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Wald / Forstwirtschaft

(erstellt: März 2011)

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Akazie; → Eiche; → Kiefer; → Ölbaum; → Tamariske; → Tanne; → Terebinthe; → Zeder; → Zypresse

1. Terminologie

Die häufigste hebräische Bezeichnung für den Wald ist יַעַר ja‛ar. Dagegen meint חרשׁ ḥoræš nach Ez 31,3 einen bewaldeten Platz. In der → Septuaginta wird ja‛ar zumeist mit δρυμός drymos „Eiche / Eichenwald“ übersetzt. Im Neuen Testament findet sich für „Wald“ das Nomen ὕλη hylē.

2. Vorkommen und Aussehen der Wälder

In der Eisenzeit (1200-587 v. Chr.) waren die Mittelgebirge Judas, Samarias, Galiläas und des Ostjordanlandes bewaldet. Daneben fanden sich auch auf dem Libanon und dem Antilibanon Waldbestände. Voraussetzung für Wälder waren Niederschlagsmengen von 400-500 mm pro Jahr. Allerdings unterschied sich das Aussehen der Wälder stark von den heutigen Waldgebieten Europas. Die Bäume standen bei weitem nicht so nahe beieinander, und die Zahl der hohen Bäume war deutlich geringer als in Mitteleuropa. Dagegen prägten immergrüne niedrige Bäume und Sträucher mit etwa 2-3 m Höhe, das sog. Maquis / die Macchia, die Waldlandschaft, sowie eine Strauchheidenformation mit einer Höhe von etwa 50 cm, das sog. Garrigue, eine Degradationsstufe des Maquis.

Auf das Vorkommen von Wäldern deuten Ortsnamen wie Kirjat-Jearim „Waldstadt“ hin (Jos 9,17; Jos 15,9f. u.ö.). Darüber hinaus finden sich weitere Hinweise auf die Existenz von Wäldern im Alten Testament: 1Sam 22,5 nennt den Cheretwald im Süden Judas, 2Kön 2,23-24 den Wald bei → Bethel, Jes 35,2 Wälder in der Saronebene und auf dem → Karmel, Jes 2,13, Ez 27,6 und Sach 11,2 den Wald von Baschan und 2Sam 18,6 den Ephraimwald.

Schon in alter Zeit hat man Raubbau an den Wäldern betrieben, der sich über lange Zeit hin erstreckte. Weidende Ziegenherden oder Wildtiere (Hos 2,14), die den Jungwuchs fraßen und so die Regeneration des Waldes verhinderten, die Bau- und Brennholzgewinnung (Jes 44,14-16; Ez 15,2-4; Ez 39,10), aber auch das Roden der Wälder in Kriegszeiten zum Bau von Belagerungsmaschinen und -anlagen (Dtn 20,19-20), die durch Wasser und Winde verursachte Bodenerosion und die immer wieder aufflackernden Waldbrände (Ps 83,15; Jes 9,17; Jer 21,14 u.ö.) führten zu einer starken Dezimierung des Waldbestandes, die in alter Zeit begann und sich bis in die Neuzeit fortsetzte. „Den letzten schweren Schlag hat der Wald durch den Weltkrieg [1914-1918] erlitten, als man von der Kohle abgeschnitten war und selbst jeder zehnte Ölbaum in die Feuerung der Lokomotiven wanderte; da mußten natürlich die freiwachsenden Waldbestände erst recht dran glauben“ (Gradmann, 170-171). Heute finden sich nur noch geringe Reste an Bewaldung, z.B. auf dem Karmel und im nördlichen Obergaliläa, im ‛Aǧlūn und im südlichen Ostjordanland.

3. Forstwirtschaft

Um landwirtschaftliche Nutzflächen gewinnen zu können, wurden die Wälder gerodet (Jos 17,15.18). Wirtschaftlich wichtig waren sie besonders als Holzlieferanten, wobei u.a. für die Opfer im Tempel eine beträchtliche Menge an Holz nötig war (vgl. Brown). Da es in Ägypten und Arabien kaum Wälder gab, musste dort in großem Umfang Holz importiert werden (vgl. die Inschrift Thutmosis’ III. am Ǧebel Barkal, Urk. IV 17-22 , 1237-1241, Übersetzung: Helck, 9-11). Aber auch die assyrischen Könige hatten Interesse an den Waldbeständen des Libanon und des Amanusgebirges und unternahmen deshalb immer wieder Expeditionen in diese Regionen, wie wir z.B. den Königsannalen Tiglatpilesers I. und Assurnasirpals II. (vgl. dazu TUAT I, 360 und Bleibtreu, 220 mit Abb. 1) oder großformatigen Reliefs mit der Darstellung von Holztransporten (→ Holz / Holzbearbeitung) entnehmen können. Besonders das Holz der hochgewachsenen → Zedern war für Tempel und Paläste sowie den Schiffsbau begehrt.

4. Wälder als Teil der gegenmenschlichen Welt

Die Wälder gehörten wie die Steppe, die Wüste und das Meer zu den Orten der gegenmenschlichen Welt. Es waren unwegsame, unzugängliche Gebiete, die der Mensch, wenn möglich, mied, insbesondere nachts (vgl. den Kontrast Ez 34,25). Hier wohnten wilde Tiere, wie → Bären oder → Löwen, die den Menschen gefährlich werden konnten (2Kön 2,24; Jer 5,6; Jer 12,8; Am 3,4), aber auch Räuber und Flüchtlinge (vgl. 1Sam 22,5; Jes 21,13). Besonders drastisch zeichnet 2Sam 18,8 die von den Wäldern ausgehenden Gefahren, wenn es dort heißt: „Der Wald fraß an diesem Tag mehr von den Leuten als das Schwert“. Das Stichwort „Wald“ steht hier sicherlich für die Bewohner des Waldes, also die wilden Tiere, die unter den sich gegenseitig verfolgenden Truppen Abschaloms und Davids offensichtlich leichte Beute fanden. In Gerichtsdrohungen findet sich immer wieder die Ankündigung, Kulturland werde zu einem Wald gemacht (vgl. Hos 2,14; Jes 29,17; Jes 32,15). Diese Ankündigungen finden ihre höchste Steigerung im Wort Michas (Mi 3,12), der im 8. Jh. v. Chr. dem Tempel in Jerusalem den Untergang ansagte und ankündigte, der Tempelberg werde zu einer Waldeshöhe. Erst der ersehnte Friedensbund führt dazu, dass man sogar die Nacht in den gefährlichen Waldgebieten verbringen kann (Ez 34,25).

5. Wälder als Teil der Schöpfung

Eine positive Sicht des Waldes findet sich in hymnischen Aussagen. Hier wird der Wald als Teil der Schöpfung genannt (vgl. Ps 50,10), dem eine eigene Herrlichkeit eignet (Jes 10,18) und der Anteil hat am Lob Gottes (Ps 96,12-13; Jes 44,23 u.ö.).

6. Die Wälder des Libanon

Eine besondere Bedeutung hatten die Wälder des Libanon. Mit ihnen verband sich die Vorstellung von einem großen Park aus → Zedern und → Zypressen (Ez 31,8; vgl. Metzger, 209-210), den „Gottesbäumen“ schlechthin (Ps 104,16; Ps 80,11), die als Besitz JHWHs angesehen wurden (vgl. Stolz, 143f). Das Alte Testament sieht es als gottwidrigen Frevel der altorientalischen Herrscher an, in diesen Bereich der Schöpfung eingedrungen zu sein und ihn zerstört zu haben (Jes 37,24; Jes 14,8; Hab 2,17; vgl. Uehlinger, 64-65). Aufgrund ihrer Majestät, Pracht und Höhe konnten die Zedernwälder auch als Sinnbild stehen für tyrannische Herrscher, die ihre Völker knechten und mit ihrem Prunkstreben Menschen unterdrücken (Jes 2,12-13; vgl. Stolz, 145).

7. Der Wald im Neuen Testament

Das Neue Testament bezieht sich nur an einer Stelle auf den Wald. Das Bildwort Jak 3,5 vergleicht die Wirkung der missbräuchlich verwendeten Zunge mit einem kleinen Feuer, das einen großen Wald in Brand stecken kann.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

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  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart 1973ff
  • Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992
  • Biblisches Reallexikon, Tübingen 2. Aufl. 1977
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich 1991-2001
  • Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Stuttgart 2. Aufl. 1992
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003

2. Weitere Literatur

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  • Bleibtreu, E., 1980, Die Flora der neuassyrischen Reliefs. Eine Untersuchung zu den Orthostatenreliefs des 9.-7. Jahrhunderts v. Chr. (WZKM.Sonderband 1), Wien
  • Bleibtreu, E., 1989, Zerstörung der Umwelt durch Bäumefällen und Dezimierung des Löwenbestandes in Mesopotamien, in: B. Scholz (Hg.), Der orientalische Mensch und seine Beziehung zur Umwelt. Beiträge zum 2. Grazer Morgenländischen Symposion 2.-5. März 1989 (Grazer Morgenländische Studien 2), Graz, 219-233
  • Brown, D.J., 1993, Burnt Offerings in Palestine, Journal of the Institute of Energy 66/469, 217
  • Currid, J., 1984, The Deforestation of the Foothills of Palestine, PEQ 116, 1-11
  • Dalman, G., 1928, Arbeit und Sitte in Palästina I, Gütersloh, 73-89.254-261
  • Dalman, G., 1942, Arbeit und Sitte in Palästina VII, Gütersloh, 32-45
  • Gradmann, R., 1934, Palästinas Urlandschaft, ZDPV 57, 161-185
  • Helck, W., 1955-1961, Urkunden der 18. Dynastie nebst Übersetzung, Berlin
  • Keel, O. / Küchler, M. / Uehlinger, Chr., 1984, Orte und Landschaften der Bibel. Ein Handbuch und Studienreiseführer zum Heiligen Land, Bd. 1, Zürich u.a., 72-97
  • Keel, O., 2002, Der Wald als Menschenfresser, Baumgarten und Teil der Schöpfung in der Bibel und im Alten Orient, in: U. Neumann-Gorsolke / P. Riede (Hgg.), Das Kleid der Erde. Pflanzen in der Lebenswelt des Alten Israel, Neukirchen-Vluyn, 86-107
  • Knauf, E. A., 2005, Wer könnte leben ohne den Trost der Bäume? Wald und Bäume im Leben und in der Religion Israels und seiner Nachbarn, BiKi 60, 23-25
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  • Zohary, M., 2. Aufl. 1986, Pflanzen der Bibel, Stuttgart
  • Zwickel, W., 1999, Pflanzennamen als Ortsnamen und ihre Bedeutung für die Rekonstruktion der Vegetation in biblischer Zeit, BN 98, 36-44

Abbildungsverzeichnis

  • Die relativ niedrigen Bäume der Wälder Palästinas stehen weit auseinander. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
  • Wald in Galiläa. © public domain (Foto: Klaus Koenen, 1999)
  • Die Urlandschaft von Palästina und seinen Nachbarländern. Aus: Gradmann, Plan 1
  • Zeder in den Bergen des Libanon. © public domain (Foto: Klaus Koenen, 2004)

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