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Geschmack

(erstellt: November 2009)

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1. Geschmack

Der Mensch ist für sein Überleben darauf angewiesen, dass seine biologischen Grundbedürfnisse befriedigt werden. Man kann ohne Weiteres davon ausgehen, dass die antiken Einwohner des recht kargen Landes der Bibel, erhebliche Anstrengungen unternehmen mussten, um sich die tägliche Nahrung zu sichern, insbesondere wird die Versorgung mit tierischem Eiweiß ein Dauerproblem dargestellt haben. Selbstverständlich müssen in einer solchen Lage alle Personen ihre Erzeugnisse zusammen legen, um ein abwechslungsreiches und ausreichendes Nahrungsangebot zu erhalten. Da man Fleisch kaum haltbar machen konnte, mussten, wenn man denn einmal ein Tier schlachtete, große Mahlgemeinschaften gebildet werden, die das zubereitete Fleisch restlos verzehren konnten. Solche Mahlgemeinschaften kamen über Einladungen zu festlichen Anlässen zu Stande. Dass diese Einladungen so funktionierten, dass jeder reihum nach seinen Möglichkeiten und auf der Basis der Gegenseitigkeit zur Versorgung beiträgt, war für die Gemeinschaft überlebenswichtig. Selbstverständlich verknüpften sich auch soziales Ansehen und religiöse Konnotationen mit der gemeinsamen Mahlzeit (Smend, 454-458). Es ist kein Zufall, dass im alten Israel die Theophanie am Sinai mit einer Mahlzeit vor Gott verbunden wird (Ex 24,11). Die Mahlzeiten im alten Israel dienten vor allem dazu, die nötige Nahrung zu sich zu nehmen, kulinarische Interessen spielten in aller Regel keine Rolle. Es ging darum, satt zu werden (Dtn 6,11; Dtn 8,10.12; Dtn 11,15; Spr 13,25); auch vom eschatologischen Festmahl in Gottes Reich erwartet man sich, dass es von kalorienreichem Fett triefe (Jes 24,6) und dass auch die Armen satt würden (Ps 22,27). Aus solchen Vorstellungen kann man schließen, dass das Ziel der Mahlzeit im alten Israel mehr als erreicht war, wenn man zum Überleben genug hatte. Über das Ziel der Kalorienaufnahme hinaus verfügte man sicher auch über Erfahrungswerte, welche Speisen in welchen Mengen und Zubereitungsarten für den Menschen besonders bekömmlich waren und nachhaltig zur Gesunderhaltung beitrugen. Der Geschmack der Speise spielte demgegenüber eine unbedeutende Rolle. Entsprechend wenig Belege der Worte „Geschmack / schmecken“ kommen vor. Trotzdem wird man sich, insbesondere bei festlichen Anlässen auch bemüht haben, die Speisen durch kostbare Zutaten, ihr richtiges Mischungsverhältnis und die Zugabe von Gewürzen zu verfeinern.

Vorbehalte gegen das Streben nach besonderem Genuss beim Essen zeigen sich in der Weisheit, etwa in Spr 23,3.6, wo davor gewarnt wird, geschmackvolle Speisen (maṭ ’ammîm) zu begehren (vgl. Sir 37,29 [Lutherbibel: Sir 37,32]). In der Prophetie geht es darum, dass sich nur solche Leute das Streben nach Genuss beim Essen leisten können, die ihre Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft insgesamt ignorieren. So bewertet es → Amos als Indiz der Dekadenz der reichen Oberschicht → Samarias, dass man das besonders zarte Fleisch von Lämmern isst oder Kälber in Mastställen bewegungslos hält, um ihr Fleisch hell und zart zu erhalten, oder kostbaren Wein trinkt (Am 6,4-5). → Daniel verzichtet drei Wochen lang neben Fleisch und Wein bewusst auch auf „begehrenswertes Brot“ (læchæm chǎmudôt), um sich für den Empfang einer göttlichen Botschaft vorzubereiten. Ob dieses Brot besonders wohlschmeckend war, wie viele Bibelübersetzer vermuten, oder es nicht eher auf die Kalorienzahl der Beilagen ankam, muss zumindest offen gehalten werden.

1.1. Die Grundbedeutung der Wurzel טעם

Das Verb „schmecken“ hat sein Äquivalent im Hebräischen in der Wurzel טעם ṭ’m. Das Organ, das als zuständig für die Geschmacksempfindung erwähnt wird, ist der „Gaumen“ חך chekh, so in Hi 12,11 // Hi 34,3. Die Aussage, dass die Zunge den Geschmack feststellt, ist im Alten Testament nicht belegt. Der körperliche Vorgang des Schmeckens wird klar in 2Sam 19,36 erkenntlich, wo es darum geht, dass der mit 80 Jahren hochbetagte → Barsillai keine Geschmacksempfindungen mehr hat (vgl. auch Hi 12,20). In 1Sam 14,24 geht es darum, dass die Furcht vor dem Fluch → Sauls, der jeden treffen soll, der → Brot isst, dazu führt, dass niemand im Volk auch nur das Brot kostet und so den Geschmack prüft (der gleiche Vorgang ist auch in 2Sam 3,35 und Jon 3,7 im Blick). Auch im Falle → Jonatans lässt sich der Geschmack des → Honigs mit einer kleinen Kostprobe prüfen (1Sam 14,29), gerade soviel, wie an einer Stockspitze beim Eintauchen haften bleibt (1Sam 14,43).

Das Substantiv „Geschmack“ hat sein Äquivalent im Hebräischen טעם ṭa’am. In Ex 16,31 und Num 11,8 wird der Geschmack des während der Wüstenwanderung wunderbar gespendetenen → Mannas beschrieben, nach Ex 16,31 soll es „wie Honigkuchen“, nach Num 11,8 „wie Ölkuchen“ geschmeckt haben. Jer 48,11 nimmt den Umstand, dass Wein von Zeit zu Zeit umgeschüttet werden muss, um guten Geschmack zu entfalten, als Vergleich zur Geschichte des Volkes → Moab. Weil Moab von den Umsiedlungsmaßnahmen der Assyrer verschont geblieben ist, hat es sich auch nicht entfalten können. In Hi 6,6 „findet man Geschmack am Schleim des Eibisch?“ (Zürcher Bibel) geht es darum, dass kein Geschmack vorhanden ist.

Zwei Belege für טעם ṭa’am fallen aus dem Rahmen. In Jon 3,7 bezeichnet das Wort, als aramäisches Lehnwort, ganz offensichtlich einen Erlass des Königs (Wolff, 126). Ganz anders ist die Bedeutung in 1Sam 21,14: David spielt den Dienern des Königs → Achisch von Gat vor, dass er verrückt sei. Die Formulierung lautet im Hebräischen, wörtlich übersetzt, „er veränderte seinen Geschmack“. Aus dem Kontext geht aber hervor, dass es nicht um den Geschmack Davids oder um Speisen, sondern darum geht, dass David von außen wahrnehmbare Symptome von Geistesgestörtheit simuliert; so trommelt er z.B. mit seinen Händen gegen die Türen und lässt Geifer in seinen Bart herablaufen.

1.2. Das Wissen der Frauen um die Nahrungszubereitung

Der hebräische Begriff „Geschmack“ טעם ṭa’am kann auch metonymisch das umfassende Wissen um die gesundheitsförderliche und schmackhafte Zubereitung der Nahrung bezeichnen, wie es insbesondere Frauen zugesprochen wird. Nach Spr 11,22 ist ein solches Wissen unvergleichlich wichtiger für eine Frau als ihre Schönheit. Eine schöne Frau, der der Geschmack fehlt, wird mit einem Schwein verglichen, das einen goldenen Ring im Rüssel trägt. Die Schönheit des Ringes nützt nicht viel, da es nichts daran ändert, dass man das nicht-koschere Fleisch nicht essen kann.

Eine praktische Anwendung solchen Wissens illustriert das Verhalten → Rebekkas: Der altersschwache → Isaak, der nicht mehr sehen, aber offensichtlich auch nicht mehr richtig schmecken kann, wünscht sich auf seine letzten Tage noch einmal sein Leibgericht (maṭ’ammîm), nämlich Wildbret, wie es nur sein Sohn → Esau erjagen und zubereiten kann (Gen 27,4). Aber Rebekka verfügt über die nötigen Kochkünste, um zwei geeignete Ziegenböcke so zuzubereiten, dass sie Isaak so schmecken, als handle es sich um sein Leibgericht. Diese raffinierte Maßnahme trägt dazu bei, dass Jakob an Stelle seines Bruders den → Segen des Vaters erhält.

Ein vergleichbarer Fall liegt in 1Sam 25 vor. → Abigail hat intuitiv begriffen, dass ihr in → David ein Mann gegenübersteht, der im Begriff ist, zum künftigen Fürsten Israels aufzusteigen. So überbringt sie ihm, hinter dem Rücken ihres Mannes, höchstpersönlich eine riesige Menge an besten Speisen für seine Truppe (1Sam 25,18). Da lobt David ihren „Geschmack“ (1Sam 25,33). Dies bezieht sich vordergründig auf die Lieferung der Speisen, die Abigail überbringt. Durch die Situation ist aber auch klar, dass David ihr gesamtes Verhalten meint, nämlich ihre Bereitschaft, um David zu folgen, ihren Mann dran zu geben, der dann auch tatsächlich nach 10 Tagen – verdächtig schnell – stirbt.

Übertragen ist vom Geschmack der tüchtigen Hausfrau in Spr 31,18 die Rede, die geschmeckt hat, dass ihr Geschäft Gewinn bringt. Dies kann metonymisch gemeint sein, insofern es ihr gelungen ist, durch Warenaustausch den Speisezettel ihrer Familie zu bereichern. Es kann aber auch metaphorisch gemeint sein, insofern es ihr innere Befriedigung verschafft erfolgreich zu sein.

Welches Wissen um die Nahrung im alten Israel tatsächlich vorhanden war und nach welchen Rezepten gekocht wurde, kann hier und da mit kongenialer Imaginationskraft und praktischen Versuchen nachempfunden werden (z.B. Goodman 1996).

1.3. Religiöser Gebrauch

Der Begriff Geschmack kann auch auf religiöse Phänomene angewendet werden. In Ps 34,9 werden die Kultgenossen vom Beter aufgefordert, die Güte JHWHs zu schmecken. Dies verweist darauf, dass sich die Güte Gottes zuerst darin zeigt, dass man genügend und schmackhaft zu Essen hat, was sich im Neuen Testament in der Vaterunser-Bitte um das tägliche → Brot ausdrückt. Dass man im Rahmen der kultischen Mahlgemeinschaft, in der Gott als Gastgeber fungiert, leibhaft schmecken darf, dass für die materiellen Grundbedürfnisse gesorgt ist, dürfte darüber hinaus exemplarisch gemeint sein: Gottes Gütes zeigt sich auch darin, dass er immaterielle Bedürfnisse des Menschen befriedigt, etwa darin, dass in der Mahlgemeinschaft auch die gegenseitige Solidarität der Mitglieder der Gemeinschaft spürbar wird, die den Einzelnen trägt und die letztlich in der gemeinsamen Hinwendung zu JHWH wurzelt. In Ps 119,66 ist das deutlicher zu erkennen, insofern Güte, Geschmack und Wissen innerhalb derselben Aufzählung als Größen aufgefasst werden, die der Beter von Gott zu lernen wünscht. Hinter dieser sehr knappen Äußerung dürfte die Erkenntnis stehen, dass der Geschmack auch fehlgeleitet werden kann, weshalb es für ein gelingendes Leben darauf ankommt, einen guten Geschmack auszubilden, was letztlich nur im Kontakt mit Gott selbst gelingen kann.

2. Die Geschmacksrichtungen

Es spricht alles dafür, dass man zu Zeiten der Bibel ebenso wie im heutigen Europa die Geschmacksrichtungen „sauer“, „salzig“, „bitter“ und „süß" unterschieden hat. Neuerdings wird verschiedentlich noch die Geschmacksrichtung „umami“, nach dem japanischen Wort für „Wohlgeschmack“, angenommen. Im Alten Testament könnte dieser Geschmack vielleicht hinter der schwer zu deutenden Phrase שׁמנים ממחים šəmānîm məmuchājim in Jes 25,6 stehen, die, wenn man bei der Pluralform von einem Abstraktplural ausgeht, so etwas wie „markige Fettigkeit“ bedeutet und im Kontext offensichtlich dazu dient, die besondere Qualität des endzeitlichen Mahles hervorzuheben, dessen Gastgeber JHWH selbst ist. Sollte tatsächlich der herzhafte Geschmack einer Fleischbrühe im Blick sein, auf der Fettaugen schwimmen, dann könnte der Autor mit der singulären Phrase nach einem Wort für einen Geschmack gesucht haben, den heutzutage viele als „umami“ bezeichnen.

2.1. Sauer

Die Geschmacksrichtung „sauer“ (Wurzel חמץ chmṣ) verbindet sich im Alten Testament mit dem Sauerteig (z.B. Ex 12,19-20) und dem Essig chomæṣ. Eine metaphorische Verwendung ist nicht belegt.

2.2. Salzig

Kochsalz (Wurzel מלח mlch) ist einerseits leicht zu gewinnen und verfügt andererseits über die gute Eigenschaft, das Wachstum von Bakterien zu verhindern, so dass es der Haltbarmachung ganz verschiedener Speisen diente. Es wurde auch als Zusatz zum Essen eingesetzt (Hi 6,6; auch Esra 4,14). Nach Lev 2,13 müssen Speiseopfer gesalzen werden. Der Sinn dieser Maßnahme ist nicht ganz klar, sehr wahrscheinlich geht es aber nicht um den Geschmack, sondern darum, dass das Fleisch haltbar wird und nicht sofort verzehrt werden muss.

Eine übertragene Verwendung des salzigen Geschmacks ist im Alten Testament nicht belegt. Jesu Zusage an seine Jüngergemeinde „Ihr seid das Salz der Erde!“ (Mt 5,13) dürfte sich nicht auf Salz, sondern eher auf Dünger beziehen, denn Salz kann eigentlich nicht seinen Geschmack verlieren. Dünger dagegen kann „durch mikrobielle Aktivität seine Kraft verlieren und verderben“ (Hüttermann, 153).

2.3. Bitter

Die Geschmacksrichtung bitter (Wurzel מרר mrr) ist vor allem mit dem Wermut verbunden (Spr 5,4). Bittere Dinge sind in der Regel ungenießbar oder sogar schädlich (bitteres Wasser Ex 15,23; bittere Weintrauben Dtn 32,32). Im Falle des bitteren Geschmacks kommt der interessante Hinweis vor, dass auch guter Wein bitter schmecken kann, wenn man innerlich verbittert ist (Jes 24,9). Etwas Ähnliches findet sich in der Berufungsvision des Propheten Ezechiel, wo eine Buchrolle, die auf Grund ihres Inhalts eigentlich bitter schmecken müsste, dem Propheten als süß erscheint (Ez 3,3). Der metaphorische Gebrauch des bitteren Geschmacks ist reich belegt. Dass die Seele (næfæš, eigentlich die Gurgel) „bitter“ werden kann (Hi 3,20; Hi 21,25) hat noch einen Anhalt daran, dass die Gurgel neben dem Atmen auch der Nahrungsaufnahme dient. Aber auch der Tod ist bitter (Pred 7,26; vgl. Ez 27,31) oder sogar das ganze Schicksal, das jemand zu tragen hat (Noomi Rut 1,13.20, Hiob Hi 27,2, Zion Klgl 1,4, die Hebräer in Ägypten Ex 1,14).

Singulär ist eine Stelle in → Hosea, wo der Prophet Efraim vorwirft, Gott bis zu „völliger Verbitterung“ (Hos 12,15) gereizt zu haben. Der hebräische Ausdruck tamrûrim ist der Abstraktplural von einem Wort, das sonst nicht belegt ist (nur Jer 6,26 und Jer 31,15 zitieren den Begriff), und soll mit stark anthropomorpher Rede den Gemütszustand Gottes charakterisieren, aus dem heraus nachvollziehbar wird, warum JHWH das Nordreich den assyrischen Truppen preisgeben konnte.

2.4. Süß

2.4.1. Grundbedeutung

Die Geschmacksrichtung süß (Wurzel מתק mtq) ist mit Abstand am häufigsten belegt. Der grundlegende Gegenbegriff zu „süß“ ist im Alten Testament nicht „sauer“, sondern „bitter“ (so in Jes 5,20; allerdings wird an dieser Stelle in Angleichung an heutiges Empfinden gerne statt „bitter“ „sauer“ übersetzt). Die Süße definiert sich sprichwörtlich über den → Honig דבשׁ dəbaš (Spr 24,13). Im Alten Testament gibt es nur zwei Hinweise, wie man ihn gewann: In Ri 14,8-9 und in 1Sam 14,27 geht es um wilden Honig. Seit dem spektakulären Fund einer Großanlage von Bienenstöcken in Tel Rechov ist aber klar, dass man im alten Israel seit dem 10. Jh. v. Chr. auch das Imkereiwesen beherrschte (Mazar 2007). Daneben gab es noch eingedickte Säfte von süßen Früchten, z.B. Datteln oder Weintrauben. Dass etwas „süßer als Honig“ sein kann, ist nur im metaphorischen Gebrauch belegt.

2.4.2. Metaphorischer Gebrauch

Der metaphorische Gebrauch von „süß“ ist reich belegt. Vor allem sind es freundliche (Spr 16,24) und verständnisvolle (Spr 16,21) Worte, die als süß qualifiziert werden. Auch die Weisheit wird mit dem süßen Honig verglichen (Spr 24,13-14). In Sir 24,20 [Lutherbibel: Sir 24,27] wird das sogar zu der Spitzenaussage gesteigert, wonach es „süßer als Honig“ sei, Weisheit zu besitzen. Im → Hohenlied wird die erotisch-sexuelle Anziehungskraft der sich hingebenden Lippen der geliebten Partnerin als süß erlebt (Hhld 5,16; Hhld 4,11).

2.4.3. Geschmacksverirrung

Der süße Geschmack ist eigentlich die Richtschnur zur bekömmlichen Speise und übertragen zum erfüllten Leben. Das zeigt sich im Extremfall auch daran, dass süß schmeckt, was zum Leben dient, auch wenn der Eigengeschmack der Speise eigentlich das Gegenteil darstellt (Spr 27,7): „Ein Satter tritt Honigseim mit Füßen; aber einem Hungrigen ist alles Bittre süß.“ Leider kann man sich aber nicht in allen Situationen auf seinen Geschmack verlassen. Es gibt so grundlegend verkehrte Menschen, dass ihnen sogar das Böse süß schmeckt (Hi 20,12-14; vgl. Spr 9,17).

Eine singuläre Aussage enthält der Vorwurf → Jesajas (Jes 5,20): „Weh denen, die Böses gut und Gutes böse nennen, die aus Finsternis Licht und aus Licht Finsternis machen, die aus bitter süß und aus süß bitter machen.“ Singulär ist die, freilich nicht leicht zu deutende, Aussage insofern, als Jesaja offensichtlich Gegner adressiert, die es vermögen, größere Teile der Bevölkerung so zu manipulieren, dass deren elementarste Geschmacksempfindung in ihr Gegenteil verkehrt wird.

2.4.4. Gottes süßes Wort

Angesichts dessen, dass normalerweise der Geschmack des Süßen dem rechtschaffenen Menschen auch den Weg zum Lebensförderlichen anzeigt, hat auch das Erleben Gottes eine Affinität zum Süßen. In dem auf Griechisch abgefassten → Buch der Weisheit gibt es tatsächlich ein einziges Mal die Rede von „deiner (=Gottes) Süßigkeit glykytes“ (Weish 16,21, dazu Maiberger, 153). Vor allem ist es das Wort Gottes, das als begehrenswerte Speise dargestellt wird (Jer 15,16). In Ps 119,103 wird auch der Geschmack des Wortes angegeben: „Dein (=Gottes) Wort ist meinem Munde süßer als Honig.“ (vgl. auch Ps 19,11).

„Auch wenn das Wort Gottes den Menschen beansprucht und von ihm die Einhaltung von Rechtsnormen verlangt, so wird das vom Gläubigen doch nicht als eine von außen herangetragene Fremdbestimmung erlebt, sondern als Orientierung auf der Suche nach gelingendem, vollgültigem Leben. Nur weil Menschen sich oft falsche Vorstellungen darüber machen, was ihnen gut tut und Sinn macht, stößt ihnen Gottes Wort mitunter bitter auf“ (Schart, 67).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
  • Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, 5. Aufl., München / Zürich 1994-1995
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003

2. Weitere Literatur

  • Goodman, Naomi / Marcus, Robert / Woolhandler, Susan, Rezepte zwischen Himmel und Erde. Gaumenfreuden aus biblischer Zeit, Asslar 1996
  • Hüttermann, Aloys, Die ökologische Botschaft der Thora. Die mosaischen Gesetze aus der Sicht eines Biologen, Naturwissenschaften 80 (1993), 147-156
  • Maiberger, Paul, Zur „Dulcedo Dei” im Alten Testament, Trierer theologische Zeitschrift 94 (1985), 143-157
  • Mazar, Amihai / Panitz-Cohen, Navar, It Is the Land of Honey. Beekeeping at Tel Rehov, Near Eastern Archaeology 70 (2007), 202-219
  • Schart, Aaron, Gottes Wort – Verführerisch süß. Die Bibel als Geschmacksschule; in: Heiko Schulz (Hg.), Essen im Blick, Essener Unikate 30, Essen 2007, 60-71
  • Smend, Rudolf, Essen und Trinken – Ein Stück Weltlichkeit des Alten Testaments; in: Herbert Donner u.a. (Hg.), Beiträge zur Alttestamentlichen Theologie (FS Walther Zimmerli), Göttingen 1977, 446-459
  • Wolff, Hans Walter, Dodekapropheton 3. Obadja und Jona (BK.AT 14,3), Neukirchen-Vluyn 2. Aufl. 1991

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