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(erstellt: Oktober 2010)

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1. Die Erzählung in 1Kön 11,14-25

Tachpenes ist nach 1Kön 11,19f die Gemahlin eines ägyptischen Pharao. 1Kön 11,14-25 erzählt von einem edomitischen Prinzen (→ Edom) namens Hadad, der zum Widersacher → Salomos wird. Er hatte einst vor → Davids General → Joab nach Ägypten fliehen müssen und dort die Gunst des Pharao erlangt, so dass der ihm die Schwester seiner Gemahlin Tachpenes zur Frau gegeben hatte. Die Schwester gebar dem Hadad einen Sohn, der den Namen Genubat (גְּנֻבַת Gәnuvat) erhielt. Er wurde von Tachpanes entwöhnt und (als Ausländer) am Hof des Pharao erzogen. Nachdem er vom Tod Davids und Joabs erfahren hat, kehrt Hadad nun gegen den Willen des Pharao in seine Heimat zurück, um Israel anzufeinden.

Der Personenname Tachpenes (תַּחְפְּנֵיס Tachpәnês) fällt im Alten Testament ausschließlich in dieser Erzählung (3-mal). Die ältere Forschung hat teilweise erwogen, ihn mit dem Ort → Tachpanhes (תַּחְפַּנְחֵס Tachpanches) gleichzusetzen (Thenius, 1849, 171), der in Jer 2,16 (Qere); Jer 43,7-9; Jer 44,1; Jer 46,14; Ez 30,18 erwähnt wird, der jedoch allein schon aufgrund der unterschiedlichen LXX-Bezeugungen von dem Personennamen zu unterscheiden ist.

Betrachtet man die Motive der Erzählung im Einzelnen, so zeigt sich, dass hier (1) Übereinstimmungen mit der Josefs- und Moseerzählung vorliegen, (2) ägyptische Titel als Personennamen verwendet und (3) offenbar israelitische Gegebenheiten auf Ägypten übertragen werden.

2. Parallelen zur Josefs- und Moseerzählung

Folgende Übereinstimmungen sind zu nennen (→ Josef; → Mose):

● Hadad kommt als Fremder zum Pharao und erhält Nahrung und Haus (1Kön 11,18b, vgl. Gen 47,6.11f);

● Hadad „fand Gunst in den Augen des Pharao“ (1Kön 11,19). Die Formel steht auch in Gen 39,4 in Bezug auf Josef, der die Gunst → Potifars findet; ähnlich in Ex 11,3 in Bezug auf Mose, dem Jahwe die Gunst der Ägypter schenkt;

● Hadad heiratet eine Ägypterin aus bedeutender Familie, die ihm ein Kind gebiert (1Kön 11,19f); Josef heiratet Asenath, die Tochter des Hohenpriesters von On, die ihm Kinder gebiert (Gen 41,45.50-52);

● der Sohn lebt im Palast des Pharao (1Kön 11,20); Mose wächst als Sohn der Tochter des Pharao auf (Ex 2,10);

● der Pharao will Hadad nicht ziehen lassen (1Kön 11,21b.22); ebenso wenig Mose, jedoch aus grundverschiedener Intention (Ex 5,1-2).

Die Hauptmotive von 1Kön 11,18-22 stimmen somit nicht nur mit der Mosegeschichte überein, wie oft angesprochen (van Seters, 1994, 32-34; Frisch, 2000, 12f; Särkiö, 1998, 32ff), sondern auch mit der Josefsgeschichte, wobei die genaue Abhängigkeit noch zu untersuchen ist und sich u.a. an der Frage der möglichen Historizität der Hadad-Geschichte festmacht. Von deren Historizität ist die Forschung lange Zeit ausgegangen und hat die Erzählung als verlässliches Zeugnis aus salomonischer Zeit betrachtet (Bartlett, 1976). Demgegenüber wurde in jüngerer Zeit, vor allem weil es ein Königtum in Edom wahrscheinlich erst ab dem 8. / 7. Jh. gab, eine spätere Entstehung des Textes diskutiert (Lemaire, 1988; Na’aman, 1992; Edelman, 1995; zuletzt Bosshard-Nepustil, 2000, der für die Ptolemäerzeit votiert).

3. Ägyptische Titel

Das Hebräische תַּחְפְּנֵיס Tachpәnês leitet sich von ägyptisch t3 ḥm.t nsw.t „die Frau des Königs / die Königsgemahlin“ ab und damit von einem Titel und nicht einem Personennamen. t3 ḥm.t nsw.t ist die klassische ägyptische Bezeichnung für die Königin; der Titel gehört zu den „allgemeinsten, oft stellvertretend für die gesamte Titulatur“ stehenden Königinnentitel (Seipel, 1980, 473). In 1Kön 11,19 wird der judäische Titel הַגְּבִירָה haggәvîrāh „Herrin“ verwendet (vgl. 1Kön 15,13; Jer 13,18; Jer 29,2), wobei nicht eindeutig zu klären ist, ob dieser als Apposition zu Tachpenes oder zu deren Schwester steht. Der Titel „Herrin“ bezeichnet die Königinmutter (Donner, 1959, 2; anders de Vaux, 1960, 180; Görg, 1991, 23f) und damit ein Amt, das es in Ägypten zwar gab, jedoch wurde dort nie die Frau eines amtierenden Pharao als Königinmutter (mw.t nsw.t) bezeichnet.

Der Sohn des Hadad und der Ägypterin, Genubat (גְּנֻבַת Gәnuvat), trägt ebenfalls einen Namen, der sich von einem ägyptischen Titel ableiten lässt (Weippert, 1971, 302). Das Wort qnb.tj bezeichnet den Verwaltungsbeamten eines Bezirkes oder einer Stadt, ist jedoch im Neuen Reich auch als Personenname belegt (Ranke, 1952, 320, Nr. 13).

4. Israelitische Gegebenheiten

Das in 1Kön 11,20 genannte Entwöhnungsfest (Wurzel גמל gml „vollenden / entwöhnen“) lässt sich für Ägypten nicht nachweisen. Zwar ist dort auch die für den ganzen alten Orient relativ lange Stillzeit von annähernd drei Jahren belegt (vgl. Feucht, 1995, 149, und die Lehre des Anchscheschonqi 10,23 und 13,17f; TUAT III, 251-277), aber kein Fest der Entwöhnung. Stattdessen wurde das ṯz-mdḥ-Fest gefeiert, eine Art Reifezeremonie, die den Übergang vom Kind (ḫrd) zum Jugendlichen (jd, hwn oder nhn) markierte.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass in der Geschichte Hadads, dem Widersacher Salomos in 1Kön 11,14-22, unter Rückgriff auf inneralttestamentliche Motive und ägyptische Titel ein bestimmtes Bild Ägyptens entworfen wird, das sich nicht aus einer genauen oder gar exakt datierbaren Kenntnis Ägyptens speist (so aber Grdseloff, 1947, und Kitchen, 1995, 280), sondern literarisch-fiktional bleibt. Der Name Tachpenes ist dabei ein wichtiges Element neben anderen.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • New International Dictionary of Old Testament Theology and Exegesis, Grand Rapids 1997 (Art. גְּבִירָה)
  • Eerdmans Dictionary of the Bible, Grand Rapids 2000

2. Weitere Literatur

  • Bartlett, J.R., 1976, An Adversary against Solomon. Hadad the Edomite, ZAW 88, 205-226
  • Bosshard-Nepustil, E., 2000, Hadad, der Edomiter. 1Kön 11,14-22 zwischen literarischem Kontext und Verfassergegenwart, in: R.G. Kratz / T. Krüger / K. Schmid (Hgg.), Schriftauslegung in der Schrift (FS O.H. Steck; BZAW 300), Berlin / New York, 95-109
  • Donner, H., 1994, Art und Herkunft des Amtes der Königinmutter im Alten Testament (1959), in: ders., Aufsätze zum Alten Testament aus vier Jahrzehnten (BZAW 224), Berlin / New York, 1-24
  • Edelman, D.V., 1995, Solomon’s Adversaries Hadad, Rezon and Jeroboam. A Trio of ‚Bad Guy’ Characters illustrating the theology of immediate retribution, in: S.W. Holloway / L.K. Handy (Hgg.), The Pitcher is Broken (Gedenkschrift G.W. Ahlström; JSOT.S 190), Sheffield
  • Feucht, E., 1995, Das Kind im Alten Ägypten. Die Stellung des Kindes in Familie und Gesellschaft nach altägyptischen Texten und Darstellungen, Frankfurt / New York
  • Frisch, A., 2000, The Exodus Motiv in 1 Kings 1-14 (JSOT 87), Sheffield, 3-21
  • Görg, M., 1991, Namen und Titel in 1Kön 11,19f., in: ders., Aegyptiaca – Biblica (ÄAT 11), Wiesbaden, 187-191
  • Grdseloff, B., 1947, Édôm d’après les sources égyptiennes (RHJÉ 1), Le Caire, 69-99
  • Kitchen, K.A., 1995, The Third Intermediate Period in Egypt. 1100-650 B.C., 3. Aufl., Warminster
  • Lemaire, A., 1988, Hadad L’Édomite ou Hadad l’Araméen?, BN 43, 14-18
  • Na’aman, N., 1992, Edom and Egypt in the 10th Century B.C.E. (TA 19), Tel Aviv, 71-93
  • Ranke, H., 1952, Die ägyptischen Personennamen, Bd. II, Glückstadt u.a.
  • Särkiö, P., 1998, Exodus und Salomo (SEJS 71), Helsinki / Göttingen
  • Van Seters, J., 1994, The Life of Moses. The Yahwist as Historian in Exodus-Numbers, Louisville / Kampen
  • Schipper, B.U., 1999, Israel und Ägypten in der Königszeit. Die kulturellen Kontakte von Salomo bis zum Fall Jerusalems (OBO 170), Fribourg / Göttingen
  • Schulman, A.R., 1986, The Curious Case of Hadad the Edomite, in: L.H. Lesko (Hg.), Egyptological Studies in Honor of R.A. Parker Presented on the Occasion of His 78th Birthday December 10, 1983, Hannover / London, 122-135
  • Seipel, W., 1980, Art. Königinnentitel, in: Lexikon der Ägyptologie, Bd. III, Wiesbaden, 473-475
  • Thenius, O., 1849, Die Bücher der Könige (KEH 9), Leipzig
  • Vaux, R. de, 1960, Das Alte Testament und seine Lebensordnungen, Bd. I, Freiburg u.a.
  • Weippert, M., 1971, Edom. Studien und Materialien zur Geschichte der Edomiter auf Grund schriftlicher und archäologischer Quellen, Tübingen (Masch.)

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