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Andere Schreibweise: Tideal; Thideal

(erstellt: Dezember 2008)

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1. Name

Für den Namen Tidal (hebr. תִּדְעָל; Septuaginta liest, auf Grund von ד-ר-Verwechslung, Θαργαλ) gibt es keine hebräische Etymologie. Höchstwahrscheinlich soll damit der hethitische Königsname Tudchalia (keilschriftlich tu-ud-cha-li-ia; ugaritisch ttġl) wiedergegeben werden.

2. Vorkommen im Alten Testament

Tidal wird Gen 14,1.9 als „König von Gojim“ erwähnt. Damit ist entweder ein Königreich dieses Namens (so → Genesis-Apokryphon 1QapGen XXI,23f., wonach „Gojim“ in Mesopotamien liegt) gemeint oder eine unbestimmte Anzahl von „Völkern“ (hebr. gôjim; so alle alten Übersetzungen). Wenn dem Schreiber Tid‘al als Name kleinasiatischer Großkönige des 2. Jt.s geläufig gewesen ist (→ Hethiter), dann ist die Beschreibung seines Herrschaftsbereiches mit „Völker“ treffender als diejenige mit chet „Hethiter“, weil dieser Begriff im biblischen Hebräisch einen Teil der mittel- bzw. südpalästinischen Vorbevölkerung Israels bezeichnet. Dem Bibeltext selbst ist allerdings keine geographische Zuordnung seines Herrschaftsbereichs zu entnehmen.

Die Schlussstellung Tidals in Gen 14,1 (in Gen 14,9 wird die Reihenfolge wegen der führenden Rolle → Kedor-Laomers vertauscht) bzw. die Wahl genau dieses Namens hat wahrscheinlich mit der alphabetischen Reihenfolge der Namen zu tun (→ Amrafel). „Völker“ als Bezeichnung des in Gen 14,1 letztgenannten Königreiches deutet zugleich eine Charakterisierung der ganzen Liste als einer Reihe von vier Großkönigen an. Dies unterstreicht den Gegensatz zur folgenden Liste von fünf längst untergegangenen Städten unter der Führung von Sodom (Gen 14,2), deren erste vier Könige sprechende Spottnamen erhalten (→ Humor 3.2.1.), deren Fünfter aber anonym bleibt, während der Name seiner Stadt, Bela („Verschlingung“, als Städtename nur in Gen 14) auf das Schicksal der ganzen Koalition anspielen dürfte, die wenig später der Vernichtung anheimfällt (in Gen 14,9).

Die bewusste Auswahl des Schlussgliedes einer Liste entspricht auch sonst stilistischer Gepflogenheit. Man vergleiche die „Leummiter“ (hebr. lə’ummim = „Völker / Stämme“) am Ende der Söhne Jokschans Gen 25,3 (→ Ketura), auch „Kedma“ (hebr. qidmāh = „nach Osten“) am Ende der Söhne Ismaels Gen 25,15 (vgl. Gen 25,6) sowie „Schillem“ (hebr. šillem = „er macht heil / vollständig“) als letztgenannten der Nachkommen Jakobs Gen 46,24 und der Sippenväter Israels Num 26,49.

Schließlich berührt sich die viergliedrige Aufzählung der Völker, von denen die Briefschreiber in Esr 4,9-10 abzustammen behaupten und deren Einwanderung auf den „großen Asnappar“ (wohl Assurbanipal) zurückgeführt wird, mehrfach mit den Namen von Gen 14,1: Zu den ארכוי (von Erech?) dort vgl. vielleicht → Arjoch (אריוך) von Ellasar, „Babylonier und Susankiter, das sind Elamiter“ entsprechen Schinar und Elam, und der zuletzt genannte „Rest der Völker“ den „Völkern“ des Tidal.

3. Frage der Historizität

Es gab mehrere Träger des Namens Tudchalia, darunter mindestens vier hethitische Großkönige (→ Hethiter). In älterer Literatur wurde noch mit der Existenz eines Tudchalia I. als König der Gründungszeit des Hethiterreichs um 1700 v. Chr. gerechnet, der wegen seiner zeitlichen Nähe zu Arriwuk, dem Sohn Zimrilims von Mari, Kuter-Nachunte I. von Elam (mit Arjoch bzw. Kedor-Laomer identifiziert) und dem angenommenen Zeitalters Abrahams von weiten Teilen der Forschung als der Tidal von Gen 14,1.9 identifiziert wurde (u.a. de Liagre-Böhl). In jüngerer Literatur wird ein König aus der Gründungszeit des hethitischen Neuen Reiches (ca. 1420-1400, alle Zahlen nach der „mittleren“ Chronologie) als Tudchalia I. gezählt, Tudchalia II. regierte ca. 1375-1355, gefolgt von seinem Sohn Tudchalia III. (ca. 1355, wird nicht immer mitgezählt). Tudchalia IV. (III.), der Sohn Chattusilis III., regierte ca. 1240-1215, und wurde wegen seiner historischen Kontakte mit dem letzten ‘Ammurapi von Ugarit ebenfalls als Vorbild für den Tidal von Gen 14 angesehen (Margalith). Schließlich gab es noch einen weiteren Tudchalia, um ca. 1160 v. Chr.

Tidal 1

Letztlich dürfte, da noch nicht einmal eine Zuordnung aller Gen 14,1 genannten Namen, geschweige denn der weiteren Gen 14 geschilderten Ereignisse, mit einer bestimmten historischen Situation gelingen will, im Falle Tidals ein historisch klingender Name für einen konstruierten Zusammenhang benutzt worden sein, ähnlich dem mtu-ud-chul-a in den Spartoli-Tafeln (sog. „Kedorlaomer-Texte“, → Kedor-Laomer). Es scheint, „als ob ein später Autor auf der Suche nach fremden, altertümlichen Namen ein historisches Lexikon aufgeschlagen, darin aber nur die Stichworte, nicht die Artikel gelesen hätte“ (Donner, 97).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Aufl., Tübingen 1957-1965
  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003

2. Weitere Literatur

  • Astour, M.C., 1966, Political and Cosmical Symbolism in Genesis 14 and in Its Babylonian Sources, in: Altmann, A. [Hg.], Biblical Motifs: Origins and Transformations, 65-112
  • Donner, H., 1995, Geschichte des Volkes Israel und seiner Nachbarn in Grundzügen. Teil 1: Von den Anfängen bis zur Staatenbildungszeit (GAT 4/1), 2. Aufl., Göttingen
  • Jeremias, A., 1916, Die sogenannten Kedorlaomer-Texte, in: Orientalische Studien Fritz Hommel zum sechzigsten Geburtstag I (1917), Mitteilungen der Vorderasiatischen Gesellschaft 21, 69-97
  • Liagre-Böhl, F.M. de, 1957, Art. Amraphel, Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Aufl., 333
  • Margalith, O., 2000, The Riddle of Genesis 14 and Melchizedek, ZAW 112, 501-508
  • Özgüç, T. u.a. (Hg.), 2002, Die Hethiter und ihr Reich. Das Volk der 1000 Götter, Stuttgart
  • Schatz, W., 1972, Genesis 14. Eine Untersuchung (EHS 23.2), Bern
  • Ziemer, B., 2005, Abram – Abraham. Kompositionsgeschichtliche Untersuchungen zu Gen 14, 15 und 17 (BZAW 350), Berlin / New York

Abbildungsverzeichnis

  • Tudchalia IV. vor seinem Schutzgott Scharruma (Relief Tudchalias IV. im Felsheiligtum in Yaziliqaya). © Klaus-Peter Simon, 2002

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