeht, sondern jene, die durch den Glauben an Christus kommt, die Gerechtigkeit, die Gott aufgrund des Glaubens schenkt. Christus will ich erkennen und die Macht seiner Auferstehung und die Gemeinschaft mit seinen Leiden; sein Tod soll mich prägen. So hoffe ich, auch zur Auferstehung von den Toten zu gelangen.“ (3,9-11) Diese Suche ist ein ständiges Unterwegssein (3,12-14).

Der Aufruf an die Vollkommenen zum Festhalten am Erreichten (3,15f.) leitet zum abschließenden Teil der Auseinandersetzung über. Noch einmal werden die Gegner scharf attackiert. Sie haben nur Irdisches im Sinn, die Heimat der wahren Christen aber ist der Himmel. 4,1 zieht in Form der Mahnung zur Gemeinschaft mit dem Herrn noch einmal ein letztes Fazit.

Briefschluss

4,2-9 Schlussparänese
4,10-20 Dank für die Unterstützung aus Philippi 
4,21-23 Postskript

Die Schlussparänese (4,2-9) greift nach der Mahnung zur Einmütigkeit das Motiv der eschatologischen Freude auf. Alles Handeln der Christen ist ein Handeln angesichts des nahen Herrn. Die in der Umwelt der Christen geltenden Normen sollen (kritisch) aufgenommen werden. Am Ende aber steht der Verweis auf das Beispiel des Apostels und seine Unterweisung.

Paulus dankt den Philippern für die Unterstützung, die sie ihm durch Epaphroditus haben zukommen lassen. Sie ist letztlich eine Opfergabe an Gott, der sie vergelten wird. Eine kurze Doxologie, Grüße und der Gnadenwunsch schließen den Brief ab.

die-Bibel.dev.4.17.7
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