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Schatz / Schatzkammer

(erstellt: Juni 2017)

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1. Allgemeines

Der Begriff „Schatz“ wird im Deutschen in dreierlei Hinsicht verwendet: Zum einen bezeichnet er gehortete Besitztümer, d.h. einen Vorrat an Geld und kostbaren Gütern wie Edelmetallen und Schmuck (z.B. Staatsschatz, Kirchenschatz). Zum anderen meint er wertvolle Dinge, die so lange verborgen waren, dass sich der Eigentümer zum Fundzeitpunkt nicht mehr feststellen lässt (vgl. § 984 BGB). Darüber hinaus wird der Begriff „Schatz“ auch im metaphorischen Sinn gebraucht und steht dann für besonders wertvolle (materielle oder geistige) Güter, Eigenschaften, Zustände oder Personen.

Zur Schatzbildung kommt es, seitdem in der Geschichte der menschlichen Wirtschaft Überschüsse und Dinge, die über den täglichen Bedarf hinausgehen produziert werden.

Als Schätze gelten in der Antike vor allem Edelmetalle (→ Gold, → Silber) und → Edelsteine (z.B. Amethyst, Lapislazuli, Smaragd, Türkis), aber auch kostbare Stoffe (→ Textilherstellung) und Gewürze (→ Speisen) sowie handwerklich hochwertige Gegenstände wie → Elfenbeinarbeiten, → Möbel, → Schmuck oder → Kleidung (vgl. 2Chr 32,27).

Eine Schatzkammer ist ein Raum zur Aufbewahrung eines Schatzes. Schon früheste Tempel und Paläste verfügen über solche Schatzkammern (z.B. in → Sumer), die sich mit Geld- und Naturalabgaben der Besucher, etwa durch Eintrittsgelder oder Opferzahlungen, füllen.

Neben der in Tempel oder Palast integrierten Schatzkammer existiert in der Antike noch der Typus des Schatzhauses, eines eigenständigen Gebäudes zur Aufbewahrung wertvoller Objekte (in Ägypten beispielsweise in Memphis, in Griechenland etwa in Delphi und Olympia). In Ägypten hat das Schatzhaus des Palastes, zu dem ein eigener Beamtenstab gehört, die Aufgabe, die vielfältigen Produkte und Einkünfte des Landes (Abgaben, Steuern, Einkünfte aus Ländereien und Werkstätten) zu sammeln, zu verwahren, ggf. weiterzuverarbeiten und neu zu verteilen, darunter Lebensmittel, Stoffe und Baumaterial (z.B. Holz, Steine). Angeschlossen an das Schatzhaus sind u.a. eine eigene Ölpresse und Webereien.

Einfache Privatpersonen hingegen verstecken ihr wertvolles Hab und Gut, etwa zum Schutz vor Diebstahl, z.B. in Tonkrügen (2Kor 4,7) oder vergraben es im Acker (Mt 13,44).

Legendär sind im Alten Orient und der biblischen Rezeption die Schätze der Könige von → Ninive (Nah 2,10) und → Babel (Jer 50,37).

2. Altes Testament

Der Schatz wird im Hebräischen mit dem Begriff אוֹצָר ʽôṣār bezeichnet. Über einen Schatz, im Sinne eines nennenswerten Vermögens, verfügen in der Regel nur Großgrundbesitzer sowie der Tempel und der Palast (d.h. der König samt seinem Stab). In ertragreichen Jahren können aber auch einfache Landwirte einen Hort anlegen und später ggf. zur Sicherung der Versorgung wieder verkaufen (Gen 42,2).

Zur sicheren Aufbewahrung der Güter verfügen sowohl der Jerusalemer Tempel als auch der Königspalast über eine bzw. mehrere Schatzkammern (→ Libanonwaldhaus). Der Tempelschatz und der des Palastes werden stets getrennt aufgeführt, wobei der Tempelschatz immer zuerst genannt wird, was dessen Wichtigkeit (sowie das Interesse der [deuteronomistischen] Redaktoren am Tempel) unterstreicht (1Kön 15,18; 2Kön 12,19; 2Kön 14,14; 2Chr 16,2). Der König hat faktisch allerdings wahrscheinlich die Verfügungsgewalt über beide Schätze.

Im Königspalast befindet sich mindestens eine Schatzkammer (1Kön 15,18; 2Kön 20,13; Est 3,9; Jer 38,11). Darin lagern dem biblischen Zeugnis zufolge neben Silber und Gold auch Spezerei, also kostbare Gewürze, sowie hochwertiges Öl (2Kön 20,13).

Der Jerusalemer → Tempel verfügt über mehrere Schatzkammern (Neh 10,39f.), worin neben Gold und Silber u.a. Getreide, Wein, Öl und Tempelgeräte (Neh 10,40; Mal 3,10) lagern. Dieser Besitz beruht auf Verpachtungseinnahmen, Gaben der Tempelbesucher und Weihegaben des Königs (2Sam 8,11f.; 1Kön 7,51; 1Kön 15,15; 2Kön 12,19) sowie Schenkungen. Der Tempel dient außerdem als Sammelstelle für Abgaben und Steuern. Die Steuern teilen sich auf in die eigentliche Tempelsteuer (Neh 10,33f.; Neh 13,12; Mal 3,8-10) und Abgaben an den eigenen oder fremden König und Staat.

Daraus wird deutlich, dass der Jerusalemer Tempel seit der Kultzentralisation (7. Jh. v. Chr.; → Deuteronomium; → Josia) nicht nur das Kultzentrum, sondern gleichzeitig auch das Wirtschaftszentrum Israels darstellt. In diesem Sinne dient er als Schatzhaus, Bank, Finanzamt und (ab der persischen Zeit) als Münzprägeanstalt.

In Hinblick auf die enorme wirtschaftliche Bedeutung des Tempels und den Reichtum seiner Schatzkammern verwundert es nicht, dass mehrfach von Plünderungen oder Beschlagnahmungen des Tempelschatzes erzählt wird (z.B. durch Schischak [→ Scheschonq] 1Kön 14,26; 2Chr 12,9 sowie → Nebukadnezzar 2Kön 24,13; 2Chr 36,18).

Von der Schatzsuche ist nur in der Weisheitsliteratur die Rede. In Hi 3,21 fragt der leidende Protagonist im Rahmen seiner ersten, todessehnsüchtigen Klage, warum Gott jenen das Leben schenkt, die sich eigentlich den Tod wünschen, ja sogar mehr nach dem Tod suchen als nach Schätzen (Hi 3,20-22). In Spr 2,4f. wird der Sohn dazu angehalten, nach Weisheit, Einsicht und Vernunft zu suchen wie nach Silber und zu forschen wie nach Schätzen.

Im übertragenen Sinn taucht der Schatz neben Dtn 28,12, wo segenbringender Regen als Gottes Schatz erscheint, erst in der späten Weisheitsliteratur auf. Als das prinzipiell Kostbare und Erstrebenswerte wird hier die → Weisheit, die den Menschen ein unerschöpflicher Schatz ist (Weish 7,14) und „das ganze Haus mit begehrten Gaben und die Scheunen mit ihren Schätzen“ füllt (Sir 1,17 [Lutherbibel: Sir 1,21]), dargestellt.

3. Neues Testament

In wörtlicher Bedeutung erscheint ein Schatz (θησαυρóς thesauros) in Mt 2,11, wo es von den Weisen aus dem Morgenland heißt, dass sie ihre Schätze vor Jesus ausbreiten. In Mk 12,41-44 / Lk 21,1-4 und Joh 8,20 predigt Jesus bei dem Schatzkasten des Tempels bzw. stellt dort das Opfer der armen Witwe den Gaben des Reichen gegenüber.

Vor allem werden Schätze in den Gleichnissen Jesu im Rahmen bildhafter Sprache herangezogen. Beispielsweise warnt Jesus davor, auf irdische Schätze zu vertrauen, da diese leicht zerstört werden oder verloren gehen können, und sich stattdessen Schätze im Himmelreich anzusammeln; schließlich gilt: „wo dein Schatz ist, da ist dein Herz“ (Mt 6,19-21; Lk 12,16-21). Daher rät Jesus, Abschied von Wohlstand zu nehmen, also die weltlichen Schätze zu verkaufen, den Erlös den Armen zu spenden und so einen unvergänglichen, himmlischen Schatz zu erhalten (Mt 19,21).

Die Wirkung, die vom Finden eines Schatzes ausgeht, vergleicht Jesus mit der Gottesherrschaft (Mt 13,44f.), d.h. nicht der Schatz an sich, sondern das außergewöhnliche Ereignis des Fundes und das Verhalten des Finders – der in Anbetracht des kostbares Fundes allen Besitz verkauft – werden mit dem Himmelreich verglichen. Da in biblischer Zeit das Vergraben für einfachere Leute eine gängige Weise war, Wertvolles aufzubewahren, liegt das geschilderte Ereignis des Schatzfundes tatsächlich im Bereich des Möglichen.

Auch in Mt 15,51f., im Gleichnis vom Schatz des Hausherrn, wird ein Schatz (und eine daran geknüpfte Handlung) zum Vergleich mit dem Himmelreich herangezogen. Jeder Schriftgelehrte, der zum Jünger für das Himmelreich wird, gleicht einem Hausherrn, der aus seinem Schatz Neues und Altes austeilt. Durch die Voranstellung wird das „Neue“ betont, wobei offen bleibt, um was es sich genau handelt (vgl. Mt 11,2, wo das Neue alles ist, was Jünger von Jesus hören und sehen, das Alte für die Zeit davor steht, d.h. das Neue an der Verkündigung Jesu wird mit den alten Schriften und Traditionen verbunden).

Der Schatz als Bild für besondere Kostbarkeit dient in diesen Gleichnissen dazu, die Faszination der Gottesherrschaft annäherungsweise zum Ausdruck zu bringen.

Der Jerusalemer Tempel hat auch in neutestamentlicher Zeit eine enorme kultische und wirtschaftliche Bedeutung. Aus seiner Schatzkammer, die vor allem aus den Einnahmen der Tempelsteuer besteht, werden alle nötigen Ausgaben zum Betrieb des Tempels, z.B. die Entlohnung von Priesterpersonal, Handwerkern usw., bestritten. Ab 66. n. Chr. weigert sich die jüdische Bevölkerung, Steuern an Rom zu zahlen. Aus diesem Grund holen römische Legionen unter dem Statthalter Gessius Florus den fehlenden Tribut aus der Schatzkammer des Tempels, was den Anfang vom Ende der Tempelbank darstellt. Titus schließlich lässt den Tempelschatz samt der kultischen Einrichtung nach Rom schaffen, der bis heute verschollen ist. Diese Plünderung im Jahre 70 n. Chr. stellt eine der größten in der Tempelgeschichte dar. Da anschließend der Goldpreis beträchtlich sinkt, offenbar aufgrund eines Überangebotes, muss der Schatz des Tempels sehr umfangreich gewesen sein.

Die Zerstörung des Tempels bedeutet damit nicht nur den Verlust des wichtigsten religiösen Raumes, sondern auch eines wesentlichen wirtschaftlichen Elements.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Stuttgart 1933-1979
  • Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992
  • Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, 5. Aufl., München / Zürich 1994-1995
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • Bibeltheologisches Wörterbuch, Graz 1994
  • Metzler Lexikon Antike, Stuttgart / Weimar 2000
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
  • Handbuch theologischer Grundbegriffe zum Alten und Neuen Testament, Darmstadt 2006
  • Herders Neues Bibellexikon, Freiburg u.a. 2008
  • Sozialgeschichtliches Wörterbuch zur Bibel, Gütersloh 2009

2. Weitere Literatur

  • Ernst, W., Geld. Ein Überblick aus historischer Sicht, in: M. Welker / M. Wolter u.a. (Hgg.), Gott und Geld (JBT 21), Neukirchen-Vluyn 2007, 3-21.
  • Kessler, R., Sozialgeschichte des alten Israel. Eine Einführung, Darmstadt 2. Aufl. 2008.
  • Müller, P., Die Freude des Findens (Vom Schatz im Acker und von der Perle). Mt 13,44.45f. (EvThom 76; 109), in: R. Zimmermann (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2007, 420-428.
  • Müller, P., Neues und Altes aus dem Schatz des Hausherrn (Vom rechten Schriftgelehrten). Mt 13,52, in: R. Zimmermann (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2007,
  • 435-440.
  • Nunn, A., Der Alte Orient. Geschichte und Archäologie, Darmstadt 2012.
  • Schaper, J., Geld und Kult im Deuteronomium, in: M. Welker / M. Wolter u.a. (Hgg.), Gott und Geld (JBT 21), Neukirchen-Vluyn 2007, 45-54.
  • Schaper, J., Schatzhaus, Bank und Prägeanstalt. Frühe Geldwirtschaft am Jerusalemer Tempel, in: Welt und Umwelt der Bibel 47 (2008), 28-33.
  • Schaper, J., The Jerusalem Temple as an Instrument of the Achaemenid Fiscal Administration, in: Vetus Testamentum 45 (1995), 528-539.
  • Scherberich, K. (Hg.), Neues Testament und Antike Kultur. Band 2: Familie – Gesellschaft – Wirtschaft, Neukirchen-Vluyn 2005.

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