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(erstellt: Februar 2009)

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1. Name

Der (Eigen-)Name Siamun (S3-Jmn) bedeutet „Sohn des Amun“ und wird in unterschiedlicher Weise geschrieben. In kursivschriftlichen („hieratischen“) Texten und in hieroglyphischen Inschriften, die erkennbar eine hieratische Vorlage hatten, wird die übliche Orthographie von s3 und Jmn gewählt und der Name hat keinen Zusatz, in rein hieroglyphischen Inschriften wird das Zeichen für → Amun mit einem Göttersymbol geschrieben, und der Name hat den Zusatz Mrjj-Jmn („geliebt von Amun“). Der Thronname ist Nṯrj-chpr-R‘ „Göttlich ist die Erscheinungsform des Re“. Weder Thron- noch Eigenname sind sonst unter den ägyptischen Königsnamen bezeugt (abgesehen von dem Zusatz S3-Jmn zum Eigennamen des → Herihor).

2. Familie

Sowohl sein Vorgänger Osorkon („der Ältere“, ein Onkel → Scheschonqs I.) als auch sein Nachfolger Psusennes II. (der Schwiegervater → Osorkons I.) sind mit der folgenden Dynastie familiär verbunden, aber über Abstammung und Familie des Siamun ist nichts bekannt, ebenso wenig über irgendwelche Angehörigen von ihm.

3. Chronologische Stellung

Im 10. Regierungsjahr des Siamun wird der Hohepriester Pajnedjem II., der auch unter dem König Amenemope bezeugt ist, in → Theben begraben (Jansen-Winkeln 2007, 141-142), und in einer Inschrift in Karnak wird ein Priester im Jahr 2 des Königs Osorkon („des Älteren“, bei Manetho [„Osochor“] Nachfolger des Amenemope) in sein Amt eingeführt, sein Sohn im Jahr 17 des Siamun (ibid., 111 [1]; 156 [58]; Kitchen 1996, § 4). Mithin regierte Siamun nach den Königen Amenemope und Osorkon. Sein Nachfolger ist Psusennes II., der Sohn des Hohenpriesters Pajnedem II., und seinerseits der Schwiegervater Osorkons I., des zweiten Königs der 22. Dynastie.

In den aus → Manetho exzerpierten Königslisten kommt kein Siamun vor, aber genau an dessen Position, als 6. und vorletzter König der 21. Dynastie, führt Manetho einen König Psinaches auf, der wiederum aus ägyptischen Inschriften nicht nachweisbar ist. Man geht daher allgemein davon aus, dass der König Psinaches bei Manetho die gleiche Person ist wie der König Siamun der ägyptischen Denkmäler, obwohl die beiden Namen nichts miteinander zu tun haben. Allerdings weist Manetho dem Psinaches nur 9 Regierungsjahre zu, während Siamun mindestens 16 volle Jahre regiert hat. Man behilft sich mit der Vermutung, in der manethonischen Überlieferung sei ein Iota (= Zahlzeichen 10) ausgefallen und tatsächlich <1>9 zu lesen. Für Siamun sind die Regierungsjahre 1, 3, 5, 7, 8, 9, 10, 14, 16 und 17 belegt (Jansen-Winkeln 2007, 286-287), er könnte daher 19 Jahre regiert haben. Die Gleichsetzung von Siamun und Psinaches beruht also nur auf der relativen Position beider in der Abfolge der Könige; sie ist dennoch allgemein anerkannt.

4. Bautätigkeiten und sonstige Bezeugungen

Am besten bezeugt ist Siamun in → Tanis, wo im Amuntempel mehrere Architekturfragmente, Gründungsdepots und Reste von Plastiken bzw. Großplastiken von ihm gefunden wurden (Jansen-Winkeln 2007, 112-113). Möglicherweise ließ er dort dem Tempel einen Vorhof anfügen. Auch im Muttempel von Tanis hat er gebaut (ibid., 113). Neben wenigen kleineren Funden aus Unterägypten ist von Siamun noch eine von Priestern aus → Memphis errichtete Kapelle (o.ä.) in Mitrahina bekannt, in denen seine Kartuschennamen angebetet werden (ibid., 151-156). In Oberägypten hat er keine Denkmäler hinterlassen. Allerdings wurde während seine Regierung dort (in Theben und → Abydos) nach ihm datiert, u.a. bei den Wiederbestattungen der Mumien von Ramses I., → Ramses II. und Sethos I. (ibid., 114-117).

5. Ein Feldzug nach Palästina?

In 1Kön 9,16 wird berichtet, dass ein ägyptischer König (ohne Namensnennung) zur Zeit → Salomos die Stadt → Geser einnahm und einäscherte, die Kanaanäer darin tötete und die Stadt anschließend seiner Tochter, einer Frau Salomos, als Mitgift zukommen ließ. Tatsächlich lässt sich auch für die 1. Hälfte des 10. Jh.s ein Zerstörungshorizont nachweisen (Strata X-IX). Da dieser Feldzug in die erste Dekade der Herrschaft Salomos fallen sollte, käme aus chronologischen Gründen dafür in erster Linie Siamun in Frage (Kitchen 1996, § 235, II). Unter den Architekturfragmenten aus dem Tempel von Tanis findet sich auch der Rest einer Triumphszene (Montet 1947, 36; Taf.IX.A), in der Siamun einen Feind erschlägt, der eine Doppelaxt ägäischen Typs in der Hand hält, wie sie bei den Philistern verbreitet war. Obwohl die These vom Feldzug Siamuns bezweifelt worden ist (Schipper 1999, 19-35), passen die verschiedenen Indizien so gut zusammen, dass man ihm eine recht hohe Wahrscheinlichkeit zubilligen kann (so auch Kitchen 2001, 378-379). In diesem Fall wäre Siamun auch der Vater der im Alten Testament mehrfach erwähnten → „Tochter Pharaos“ (1Kön 3,1; 1Kön 7,8b; 1Kön 9,16.24; 1Kön 11,1; 2Chr 8,11).

6. Bestattung

Möglicherweise ist Siamun (sekundär) im Vestibül des Grabes Psusennes’ I. in Tanis bestattet worden. Dort fanden sich neben dem Sarg des Königs Scheschonq Hekacheperre (aus der frühen 22. Dynastie) zwei Mumien in zerfallenen Holzsärgen (mit Uräus), bei denen es sich um Siamun und Psusennes II. handeln könnte, denn in demselben Raum des Grabes sind Uschebtis dieser beiden Könige gefunden worden, außerdem ein Skarabäus des Siamun (Jansen-Winkeln 2007, 113 [9-10]).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992
  • Lexikon der Pharaonen, München 1996

2. Weitere Literatur

  • Jansen-Winkeln, K., 2007, Inschriften der Spätzeit, Teil I: Die 21. Dynastie, Wiesbaden
  • Kitchen, K.A., 1996, The Third Intermediate Period in Egypt (1100-650), 3. Auflage, Warminster
  • Kitchen, K.A., 2001, Rezension zu Schipper 1999, Bibliotheca Orientalis 58, 376-385
  • Montet, P., 1947, Les constructions et le tombeau d’Osorkon II à Tanis, Paris
  • Schipper, B.-U., 1999, Israel und Ägypten in der Königszeit (OBO 170), Freiburg (Schweiz) / Göttingen

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