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(erstellt: Dezember 2015)

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1. Botanisch

Myrrhe 1

Der Myrrhebaum ist eine dornige, stark verzweigte strauch- oder baumartige, zur Gattung Commiphora gehörende Pflanze, die bis zu 2m hoch werden kann. Verbreitet sind vor allem die Arten Commiphora abyssinica, Commiphora molmol und Commiphora schimperi. Die Pflanze hat fiedrige Blättchen, kleinen Oliven ähnelnde Früchte und duftende Stämme und Äste, die die Myrrhe, ein gummihaltiges, öliges Harz, aussondern. Den Ausfluss dieses Harzes kann man durch Anritzen vergrößern. Das ausgeflossene Harz verfestigt sich nach einiger Zeit zu gelblich-roten bis braunen Körnern und kann dann eingesammelt werden.

2. Biblisch

2.1. Bezeichnungen

Das deutsche Wort „Myrrhe“ geht auf das hebräische Wort מֹר mor „Myrrhe“ zurück, das auch in anderen semitischen Sprachen belegt ist (z.B. akkadisch murru Myrrhe“) und angesichts des bitteren Geschmacks des Harzes wohl von der Wurzel מרר mrr „bitter sein“ abzuleiten ist. Die → Septuaginta gibt מֹר mor meist mit σμύρνα smyrna „Myrrhe“ wieder, was die Vulgata an einigen Stellen mit zmyrna übernimmt, doch übersetzt sie meist mit murra. Im Neuen Testament wird für Myrrhe das Wort σμύρνα smyrna benutzt.

2.2. Herkunft

Myrrhe 2

Myrrhe stammte in alter Zeit vor allem aus Südarabien und Nordabessinien sowie aus Somalia und war Exportartikel in Richtung Ägypten und Palästina. In Palästina waren die Bäume nie heimisch. Die ägyptische Königin Hatschepsut sandte um 1490 v. Chr. extra eine Schiffsexpedition nach Punt (vermutlich das heutige Somalia), um von dort Myrrhepflanzen holen zu lassen. In ihrem Totentempel in Theben-West findet sich eine Darstellung dieser Expedition (vgl. Germer 2002, 94ff). Sie zeigt die Verladung von Myrrhebäumen, deren Wurzelballen sorgfältig zusammengebunden und in Körben verpackt auf die Schiffe gebracht wurden. Später sollten sie in Tempelgärten angepflanzt werden und den Ägyptern eine dauerhafte Verfügung über das begehrte Harz garantieren. Dieser Versuch blieb wohl erfolglos.

2.3. Verwendung

Myrrhe 3

Myrrhe war ein Luxus- und wichtiger Handelsartikel (Apk 18,13). Vor allem wegen ihres würzigen, angenehmen Duftes, dem zuweilen auch erotisierende Kraft (vgl. die Belege im → Hohenlied) zugeschrieben wurde, war sie begehrt und kostbar. Myrrhe wurde daher als profanes (vgl. Hhld 3,6) sowie – z.B. in ägyptischen Tempeln (vgl. Germer 2002, 95) – als sakrales Räuchermittel verwendet. Frauen trugen Myrrhe pulverisiert in Duftbeutelchen zwischen den Brüsten (Hhld 1,13). Man verwendete Myrrhe zudem als Puder oder löste sie in Olivenöl oder Wasser auf und parfümierte damit den Körper (Hhld 5,5.13), Kleider (Ps 45,9) oder Betten (Spr 7,17). Myrrhe war auch Bestandteil des heiligen Salböls (Ex 30,22-33), mit dem die heiligen Kultgeräte und die Priester gesalbt wurden (→ Salbung). Aus Myrrhe gewonnenes Duftöl war ein beliebtes Schönheitsmittel (vgl. Hhld 3,6; Hhld 4,14; Hhld 5,5), das besonders im Harem Verwendung fand (vgl. Est 2,12f). Nach Sir 24,15 (Lutherbibel: Sir 24,20) entströmt der Weisheit ein ähnlich auserlesener Duft wie der der Myrrhe.

Die schmerzstillenden, betäubenden und entzündungshemmenden Eigenschaften der Myrrhe sind ein weiterer Grund dafür, dass dieser Stoff besonders begehrt war. Man setzte sie als Gurgelwasser bei Zahnfleisch- und Wunderkrankungen und als Mittel gegen Darminfektionen ein.

2.4. Bedeutung in Zusammenhang mit Geburt und Tod Jesu

Myrrhe gehörte nach Mt 2,11 zu den Geschenken, die die sternkundigen Magier aus dem Osten dem neugeborenen Jesus darbrachten. Die Huldigungsgaben der Fremden an den neugeborenen König zeigen seine universale Heilsdimension und seinen königlich-messianischen Status auf. Nach Mk 15,23 wurde Jesus vor seiner Hinrichtung ein Mischtrank gereicht, der u.a. Myrrhe enthielt. Nach Joh 19,39f brachte Nikodemus eine riesige Menge (100 Pfund, ca. 32kg nach heutigen Maßstäben) an mit Aloe vermischter Myrrhe; sie diente – wohl in pulverisierter Form – als verwesungshemmender Duftstoff, mit denen man die Leichentücher tränkte, in die der tote Jesus gehüllt war. Nur Könige wurden sonst so aufwendig beigesetzt (vgl. 2Chr 16,14).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Paulys Real-Encyclopädie der classischen Alterthumswissenschaft, Stuttgart 1894-1972
  • Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie, Berlin 1928ff
  • Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Stuttgart 1933-1979
  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Der Kleine Pauly, Stuttgart 1964-1975 (Taschenbuchausgabe, München 1979)
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
  • Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992
  • Biblisches Reallexikon, 2. Aufl., Tübingen 1977
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, 2. Aufl., Stuttgart u.a. 1992
  • Calwer Bibellexikon, 2. Aufl., Stuttgart 2006

2. Weitere Literatur

  • Dobat, K., Pflanzen der Bibel. Ausstellung im Botanischen Garten der Eberhard Karls Universität Tübingen, Tübingen 2003, 132f
  • Germer, R., Die Heilpflanzen der Ägypter, Düsseldorf 2002
  • Hepper, F.N., Pflanzenwelt der Bibel. Eine illustrierte Enzyklopädie, Stuttgart 1992
  • Keel, O., Das Hohelied (ZBK.AT 18), Zürich 1986, 69f.142-144
  • Kügler, J., Gold, Weihrauch und Myrrhe. Eine Notiz zu Mt 2,11, BN 87 (1997), 24-33
  • Löw, I., Die Flora der Juden, Bd. I, Nachdruck: Wiesbaden 1967, 305-312
  • Riede, P., Und sie brachten Weihrauch und Myrrhe … Heil- und Duftpflanzen in der Bibel, KilR 57/3 (2006), 4-10 (= ders., Schöpfung und Lebenswelt. Studien zur Theologie und Anthropologie des Alten Testaments [MThSt 106], Leipzig 2009, 43-52)
  • Zohary, M., Pflanzen der Bibel. Vollständiges Handbuch, Stuttgart 2. Aufl. 1986, 200
  • Zwickel, W., Faszination Bibelgarten, Gütersloh 2000, 42f

Abbildungsverzeichnis

  • Myrrhebaum (Commiphora myrrha). Aus: Köhler’s Medizinal-Pflanzen in naturgetreuen Abbildungen mit kurz erläuterndem Texte, hg. v. G. Pabst, Bd. 1, Gera-Untermhaus 1887
  • Große Haufen von Myrrheharz werden abgemessen. Im oberen Bildteil befinden sich für den Tempelgarten bestimmte Myrrhebäumchen (Totentempel der Hatschepsut; um 1460 v. Chr.). Aus: E. Naville, The Temple of Deir el Bahari, Bd. 3: Plates LVI-LXXXVI. End of Northern Half and Southern Half of the Middle Platform, London 1898, Pl. LXXIX
  • Myrrheharz. © public domain (Foto: Klaus Koenen, 2015)

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