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5.2. Der 1. Petrusbrief (1Petr)

Übersicht über den 1. Petrusbrief

1,1f. Präskript
1,3-12 Proömium
1,13-2,10 Das neue Leben der Wiedergeborenen
2,11-3,12 Die Christen in den menschlichen Ordnungen
3,13-4,11 Verhalten angesichts der Verleumdungen der Heiden
4,12-19 Verfolgung als Anteil am Leiden Christi
5,1-11 Schlussparänese
5,12-14 Postskript

Der Verfasser

Der 1Petr erhebt im Präskript den Anspruch, vom Apostel Petrus verfasst worden zu sein. Dieser Anspruch ist in der Alten Kirche auch weithin anerkannt worden. Eine ganze Reihe von Indizien sprechen aber dafür, dass es sich um ein pseudepigraphes Schreiben handelt. Der Brief ist im Stil der literarischen Koine abgefasst worden. Griechisch muss deshalb die Muttersprache des Verfassers gewesen sein. Außerdem zeigt der Brief zahlreiche Verbindungen zu den Paulusbriefen. Diesen Indizien hat man entgegengehalten, dass in 5,12 Silvanus/Silas als der Schreiber des Briefes genannt wird, womit sicherlich der Paulusmitarbeiter (1Thess 1,1; 2Kor 1,19 u. ö.) gemeint ist.

Trotzdem sollte der pseudepigraphe Charakter des Briefes nicht bezweifelt werden, denn er bietet mehrfach Anachronismen für die Zeit des Apostels Petrus. So bezeichnet sich der Verfasser in 5,1 als „Mitpresbyter“ der angesprochenen Gemeindeleiter. Wichtigste Indizien sind aber wohl die Situation und Ausbreitung des Christentums in Kleinasien, die im 1Petr vorausgesetzt werden, aber für die Zeit vor dem Tod des Petrus (64?) nicht belegbar sind.

Die Adressaten

Der Brief ist „an die Auserwählten“ gerichtet, die „in der Diaspora“ (1,1) leben. Die dabei genannten römischen Provinzen umfassen fast ganz Kleinasien. Das Christentum hat also bereits jene Ausbreitung erreicht, die Plinius d. J. ca. 111/112 in seinem Brief an den Kaiser Trajan voraussetzt. Die Gemeinden, an die der 1Petr gerichtet ist, bestehen offenbar mehrheitlich aus Heidenchristen. Der Verfasser verweist mehrfach auf ihren früheren heidnischen Lebenswandel (4,3; vgl. 1,18 u. ö.) und redet davon, dass sie einst nicht Gottes Volk waren (2,10). Die innere Struktur der Gemeinden ist durch ein Nebeneinander von Gemeindeleitung durch die Presbyter (die „Ältesten“) (5,1-4) und charismatischen Diensten (4,10f.) bestimmt.

Der Anlass des Briefes

Unmittelbarer Anlass des Briefes ist eine äußere Konfliktsituation, in der sich die Adressaten befinden. Dabei muss man zwischen allgemeinen sozialen Pressionen und behördlicher Verfolgung unterscheiden. Der 1Petr redet davon, dass die Adressaten „als Übeltäter verleumdet“ werden (2,12; vgl. 3,16; 4,4). Das setzt zunächst nicht mehr als soziale Ausgrenzung voraus. Wenn dann aber in 4,12 von einer „Feuersglut“ die Rede ist, die als Prüfung über die Adressaten gekommen sei, müssen wohl doch behördliche Verfolgungsmaßnahmen in Betracht gezogen werden (vgl. 4,15f.).

Diese Verfolgungssituation und die dezidierte Unterscheidung zwischen Kaiser und Kyrios bzw. Gott (2,13.17) werden üblicherweise als Indizien für eine Datierung des Briefes in die Regierungszeit des Kaisers Domitian (81-96) gedeutet. Die Parallelen zu den von Plinius d. J. geschilderten Christenprozessen könnten aber auch an die Regierungszeit Trajans (98-117) denken lassen. 5,13 nennt als Abfassungsort „Babylon“. Apk 17,9 zeigt, dass mit dieser Chiffre Rom gemeint ist. Die Adressatenangabe und die Aufnahme paulinisch geprägter Theologie lassen jedoch eher an Kleinasien als Abfassungsort denken. 5,13 wäre dann Teil der Verfasserfiktion „Petrus“.

Literarischer Charakter

Der Verfasser des 1Petr steht in einem breiten Strom frühchristlicher Überlieferung. Er greift sowohl liturgische (?) Traditionen (1,18-21 u. ö.) als auch antike/frühchristliche Haus- und Ständetafeln (2,11-3,7) auf. Außerdem kann der 1Petr in die Wirkungsgeschichte der paulinischen Theologie eingeordnet werden (vgl. „in Christus“ 3,16; 5,10.14 u. a.).

Aufgrund des Präskripts lässt sich der 1Petr als briefliches Rundschreiben einordnen.

Briefanfang

1,1f. Präskript
1,3-12 Proömium

Im Präskript (1,1f.) begegnen bereits zwei wichtige Grundgedanken des Briefes. Zum einen versteht „Petrus“ die Christen als in der Zerstreuung lebend (vgl. 2,11). Zum anderen sind sie ausersehen, um mit Jesu Christi Blut besprengt zu werden (vgl. 4,13).

Das Proömium (1,3-12) erinnert die Adressaten an Grundlage und Ziel ihres Glaubens. Die Hoffnung der Christen bewirkt, dass sie trotz der Prüfungen, unter denen sie leiden müssen, voller Freude sind. Die Prüfungen dienen zur Bewährung des Glaubens. Ziel des Glaubens ist das Heil, nach dem die Propheten geforscht haben (beachte die Abfolge: Leiden Christi und die darauf folgende Herrlichkeit in 1,11).

Das neue Leben der Wiedergeborenen

1,13-25 Aufforderung zu einem Leben in Heiligkeit, Gottesfurcht und Bruderliebe
2,1-10 Das Wesen der Gemeinde

„Petrus“ fordert die Adressaten mit einer Kette von christologisch bzw. theologisch begründeten Mahnungen zu einem Leben auf, das dem Evangelium entspricht (1,13-25). Im Zentrum steht der Verweis auf das Christusgeschehen. Dabei setzt der Briefschreiber den Akzent deutlich auf Kreuz und Auferstehung. Die Mahnungen bleiben relativ allgemein.

Der Abschnitt 2,1-10 führt den Gedankengang fort und spitzt ihn auf das Wesen der Gemeinde zu. Dabei kombiniert „Petrus“ ausgehend von Jes 28,16 eine Reihe von alttestamentlichen Zitaten. Jesus Christus wird als der Eckstein interpretiert, die Gemeinde als eine heilige Priesterschaft (2,9 – Priestertum aller Gläubigen).

Die Christen in den menschlichen Ordnungen

2,11-17 Christen in der heidnischen Umwelt
2,18-25 Christliche Sklaven (beachte: 2,21-25)
3,1-7 Frauen und Männer
3,8-12 Allgemeine Mahnungen

Die Christen sind „Fremde und Gäste“ in der irdischen Welt. Deshalb sollen sie den irdischen Begierden nicht nachgeben, sich aber „um des Herrn willen“ den menschlichen Ordnungen unterwerfen (2,11-17; beachte 2,12.15).

Unter Aufnahme von Elementen der spätantiken Haustafel gibt „Petrus“ spezielle Verhaltensmaßregeln für christliche Sklaven (2,18-25), Frauen und Männer (3,1-7). Unter den Anweisungen für die Sklaven begegnet erstmals die später wieder aufgenommene Unterscheidung zwischen rechtmäßig erlittenen Strafen für Verfehlungen und unschuldigem Leiden. Dieses geschieht in der Nachfolge Christi (früheste explizite Aufnahme von Jes 53 im Frühchristentum). Der Abschnitt wird durch wiederum alttestamentlich begründete (Ps 34,13-17) allgemeine Mahnungen abgeschlossen (3,8-12).

Das Verhalten angesichts der Verleumdungen der Heiden

3,13-22 Als Gerechte leiden
4,1-6 Leiden als Ende der Sünde
4,7-11 Besinnung auf das Wesentliche

Im Anschluss an diesen Versuch, den Ort der Christen in der heidnischen Gesellschaft zu beschreiben, führt „Petrus“ den Gedanken aus, der in 2,12.15 bereits angeklungen war und kombiniert ihn mit der bei den Sklaven eingeführten Unterscheidung zwischen schuldigem und unschuldigem Leiden. Wenn die Christen als Gerechte leiden, werden sie ihre Verleumder beschämen. Ihre Hoffnung gründet auf dem Sühnetod Christi und seiner Auferstehung, deren rettende Kraft durch die Taufe vermittelt wird (3,13-22; nur hier im NT die Tradition der Höllenfahrt Christi (Glaubensbekenntnis)).

Wie Christus durch sein Leiden der Sünde ein Ende gesetzt hat, so sollen die Christen ein Leben nach dem Willen Gottes führen und sich von dem „heidnischen Treiben“ fernhalten. Gerade damit aber erregen sie Anstoß in ihrer Umwelt (4,1-6). Angesichts des nahen Endes aller Dinge mahnt „Petrus“ zu einer Besinnung und Konzentration auf die Dinge, die das Wesen der christlichen Gemeinde ausmachen. „So wird in allem Gott verherrlicht durch Jesus Christus.“ (4,11)

Briefschluss

4,12-19 Verfolgung als Anteil am Leiden Christi
5,1-11 Schlussparänese
5,12-14 Postskript

Mit einer Zusammenfassung der bisher geäußerten Gedanken zum Leiden der Christen in ihrer heidnischen Umwelt (4,12-19) leitet „Petrus“ zum Schlussteil seines Briefes über. Die Verfolgungen werden als Anbruch des Endgerichtes interpretiert.

Die Schlussparänese (5,1-11) regelt vor allem die Hierarchie in der Gemeinde (Älteste als Hirten, Leitgedanke der Demut) und mahnt zur Glaubenswachsamkeit.

Im Postskript (5,12-14) ist die unscheinbare Formulierung 5,12b zu beachten, denn hier macht „Petrus“ abschließend noch einmal deutlich, dass er „Gnade“ in einem ganz spezifischen Sinne verstanden wissen will (vgl. 2,20).

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Die Texte auf dieser Seite sind mit freundlicher Genehmigung übernommen aus:

Cover der Bibelkundes des Neuen Testaments von Klaus-Michael Bull

Bull, Klaus-Michael: Bibelkunde des Neuen Testaments. Die kanonischen Schriften und die Apostolischen Väter. Überblicke – Themakapitel – Glossar, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 8. Aufl. 2018.

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