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(erstellt: April 2008)

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Vgl. → Made (רִמָּה rimmāh); → Wurm (תּוֹלֵעָה tôle‘āh).

1. Begriff

Normalerweise wird das Wort רֶמֶשׂ ræmæś (von רמשׂ rmś „kriechen / schleichen“) mit „Gewürm“ oder „Kriechtiere“ übersetzt. Berücksichtigt man jedoch, dass die Tierwelt im Alten Testament nach ganz anderen Kriterien eingeteilt wird als von der modernen Biologie, erscheint die allgemeinere Übersetzung „Kriechtiere“ für alle auf der Erde kriechenden und krabbelnden Kleintiere, also manchmal auch für Reptilien oder Käfer, eher angemessen als das einschränkende Wort „Gewürm“.

Neben dem Begriff רֶמֶשׂ ræmæś findet sich zur Bezeichnung wimmelnder Tiere auch das Wort שֶׁרֶץ šæræṣ „Gewimmel“. Dieser Begriff wird fast ausschließlich in der → Priesterschrift verwendet, außerdem in Gen 7,28 (→ Jahwist; vgl. Ps 105,30) für Wassertiere (vgl. die Parallelisierung von Fischen und Kriechtieren [hier: רֶמֶשׂ ræmæś] in Hab 1,14).

Die → Septuaginta übersetzt sowohl רֶמֶשׂ ræmæś als auch שֶׁרֶץ šæræṣ mit erpein bzw. erpetos.

2. Verwendung

2.1. Teil der Schöpfung

Kriechtiere (רֶמֶשׂ ræmæś) gehören neben den Haustieren (בְּהֵמָה bəhemāh), den wilden Tieren (חַיָּה chajjāh) und den Vögeln (עוֹף ‘ôf) zu den Hauptgruppen der im Zusammenhang mit der Schöpfung genannten Tieren, sind allerdings in der Rangordnung der Lebewesen auf der Erde wohl am unteren Ende einzuordnen. In Gen 1,24 werden am 6. Tag gemeinsam mit den Menschen Kriechtiere (רֶמֶשׂ ræmæś), Vieh und wilde Tiere geschaffen. Die Priesterschrift unterscheidet zwischen den auf dem Land kriechenden Gewimmel (רֶמֶשׂ ræmæś) und den Fischen sowie den anderen wimmelnden Tieren (שֶׁרֶץ šæræṣ), die bereits am 5. Tag erschaffen wurden. Dagegen nennt Gen 7,21 (ebenfalls Priesterschrift) die auf dem Land lebenden wimmelnden Tiere nicht רֶמֶשׂ ræmæś, sondern שֶׁרֶץ šæræṣ. In der Sintfluterzählung (Gen 6,5-8,22) besteht das Leben auf der Erde aus Menschen, Vieh, Vögeln und Kriechtieren (Gen 6,7; רֶמֶשׂ ræmæś). Je ein Paar der Kriechtiere (רֶמֶשׂ ræmæś) werden in der Arche gerettet (Gen 6,20; Gen 7,8.14).

Ps 148 zählt im Stil der altorientalischen Listenwissenschaft neben Naturgewalten, Pflanzen und menschlichen Ämtern in Ps 148,10 ebenfalls Wild (חַיָּה chajjāh), Vieh (בְּהֵמָה bəhemāh), Kriechtiere (רֶמֶשׂ ræmæś) und Vögel (עוֹף ‘ôf) als Vertreter der Tierwelt auf. Die Aufteilung der Tierwelt in die vier Klassen Tiere, Vögel, Fische und Kriechtiere (רֶמֶשׂ ræmæś) findet sich auch in Dtn 4,17f.; 1Kön 5,13; Ez 38,20. Hab 1,14 gelten Kriechtiere (רֶמֶשׂ ræmæś) und Fische als Beispiel für Lebewesen, die keinen Herrscher über sich haben.

In dem kosmisch ausgerichteten Gerichtsbild Ez 38,20 gegen Gog gehören die Kriechtiere, die sich auf der Erde bewegen, neben den Fischen (דָּג dāg) des Meeres, den Vögeln des Himmels, den wilden Tieren des Feldes sowie den Menschen auf der Oberfläche der Erde zu den Wesen, die vor dem Zornesbeben Jahwes zittern werden.

Genau umgekehrt arbeitet hingegen das bäuerlich geprägte Bild in Hos 2,20, das einen Bund Jahwes mit den Tieren ankündigt, der Frieden zwischen den Menschen und den Tieren bringt, die den Menschen schädigen. Hier werden nur drei Gruppen klassifiziert: die wilden Tiere (חַיָּת הַשָּׂדֵה chajjat hassādeh), die die Menschen gefährden, die Vögel (עוֹף ‘ôf), die die Weinberge kahl fressen und die Kriechtiere (רֶמֶשׂ ræmæś), die die Ackerfrüchte befallen (vgl. Jes 11,6-8; Jes 65,25).

Vielleicht reiht der Qumrantext 4Q 502,3.8 die auf dem Erdboden kriechenden Reptilien gemeinsam mit anderen Tieren positiv als Gegenstand des göttlichen Lobpreises auf.

2.2. Unreine Tiere

In den priesterschriftlichen Gesetzen gelten die Kriechtiere (שֶׁרֶץ šæræṣ) als unrein. Das mag daran liegen, dass Maden und Würmer in den Verwesungsprozess eingebunden sind. Zudem scheinen Menschen eine Abneigung gegen erdnah lebende und sich kriechend fortbewegende Tiere zu haben (Riede, 2000, 234); vgl. Lev 5,2; Lev 11,10.20.21.23.43.46; Lev 22,5; Dtn 14,19. Auch in Qumran bezeichnet das Verb rmś eine Klasse von unreinen Tieren (Damaskusschrift 12,[12.]13).

2.3. Tod und Verwesung

Der hebräische Text von Sir 10,11 (Lutherbibel: Sir 10,13) bezeichnet mit רֶמֶשׂ ræmæś Tiere, die für den Verwesungsprozess im Grab verantwortlich sind.

2.4. Götzenpolemik

Ez 8,10 nutzt die negative Konnotation der Kriechtiere, um die Gräuel, die das Heiligtum entweihen, zu unterstreichen: Bilder von Kriechtieren (רֶמֶשׂ ræmæś) und Vieh (בְּהֵמָה bəhemāh) finden sich neben rituell konnotierten Abscheulichkeiten (שֶׁקֶץ šæqæṣ) und Götzenbildern (גִּלּוּל gillûl) an den Wänden des Tempels. Das mit Bildern geschmückte Tempeltor erinnert an das Ischtartor in Babylon, dort waren allerdings die Göttersymbole Löwe, Schlangendrache und Stier dargestellt. Der Text der Septuaginta ist kürzer, er spricht nur von „Bildern“ oder „Wandschnitzereien“.

Der masoretische Text rekurriert vielleicht auf das Verbot in Dtn 4,18, Abbildungen unter anderem von Kriechtieren (רֶמֶשׂ ræmæś) herzustellen, und unterstreicht die gegen die Priester gerichtete Polemik, im Tempel würden unreine Lebewesen kultisch verehrt.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
  • Biblisches Reallexikon, 2. Aufl., Tübingen 1977
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003

2. Weitere Literatur

  • Janowski, Bernd u.a. (Hgg.), 1993, Gefährten und Feinde des Menschen. Das Tier in der Lebenswelt des alten Israel, Neukirchen-Vluyn
  • Riede, Peter, 2002, Im Spiegel der Tiere. Studien zum Verhältnis von Mensch und Tier im alten Israel (Orbis biblicus et orientalis 187), Freiburg (Schweiz) / Göttingen
  • Riede, Peter, 2000, Im Netz des Jägers. Studien zur Feindmetaphorik der Individualpsalmen (Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen Testament 85), Neukirchen-Vluyn.

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