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(erstellt: März 2010)

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1. Bedeutungsspektrum

Der Sachverhalt, der in deutschen Bibelübersetzungen mit „Stolz“ wiedergegeben wird, ist überwiegend negativ konnotiert im Sinne von superbia oder Hochmut. Im Hebräischen handelt es sich dabei in erster Linie um Derivate des Verbs גאה g’h „hoch sein“, vor allem um die Substantive גֵּאָה ge’āh und גָּאוֹן ga’ôn, die beide mit „Hoheit / das Hohe / Hochmut / Stolz“ wiederzugeben sind (in der → Septuaginta meist mit ὕβρις hybris übersetzt). Darüber hinaus sind auch die Verben רום rwm „hoch sein / hochmütig sein“ (zum Zusammenhang von hoch sein und Stolz vgl. 2.) und זיד zjd „vermessen handeln“ im Sinne von ungehorsam sein (gegen Gott) einzubeziehen (Dtn 1,43).

Positiv kann גאה g’h die großen Taten Gottes bezeichnen (Ex 15,1; Ex 15,21) und גָּאוֹן ga’ôn Gottes → Herrlichkeit (Jes 2,10) oder die Feldfrucht als „Stolz“ des Landes (Jes 4,2), also etwas, auf das man „stolz sein“ kann.

In der alttestamentlichen → Weisheit ist der Gegenbegriff zum negativ verstandenen Stolz die → Demut oder Niedrigkeit (Spr 16,19).

2. Stolz in der Körpermetaphorik des Alten Testaments

Dass Stolz im Hebräischen mit Verben der Bedeutung „hoch sein“ oder „hoch machen“ in Verbindung steht, hängt an der Körpermetaphorik des Alten Testaments (vgl. Schroer / Staubli; Wagner). Gefühle oder Handlungsweisen werden bestimmten Regionen des menschlichen Körpers zugeordnet bzw. dort verortet (vgl. schon Wolff). „Stolz“ oder „Hochmut“ wird mit dem allzu gerade gereckten Hals oder dem hoch erhobenen Haupt assoziiert. So heißt es in Jes 3,16, dass Jahwe die Frauen Zions wegen ihrer stolz gereckten Hälse des Hochmuts anklagt. Entsprechend werden sie mit einer Demütigung bestraft (Jes 3,17). In Mi 2,3 wird den hochmütigen Großen Judas ein Gericht angedroht, „aus dem ihr euren Hals nicht ziehen und unter dem ihr nicht stolz [= mit erhobenem → Kopf] dahergehen sollt“. In diesen Zusammenhang gehört auch die Rede von der Halsstarrigkeit (wörtl. „den Nacken hart machen“) als besondere Geste des Hochmuts und des Widerstandes gegen Gott (Neh 9,16).

3. Die Weisheit: „Hochmut kommt vor dem Fall“

In der → Weisheit des Alten Testaments werden Stolz und Hochmut negativ beurteilt. Sie gehören auf die Seite der Unvernunft (→ Torheit): „Kommt Vermessenheit, so kommt Schande / aber dem Demütigen eignet Weisheit“ heißt es in einem poetischen Wortspiel (Spr 11,2). Hochmut posaunt sich selbst heraus und richtet sich so, während der Weise die Zunge hütet (Spr 14,3). So führen Vermessenheit, Hochmut und Stolz schließlich in den Untergang: „Wer zugrunde gehen soll, der wird zuvor stolz; und Hochmut kommt vor dem Fall“ (Spr 16,18). Daher sind nach Meinung der Weisen auch Demütige eine bessere Gesellschaft als Hochmütige (Spr 16,19). Idealtypisch sagt der gerechte Beter über sich: „Herr, mein Herz ist nicht hochmütig und meine Augen sind nicht erhoben …“ (Ps 131,1).

Schließlich gelten Stolz und Hochmut nicht nur als unvernünftig, sondern als Gegensatz zur Gottesfurcht (Spr 8,13; → Furcht). Stolz ist eine Eigenschaft der Feinde in den Individualpsalmen (Ps 31,9) und der Frevler, die sogar Gott selbst verneinen (Ps 10,4).

4. Stolz in der Kritik der Propheten

Entsprechend ist Stolz Gegenstand der prophetischen Kritik. Dem Hochmut derer, die vermessen handeln, wird das Gericht Jahwes angedroht (Jes 13,11). Dies gilt für fremde Völker, wie die Moabiter (→ Moab), deren Hochmut offenbar sprichwörtlich war (Jes 16,6; Jer 48,29; Hes 25,9), die Assyrer (Jes 10,12; → Assur) oder die Babylonier (Jer 50,29; → Babylon). Aber der → Zorn Gottes gilt auch und zuerst dem Hochmut seines eigenen Volkes (Jer 13,9), der sich vor allem darin zeigt, dass es auf Gottes Wort nicht hören will (Jer 13,17) und nicht nach Gott fragt (Hos 7,10), sondern in stolzer Selbstgefälligkeit (Luther: Hoffart) verharrt (Am 6,8).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Stuttgart 1933-1979
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
  • Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, 5. Aufl., München / Zürich 1994-1995
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992

2. Weitere Literatur

  • Freuling, G., 2004, „Wer eine Grube gräbt …“ Der Tun-Ergehen-Zusammenhang und sein Wandel in der alttestamentlichen Weisheitsliteratur (WMANT 102), Neukirchen-Vluyn.
  • Schroer, S. / Staubli, Th., 1998, Die Körpersymbolik der Bibel, Darmstadt.
  • Wagner, A., 2010, Gottes Körper. Zur alttestamentlichen Vorstellung der Menschengestaltigkeit Gottes.
  • Wolff, H.W., 1973 (7. Aufl. 2002), Anthropologie des Alten Testaments, München (Gütersloh).

Abbildungsverzeichnis

  • Der Hals als Organ des Stolzes. Aus: Schroer / Staubli, 1998, V.; © Max Rüedi

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