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(erstellt: April 2021)

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1. Bezeichnungen

Die hebräische Bezeichnung für Essig ist חֹמֶץ ḥomæṣ, die griechische ὄξος oxos.

2. Altes Testament

2.1. Lebenswelt

Essig entsteht durch die Gärung von alkoholischen Flüssigkeiten, insbesondere Trauben- und Obstwein sowie von Bier. Konzentriert fand er als Gewürz und Konservierungsmittel Verwendung. Als Getränk ist er eventuell auf Ostrakon Nr. 2 vom → Tel Arad erwähnt. Eljaschib, der Kommandant der Festung, erhielt demnach um 597 v.Chr. den Auftrag, die Kittäer (vermutlich eine im Dienst des judäischen Königs stehende griechische Söldnertruppe) nicht nur mit Wein und noch gärendem Wein, sondern auch mit ḥmṣ zu verproviantieren. Häufig vermutete man, dass damit Weinessig gemeint ist (vgl. Smelik 1987, 100f); andere denken – und das ist die wahrscheinlichere Deutung – an Sauerteig (hebr. חָמֵץ ḥāmeṣ, ein Wort, das von derselben Wurzel wie חֹמֶץ ḥomæṣ abgeleitet ist; Mittmann 1993, 45f; vgl. Weippert 2010, 356f).

Mit Wasser verdünnter saurer Wein (lat. posca) war ein beliebtes Getränk. Nach schwerer Feldarbeit konnte man solch ein durstlöschendes Getränk zu sich nehmen, wie im → Rutbuch erzählt wird (Rut 2,14). Dabei handelte es sich weniger um Essig, als um eine vermutlich leicht alkoholische Flüssigkeit mit etwas säuerlichem Geschmack, die „beim Gären von Getreide oder Trauben entsteht, dem Kwas oder Most vergleichbar“ (Köhlmoos 2010, 44). In diese flüssige „Leckerei“ tauchte man ein Stück Brot ein und hatte so eine nahrhafte und zugleich erfrischende Mahlzeit.

Der Genuss von Essig – wie auch anderen Alkoholika – war den Naziräern verboten, da sie sich zu Enthaltsamkeit verpflichtet hatten (Num 6,3).

2.2. Metaphorik

Auf Essig wird im Rahmen der Bildsprache mehrfach Bezug genommen: So vergleicht Spr 10,26 den Faulen, der als Bote gesandt wird, mit Essig für die Zähne. Der Spruch spielt auf die wegen seines starken Säuregehaltes unangenehmen Auswirkungen des Essigs auf die Zähne an. Ähnlich problematisch ist es für den Auftraggeber, wenn er einen unzuverlässigen Boten mit der Überbringung von Nachrichten betraut. Essig auf Natron, eine alkalische Lauge, die Wäscher und Walker benutzten (vgl. Jer 2,22), zu gießen ist unsinnig, da so die Kraft der Lauge neutralisiert wurde. Ähnlich sinnlos ist es, wenn man auf einen bekümmerten, schwermütigen Menschen mit unangemessenen Liedern „einsingen“ (Meinhold 1991, 429) will.

In Ps 69,22 unterstreicht der Beter die soziale Missachtung durch seine Umgebung, die mit Verhöhnung und Beschämung einhergeht. Statt eines Trostbesuchs und der Stärkung durch Brot und Trank, reichen sie ihm mit Giftpflanzen vermischtes Essen und puren und somit ungenießbaren Essig als Getränk. In diesem „Kontrast von intimer Nähe und höchster Gefahr“ (Janowski 2006, 190) ist der Gipfel der sozialen Distanzierung erreicht.

3. Neues Testament

Im Neuen Testament erscheint „Essig“ nur im Rahmen der Passionsgeschichte Jesu, allerdings mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Eventuell ist hier der (nichtalkoholische) posca-Trank vorausgesetzt, also Wasser, das durch die Zugabe von Essig schmackhafter gemacht wurde.

Mt 27,48 setzt die erfrischende Wirkung des Essigs voraus. Dass er Jesus gereicht wird, könnte zunächst einmal als Wohltat zu werten sein, um den Durst zu löschen und zugleich als Mittel gegen das Wundfieber und lebensverlängernde Maßnahme. Die Reaktion der Umgebung aber ist als Verhöhnung zu deuten, wie sie auch in Mk 15,36 im Vordergrund der Szene steht. Und so dürfte letztlich auch die Essiggabe in den Zusammenhang von Spott und Demütigung gehören und als Erinnerung an und Anspielung auf Ps 69,22b zu deuten sein. In Lk 23,36f wird dieser Bezug noch verstärkt: Hier ist die mit dem durch die Soldaten gereichten Essigtrank verbundene Verhöhnung Jesu noch dadurch gesteigert, dass man dem „König der Juden“ einen solchen Trank verabreicht.

Nach Joh 19,29f war Essig bei der Richtstätte selbstverständlich als Betäubungsmittel vorhanden. Die Umstehenden tränkten einen Schwamm damit, hielten ihn Jesus an den Mund, und er trank davon. Der Hinweis auf den Essig steht auch hier in Zusammenhang mit der endgültigen Erfüllung der Schrift (V. 28), wobei ebenfalls Ps 69,22b (evtl. auch Ps 22,16) im Blick gewesen sein dürfte: Bevor das „Dürsten des leidenden Gerechten“ nicht gestillt ist, „ist die Sendung Jesu nicht ans Ziel gekommen und folglich muß Jesus, um seine Sendung zum Ziel zu bringen, jenen in Ps 69,22 angesagten Akt ausführen. Danach kann der Tod, vielmehr die Vollendung eintreten“ (Dietzfelbinger 2004, 304).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Paulys Real-Encyclopädie der classischen Alterthumswissenschaft, Stuttgart 1894-1972
  • Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie, Berlin 1928-2018
  • Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Stuttgart 1933-1979
  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Der Kleine Pauly, Stuttgart 1964-1975 (Taschenbuchausgabe, München 1979)
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973-2015
  • Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, 2. Aufl., Stuttgart u.a. 1992
  • Calwer Bibellexikon, 2. Aufl., Stuttgart 2006

2. Weitere Literatur

  • Dalman, G., Arbeit und Sitte in Palästina, Bd. IV, Gütersloh 1935, 380ff.402-405
  • Dietzfelbinger, Chr., Das Evangelium nach Johannes (ZBK.AT 4), 2. Aufl., Zürich 2004
  • Janowski, J., Konfliktgespräche mit Gott. Eine Anthropologie der Psalmen, 2. Aufl., Neukirchen-Vluyn 2006
  • Köhlmoos, M., Ruth (ATD 9/3), Göttingen 2010
  • Meinhold, A., Die Sprüche, Teil 2: Sprüche Kapitel 16-31 (ZBK.AT 16/2), Zürich 1991
  • Mittmann, S., „Gib den Kittäern 3 b(at) Wein“. Mengen und Güter in den Arad-Briefen, ZDPV 109 (1993), 39-48
  • Riede, P., „Du bereitest vor mir einen Tisch“. Zum Tischmotiv in den Psalmen 23 und 69, in: ders., Schöpfung und Lebenswelt. Studien zur Theologie und Anthropologie dies Alten Testaments (MThSt 106), Leipzig 2009, 151-165
  • Smelik, K.A.D., Historische Dokumente aus dem alten Israel, Göttingen 1987
  • Weippert, M., Historisches Textbuch zum Alten Testament (GAT 10), Göttingen 2010

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