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2.2. Das 2. Buch Mose/Exodus (Ex)

Gliederung

Der Name des Buches Exodus, „Auszug“, gibt nur eines der Themen an, die in diesem Buch von Bedeutung sind. Auf die durch Gottes Einwirken erfolgreiche Flucht aus Ägypten (1-15) folgt die Wanderung zum Sinai (16-18). Danach beginnt ein Abschnitt, der bis in das Buch Numeri (Kap. 10) reicht, die sogenannte Sinaiperikope. In diesen Texten wechseln sich erzählende Partien und eingefügte Gesetzeskorpora ab. Dabei ist theologisch bedeutsam, dass Gottes erstes Wort, seine erste Tat an Israel als Volk, nicht die Forderung des Gesetzes, sondern die Rettung ist. Auch hier, wie schon in der Urgeschichte Gen 2-4, ist die Möglichkeit des Abfalls von Gott in der Erzählstruktur vorgesehen. Dafür steht die Erzählung vom Goldenen Kalb (Kap. 32), die aber durch den Bericht über die Vergebung Gottes (Kap. 34) ergänzt wird.

Übersicht Ex 1-15

1,1-14 Anwachsen Israels und Bedrückung durch die Ägypter
   15-22 Die gottesfürchtigen Hebammen (Motiv: Die Nachkommensverheißung setzt sich durch)
2,1-10 Moses Geburt, Aussetzung und Rettung (Motiv: Bedrohung des künftigen Retters)
   11-25 Moses Mord an einem ägyptischen Aufseher und Flucht nach Midian
3,1-4,31 Berufung Moses/ Gotteserscheinung am Horeb und Rückkehr nach Ägypten
3,14 Deutung des Gottesnamens (vgl. Themakapitel: Der Name Gottes )
4,1-9 Schlangenstab, Aussatzhand und Blutwasser als Zeichen der Beauftragung Moses durch Gott
4,10-17 "Berufung" des Aaron zum Munde des Mose
4,18-23 Moses Rückkehr nach Ägypten
4,24-26 Erzählung vom Blutbräutigam
5,1-6,1 Mose und Aaron vor dem Pharao
6,2-7,7 Erneute Berufung Moses (und Aarons) durch Gott
6,2 Gottesname ; Periodisierung des Wissens um den Gottesnamen
7,8-13 Mose und Aaron vor dem Pharao, Wettstreit mit den Zauberern
7,14-11,10 Die ägyptischen Plagen
12,1-13,16 Einsetzung des Passa
13,17-14,31 Durchzug durch das Schilfmeer
15,1-21 Siegeslied des Mose, V. 21 : Mirjamlied

Das Buch Exodus setzt inhaltlich da ein, wo die Genesis aufgehört hatte: Die Jakobsöhne halten sich in Ägypten auf, doch ihnen gilt die Zusage Gen 50,24, dass Gott sie aus Ägypten herausführen werde. Ex 1,1 beginnt mit den Namen der Söhne Israels/Jakobs, also mit der Familienperspektive, erweitert dann aber in V. 9 den Horizont: „Siehe, das Volk der Israeliten ist uns zu zahlreich und zu stark...“ Fortan geht es also um das Volk Israel mit seinen Anführern Mose und Aaron.

Mitteilung des Gottesnamens

Im Durchgang durch die Kapitel 1 bis 15 sind verschiedene Texte von hoher theologischer und bibelkundlicher Bedeutung. Wichtig ist vor allem der Vers 3,14, (vgl. 6,2), in dem als einziger Stelle im ganzen AT der Gottesname יהוה, JHWH, eine Deutung erhält: אֲשֶׁר אֶהְיֶה, ’æhejæh ’ašær ’æhejæh, „ich werde sein, der ich sein werde/ich bin, der ich bin“. Den Stellen 3,14 und 6,2 ist gemeinsam, dass sie voraussetzen, den Israeliten werde der Gottesname erst hier mitgeteilt, den Vätern habe Gott sich nicht unter seinem eigentlichen Namen zu erkennen gegeben. Dies ist einer der Ansatzpunkte der sog. Keniteroder Midianiterhypothese, nach der der JHWH-Glaube aus Midian kommt und von den Kenitern (vgl. die Erwähnung der JHWH-Verehrung der Nachkommen des Kain in Gen 4,17-26) oder Midianitern (Moses Schwiegervater amtiert in Ex 18 als Priester) übernommen worden sei.

Die Berufungsgeschichten des Mose zeigen wie andere alttestamentliche Berufungsberichte das Motiv, dass sich der zu Berufende gegen den Auftrag wehrt (vgl. Jer 1).

Plagenerzählung

Die Erzählung von den 10 Plagen (7,14-11,10) deutet im Erzählverlauf an, was den Pharao letztendlich dazu bewegt, die Israeliten gehen zu lassen. Die letzte Plage wird erst mit dem Passa-/Auszugsgeschehen berichtet. Die Zeichen wollen die einzigartige Macht Gottes bezeugen, daher auch der teilweise (vgl. die einzelnen Plagen) berichtete Wettkampf mit den ägyptischen Zauberern. Die Plagen 1-9 haben dabei Anhalt an Naturerscheinungen, die es in Ägypten gegeben hat:

  1. 1.Nilwasser zu Blut
  2. 2.Frösche
  3. 3.Mücken
  4. 4.Bremsen
  5. 5.(Tier-)Pest
  6. 6.Beulen/Geschwüre
  7. 7.Hagel
  8. 8.Heuschrecken
  9. 9.Finsternis
  10. 10.Tötung der Erstgeburt

Auch die Plagenerzählung ist aus verschiedenen Überlieferungssträngen zusammengesetzt, was sich an der unterschiedlichen Darstellung der Zauberer und der Differenzierung zwischen Ägyptern und Israeliten erkennen lässt. In diesen Erzählungen fällt, anders als in der Josefsnovelle, die durchgängig negative Darstellung der Ägypter auf. Sie grenzt oft ans Satirische: Der Pharao versteht nicht, dass es nutzlos ist, die Jungen zu töten, wenn man Nachwuchs verhindern will (1,22); die Ägypterinnen verleihen bereitwillig ihren Schmuck, als ihre israelitischen Sklaven in die Wüste ziehen wollen (12,35).

Passafest

Das Passafest (פֶּסַח pæsaḥ) war früher wohl ein Hirtenfest, bei dem ein Schaf geschlachtet wurde. Das Bestreichen des Türpfostens mit dem Blut ist ein alter apotropäischer (unheilabwehrender) Ritus, der Schutz vor einem Dämon bewirken sollte. Später wurde das Passa mit dem Mazzot-Fest, einem Ritus zur ersten Ernte, verbunden. Noch später geschah eine Interpretation durch das Exodusereignis. Das Halten von Passa-Mazzot soll an die Herausführung aus Ägypten erinnern (vgl. 13,8: „Und du sollst das deinem Sohn an jenem Tage erklären“).

Schilfmeer

Der Bericht über die Begebenheiten am Schilfmeer (13,17-14,31) weist zwei ineinandergewebte Versionen des Ereignisses auf. In der ersten schickt Gott einen starken Ostwind, der das Wasser zurückdrängt. Eine spätere Deutung verstärkt das Wunderhafte: Durch Moses ausgestreckten Stab wird das Wunder bewirkt. Historisch ist möglich, dass der Auszug einer kleinen Nomadengruppe im späten 13. Jh. etwa im Gebiet südlich des Ballah-Sees südöstlich des Nildeltas stattgefunden hat.

Siegeslied der Israeliten

Das Siegeslied der Israeliten 15,1-21 ist mit Ri 5, dem Deboralied, und 1Sam 2, dem Lied der Hanna, zu vergleichen; es ist interessant, dass diese Lieder von Frauen gesungen werden. V. 21 ist vielleicht eines der ältesten Stücke des AT überhaupt, das sogenannte Mirjamlied.

Wüstenwanderung

15,22-27 Mara, Bitterquell
16,1-36 Manna und Wachteln
17,1-7 Wasser aus dem Felsen in Kadesch/Massa und Meriba
17,8-16 Amalekiterschlacht in Refidim
18,1-27 Besuch von Moses Schwiegervater Jitro, Einsetzung von Richtern

Das wesentliche Motiv dieser Erzählungen der Wüstenwanderung ist das des Murrens des Volkes über bestimmte Nöte. Dabei bewahrt Gott sein Volk durch verschiedene „Wunder“ (ätiologische Erzählungen für bestimmte Naturphänomene?) und ist in „Wolkensäule und Feuerschein“ präsent (14,24; 16,10). Man sollte diese Texte zusammen mit den parallelen Überlieferungen in Num 10-20 lesen.

Offenbarung am Sinai

19,1-25 Erscheinung Gottes auf dem Sinai in Feuer und Rauch
20,1-17 Dekalog, (Themakapitel: Der Dekalog/Die 10 Gebote) vgl. Dtn 5
20,18-21 Distanz des Volkes zum Geschehen
20,22-23,33 Bundesbuch
24,1-18 Bundesschluß am Sinai

Bevor Gott seine Weisungen offenbart, erscheint er selbst in einer Theophanie (Kap. 19). Im AT werden solche Offenbarungen mit vergleichbaren Erscheinungen (Feuer; Vulkan?) verbunden (vgl. Ri 5,4; Hab 3; Ps 68,8f.). Vor der Offenbarung schwört das Volk seinen Gehorsam. Darauf folgt der Dekalog als (spätere) Zusammenfassung des Willens Gottes, dann ein eigenständiges Gesetzeskorpus, das sogenannte Bundesbuch, das im Zentrum des Exodus-Buches steht. Das Buch wurde wohl als feststehende Größe in den Zusammenhang eingefügt. Es hat seinerseits eine komplizierte Wachstumsgeschichte. Wichtig ist seine theologische Rahmung in 20,22-26 und 23,20-33, dazu der wohl älteste Festkalender des AT in 23,10-17. Die bekannte Talionsformel „Auge um Auge...“, die schon aus dem babylonischen Codex des Königs Hammurapi (ca. 1700 v. Chr.) bekannt ist, findet sich in 21,23-25.

Herstellung der Stiftshütte

In Ex 25 beginnt der ausführliche Komplex des priesterlichen Gesetzes, der bis Num 10 reicht und durch verschiedene erzählerische wie gesetzliche Abschnitte unterbrochen wird. Diese Texte sind das Zentralstück der Priesterschrift. Gott gebietet durch sein Wort (vgl. Gen 1) die Ausstattung des Heiligtums und die Vorschriften für die Priester, um so in Israel einen richtigen Gottesdienst zu ermöglichen. Die Texte sind erst nach dem Exil auf diese Weise angeordnet worden, sie reagieren auf die Zerstörung des Tempels in Jerusalem. Verwirrend ist dabei, dass sie von der Redaktion vor das ältere Deuteronomium eingestellt wurden. Der wahre Kult soll auf das Grundereignis zwischen Gott und seinem Volk Israel am Sinai zurückgeführt werden. Der Kult gilt nun (anders als im Deuteronomium) nicht mehr als nur an den einen Ort Jerusalem gebunden. Statt dessen wird eine alte Vorstellung von einem Wanderheiligtum aufgegriffen; der Kultus ist nun überall möglich, wo er richtig ausgeübt wird. Das Zelt der Begegnung (oder: die Stiftshütte) wird daher als kleiner, transportabler Tempel beschrieben. Dabei werden in der Stiftshütte die Einrichtungen des untergegangenen Jerusalemer Tempels nachgebildet, besonders die Lade mit der Sühneplatte כַּפֹּרֶת (kapporæt) als Deckel. Nur dort kann Gott seinem Volk wirklich erscheinen, um Segen zu bringen und Sühne zu wirken (29,43).

Bundesbruch der Israeliten

32,1-6 Goldenes Kalb : Das ist dein Gott, Israel, vgl. 1Kön 12,28
32,7-35 Vernichtungswille Gottes und Interzession/ Fürbitte Moses
33,1-23 Erneute Verheißung, Zeltheiligtum mit Josua als Diener, Mose darf Gottes Herrlichkeit schauen.
34,1-35 Erneuerung der Gesetzestafeln, Kultischer Dekalog 10-28, Hülle auf dem Angesicht Moses, vgl. 2Kor 3,14

In dem Bericht über den Bundesbruch der Israeliten am Sinai erscheint Aaron, der ja der Prototyp des Priesters ist, sehr negativ. Er ist derjenige, der für die Anfertigung des goldenen Kalbes verantwortlich ist. Das kann auf spätere Gemeindekonflikte um die Bedeutung des Priestertums hinweisen. Mose wird dagegen in einer modifizierten Mittlerrolle dargestellt; er bittet Gott um Strafminderung für das sündige Volk. In diesen Kapiteln spielt auch das Thema der Barmherzigkeit Gottes eine besondere Rolle; wichtig ist die sogenannte Gnadenformel in Ex 34,6: „Der Herr – ein barmherziger und gnädiger Gott, langmütig und reich an Huld und Treue“ (vgl. 33,19). Die Geschichte vom goldenen Kalb ist sicher auch als Polemik gegen die Stierbilder zu verstehen, die Jerobeam I. nach der Reichsteilung in Dan und Bet-El hatte aufstellen lassen (so 1Kön 12). Stiere galten im Alten Orient als Symbol der Macht einer Gottheit. Mehrere in Syrien/Palästina gefundene Stierfiguren aus der Bronzezeit (Mitte des 2. Jt.) zeigen, wie sich der Erzähler das Bild vom Kalb vorgestellt haben mag.

Festkalender

Mazzotfest ( Ex 23,14; 34,18, vgl. Dtn 16,1-8) Fest der ungesäuerten Brote, zu Beginn der neuen Ernte im Monat Abib gefeiert. Später wurde es mit dem Passa verbunden, vgl. Ex 12. [Christlich: Ostertermin]
Wochenfest ( Ex 23,16; 34,22; vgl. Dtn 16,10) sieben Wochen nach dem Mazzotfest gefeiertes Fest, bei dem die Erstlinge der Weizenernte dargebracht wurden. [Pfingsttermin]
Herbst-/Laubhüttenfest ( Ex 23,16); 34,22; vgl. Dtn 16,13.16) Nach Lev 23,43 mit dem Exodusgeschehen verbundenes Fest, das ursprünglich ein Herbst- und Jahreswechselfest war.

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Die Texte auf dieser Seite sind mit freundlicher Genehmigung übernommen aus:

Cover der Bibelkunde des Alten Testaments von Martin Rösel

Rösel, Martin: Bibelkunde des Alten Testaments. Die kanonischen und apokryphen Schriften. Mit Lernübersichten von Dirk Schwiderski, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 11., veränd. Aufl. 2021.

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