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(erstellt: September 2011)

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1. Geschichte

Das antike Thyateira (Θυάτειρα) – heute Akhisar, Kreisstadt mit ca. 74.000 Einwohnern, bekannt für Teppichherstellung – lag im nördlichen Lydien, zwischen → Pergamon (Bergama) und → Sardeis (Sart).

Thyateira wurde unter → Seleukos I. Nikator 281 v. Chr. als makedonische Militärkolonie gegründet; der lydische Name könnte aber an eine frühere Besiedelung denken lassen. Nach einer zunächst wechselvollen Geschichte als Vorposten verschiedener Mächte gehörte die Stadt seit 188 v. Chr. zum Königreich Pergamon und kam mit diesem – allerdings erst nach dem Aufstand des Aristonikos – 129 v. Chr. als Teil der neuen Provinz → Asia unter römische Herrschaft. Die wirtschaftliche Blüte in der Kaiserzeit (v.a. ab dem 2. Jh.) beruhte in Thyateira vor allem auf der Textilherstellung und der Metallverarbeitung. Handwerker und Geschäftsleute waren, wie auch in anderen Städten, in Vereinen (Gilden) unter dem Patronat einer Gottheit organisiert (Rostovtzeff, 619-620 Anm. 43). Obwohl keine Großstadt, war Thyateira eine Station auf der Reise, die Kaiser → Hadrian 123-125 n. Chr. durch → Syrien und → Kleinasien unternahm. Für den → Kaiserkult sind in Thyateira zwar → Altäre und → Priester bezeugt (vgl. die Karten bei Price, xxii-xxv), doch die Stadt scheint kein Zentrum des provinzialen Kaiserkultes gewesen zu sein. Da das antike Thyateira von einer modernen Siedlung überbaut ist, beschränkt sich das Ausgrabungsgelände auf eine kleine Parkanlage in der Innenstadt an der Stelle der Agora, wo Reste von Arkaden und einer Basilika aus der Spätantike zu sehen sind.

Für eine Zusammenstellung der Inschriften sowie der literarischen Zeugnisse siehe TAM V / 2, 306-418 (Nr. 855-1181) (Teil eines Großprojekts bei der Österreichischen Akademie der Wissenschaften: http://www.oeaw.ac.at/klasia/).

2. Vorkommen im Neuen Testament

Im Neuen Testament begegnet Thyateira an zwei Stellen: In Apg 16,14 wird es als Heimat der „gottesfürchtigen“ Purpurhändlerin (πορφυρόπωλις; prophyropōlis) → Lydia genannt, deren Haus zum Zentrum einer christlichen Gemeinde in → Philippi wird (Apg 16,15.40). Durch ihren Beruf mag sie als typische Vertreterin ihrer Stadt gelten (auch wenn sie als Purpurhändlerin nicht mit der Herstellung, sondern mit dem Verkauf exquisiter Textilien befasst ist). Nach Offb 1,11; 2,18-29 ist Thyateira auch eine der sieben Städte, an welche die → Johannesapokalypse gerichtet ist. Johannes warnt die Gemeinde in Thyateira in Offb 2,18-29 auf das Nachdrücklichste vor einer konkurrierenden Prophetin (→ Prophetie) (er belegt sie mit dem alttestamentlich inspirierten Kampfnamen → „Isebel“), die in seinen Augen zur Assimilation an die hellenistische Umwelt (→ Hellenismus), namentlich zur „Unzucht“ (πορνεία; porneia) und zum Verzehr von Opferfleisch (είδωλόθυτα, eidōlothyta) ermutigt; das war aber kein spezifisches Problem von Thyateira (vgl. auch Offb 2,14; ebenso Apg 15,20.29!). Die Polemik dieses Sendschreibens ist nicht als eine faktische Darstellung der Verhältnisse in Thyateira zu lesen (so ansatzweise bei Worth). Der Begriff „Unzucht“ ist zudem zweideutig: Er kann entweder einen tatsächlichen Normverstoß im sexuellen Bereich bezeichnen oder als → Metapher für Glaubensabfall verwendet werden. Bemerkenswert ist jedoch, dass Johannes in Offb 2,20-23 gegen eine eigenständige, einflussreiche Frau in der Gemeinde in Thyateira wettert; eine Parallele zur Lydia der Apg könnte nahe liegen, muss aber spekulativ bleiben. Anscheinend wurde Thyateira aber später ein Zentrum des Montanismus (Epiphanios, Pan. 51,33).

Literaturverzeichnis

1. Monographien und Aufsätze

  • Guttenberger, G.: „Johannes von Thyateira. Zur Perspektive des Sehers.“ in: Studien zur Johannesoffenbarung und ihrer Auslegung (FS O. Böcher), hg. von F.W. Horn und M. Wolter. Neukirchen-Vluyn 2005, 160-188
  • Hemer, C.J.: The Letters to the Seven Churches of Asia in their Local Setting (JSNT.S 11). Sheffield 1986, 106-128.
  • Kaletsch, H.: „Thyateira.“ in: DNP 12 / 1, 518.
  • Pezzoli-Olgiati, D.: „Zwischen Gericht und Heil: Frauengestalten in der Johannesoffenbarung.“ in: BZ.NF 43 (1999), 72-91.
  • Price, S.R.F.: Rituals and Power. The Roman Imperial Cult in Asia Minor. Cambridge 1984.
  • Rostovtzeff, M.: The Social and Economic History of the Roman Empire. 2nd ed. Oxford 21957.
  • Tituli Asiae Minoris. Vol V: Tituli Lydiae Linguis Graeca et Latina Conscripti. Fasc. II: Regio Septentrionalis ad Occidentem Vergens, hg. von P. Herrmann. Wien 1989.
  • Worth, R.H.: The Seven Cities of the Apocalypse and Greco-Asian Culture. Mahwah, NJ 1999, 154-168.

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