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(erstellt: September 2007)

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1. Geschichte

Kedar (hebr. קדר qedār, assyrisch und altarabisch qidar) war ein dominanter Großstamm Nordarabiens vom 8. bis 4. Jh. v. Chr., dessen Streifgebiet ab dem 4. Jh. v. Chr. die Nabatäer übernahmen. Die Assyrer setzten sich von → Tiglatpileser III. (745-727 v. Chr.) bis Assurbanipal (669-630 v. Chr.) mit dem Stamm in Südsyrien und entlang der transjordanischen Wüstengrenze auseinander. Das lässt darauf schließen, dass die Kedrener im 8. und 7. Jh. das Wādī Sīrḥān beherrschten und damit den Abzweig der Weihrauchstrasse nach Damaskus (und über Damaskus nach Phönizien). „Königinnen“ und „Könige“ der Kedrener, die nach der assyrischen Bezeichnung einer von ihnen (apkallatu „Priesterin“, bei Asarhaddon) auch oder vielleicht hauptsächlich religiöse Funktionen hatten, waren zugleich Anführer(innen) der Stammeskoalition → Ismael (ass. Sumu’il, altarab. Sama‘’īl; nur im 7. Jh. v. Chr. belegt).

Im 5. Jh. v. Chr. waren die Kedrener weiter nach Westen vorgedrungen und beherrschten jetzt auch den Süden Kanaans (Idumäa, Negev, Sinai) bis an die Grenzen Ägyptens. „Geschem, der Araber“ (Neh 2,19; Neh 6,1), der südliche Nachbar Judas zur Zeit Nehemias, war ein Kedrener, wie aus aramäischen Weihinschriften hervorgeht, die sein Sohn Qainu um 400 v. Chr. im ägyptischen Ostdelta (dem Land Goschen der Exodus-Tradition) deponiert hat. Nach diesen Inschriften benutzte die Häuptlingsfamilie noch den archaisch-arabischen Artikel han- (in hn’lt „die Göttin“) während Herodot schon 50 Jahre zuvor bei dessen Stammesbrüdern im Sinai den alt- und hocharabischen Artikel al- gehört hatte, und im gleichen Wort (Alilat, nabatäisch und im klassischen Arabisch Allât).

Anfang des 4. Jh. v. Chr. verlor das Perserreich die Herrschaft über Nordarabien. Damit war die bisherige Häuptlingschaft desavouiert und der Stamm zerfiel. Südlich von Juda wurde nun die Provinz Idumäa gebildet (Lemaire), auf dem Sinai, in Edom, Südsyrien und Nordwestarabien wurde die Kedrener-Elite von den Nabatäern abgelöst.

2. Altes Testament

Die biblischen Belege für Kedar bleiben mit Ausnahme von Hhld 1,5 im gleichen zeitlichen Rahmen. Die Liste der „Söhne Ismaels“ Gen 25,13-15 (1Chr 1,29-31) geht im Grundbestand wie die übrigen geographischen Texte der → Priesterschrift (Gen 10*, Gen 36*) wohl auf eine Quelle aus dem 7. Jh. zurück; es ist anzunehmen, dass ursprünglich Kedar, nicht Nebajot, „Erstgeborener“ Ismaels war.

Jer 49,28-33 kommentiert im Grundbestand den Arabien-Feldzug Nebukadnezars im Winter bis Frühjahr 599/598, der sich nach der babylonischen Chronik gegen stammesmäßig nicht weiter spezifizierte → Araber richtete. Der Jeremia-Text liest sich, als hätte sein Verfasser die assyrischen Reliefs zu den Araberkämpfen Tiglatpilesers III. und Assurbanipals oder vergleichbare Bilder vor Augen. In der Liste der Handelspartner von Tyrus erscheinen die Kedrener in Ez 27,21 hingegen nicht als stolze Kamelnomaden und Karawanenhändler, sondern als Kleinviehlieferanten; ähnlich reserviert Jes 60,6 die Kamele für Epha und Midian und lässt Kedar und Nebajot nur die Schafe und Ziegen (Jes 60,7). Für Jes 42,11 und Jer 2,10 markieren die „Inseln der Kittäer“ im Westen und die „Wüstendörfer“ von Kedar im Osten die Grenzen der bekannten Welt. Mit „Sela“ (Sil‘ in Südjordanien) führt Jes 42,11 die Kedrener aber schon in die unmittelbare Nachbarschaft Edoms, wenn nicht schon vollends ins Land der Edomiter.

An den Araber-Spruch Jes 21,13-15, der möglicherweise – und frühestens – Nabonids Arabien-Zug 553-543 v. Chr. gegen → Dedan, → Tema und andere Oasenstädte Nordwestarabiens kommentiert, schließt sich eine Fortschreibung (in Prosa) Jes 21,16-17 an, der dem zuvor nicht genannten Stamm Kedar und seinen Bogenschützen ein baldiges Ende ankündigt „fest bestimmt wie das Ende eines Arbeitskontrakts“, ein Zeitraum, der in Jes 16,14 drei Jahre beträgt, nach Dtn 15,18 sechs Jahre und nach Lev 25,40 bis zum nächsten → Jobeljahr geht (eine Kalkulation, die natürlich bereits hinter Jes 16,14 stehen kann). Die Kedar-Fortschreibung setzt also die Promulgation der Tora voraus und führt damit am ehesten in die Zeit des Niederganges des Stammes Anfang des 4. Jh.s v. Chr. Ps 120,5, das Klagelied eines Juden aus der nordarabischen Diaspora, wie es sie seit dem 6. Jh. v. Chr. bis ins frühe 7. Jh. n. Chr. gegeben hat, nennt mit „Meschech“ (arab. Māsīk) möglicherweise eine kedrenische Sippe, wie es auch die Nabat vor ihrer Machtübernahme gewesen sein werden.

3. Rezeption

Nach einer genialen und immer noch überzeugenden Konjektur von Julius Wellhausen verglich Hhld 1,5 die Schwärze der Braut nicht mit den Zelten (aus ebenso fettigem wie rauhen Ziegenhaar) der Kedrener und den Zeltbahnen Salomos (die wir uns eher aus Samt und Seide vorstellen), sondern mit den schwarzen Zelten Kedars und Salmas, eines Stammes, der südlich der Nabatäer (um Hegra) und im Bund mit ihnen lebte. Damit besteht die Möglichkeit, dass die Dichtung hier mit „Kedrener“ schon die Nabatäer, ihre territorialen Nachfolger, meint. Abgesehen davon, dass dieser Vers einer der frühestens Belege für das „schwarze Zelt“ (breitrechteckig) der Beduinen ist (die Araber auf den Reliefs Assurbanipals haben noch Rundzelte, die in der altarabischen Dichtung gelegentlich vorkommen und dort „rot“ genannt werden wegen ihrer Lederabdeckung), kann der mittlerweile obsolete Stamm in diesem Kontext auch allein wegen der Assoziationen erwähnt sein, die sein (arabischer) Name im Hebräischen auslöst: das Verb qdr heißt hier „schwarz sein oder werden“, im Kausativ-Stamm „verdunkeln“. Die Kedrener werden bei ihrem Stammesnamen jedoch eher an arab. qadira gedacht haben – „mächtig sein oder werden“.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001

2. Weitere Literatur

  • Knauf, E. A., 1990, The Persian Administration in Arabia, Transeuphratène 2, 201-217.
  • Lemaire, A., 1999, Der Beitrag idumäischer Ostraka zur Geschichte Palästinas im Übergang von der persischen zur hellenistischen Zeit, ZDPV 115, 12-23.
  • Staubli, Th., 1991, Das Image der Nomaden im Alten Israel und in der Ikonographie seiner sesshaften Nachbarn (OBO 107), Freiburg (Schweiz) / Göttingen, 80-98; 170-172; 207-209.

Abbildungsverzeichnis

  • Assyrischer Reiter verfolgt zwei Araber auf einem Kamel (Relief aus dem Palast Assurbanipals; 7. Jh.). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

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