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Falle / Fallstrick

(erstellt: März 2010)

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1. מוֹקֵשׁ „Falle / Fallstrick / Wurfholz“ und פַּח „Klappnetz“

Die beiden hebräischen Worte, die in den deutschen Übersetzungen des Alten Testaments mit Falle oder Fallstrick übersetzt werden, sind in der Regel מוֹקֵשׁ môqeš und פַּח pach. Beide Begriffe stammen aus der → Jagd, genauer aus dem Vogelfang, und bezeichnen Vorrichtungen zum Fangen von Tieren, insbesondere Vögeln (Am 3,5). So kommt es zur Wiedergabe der Begriffe mit „Falle / Fallstrick / Wurfholz“ für מוֹקֵשׁ môqeš und „Klappnetz“ für פַּח pach. Ob zwischen den beiden Wörtern eine signifikante semantische Differenz zu erheben ist, ist umstritten. Denn einerseits begegnen beide im synonymen Parallelismus (Am 3,5; Ps 69,23; Ps 140,6; Ps 141,9; → Poesie), andererseits überwiegt im Alten Testament der metaphorische Gebrauch, der eine genaue Zuordnung zu bestimmten Gegenständen nicht zulässt.

2. Konkreter Gebrauch

Es gibt im Alten Testament keinen Text, der sich mit dem Fallenstellen oder dem Vogelfang um der Sache selbst willen beschäftigt. Eine Beschreibung einer Jagd mit Falle oder Klappnetz oder eine Anweisung zum Bau derselben findet sich nicht. Für die Vorstellung von Vogelfallen und Klappnetzen ist die Bibelwissenschaft daher auf altorientalische Parallelen, vor allem aus Ägypten angewiesen.

Am ehesten liegt ein konkreter Gebrauch der Worte מוֹקֵשׁ môqeš und פַּח pach in Am 3,5 vor: „Fällt ein Vogel auf die Erde, und keine Falle (מוֹקֵשׁ môqeš) wäre für ihn da? Schnellt ein Klappnetz (פַּח pach) vom Boden empor, ohne wirklich etwas zu fangen?“ (Übersetzung: J. Jeremias). Andere Autoren bestehen hier für die Übersetzung von מוֹקֵשׁ môqeš auf „Wurfholz“ in Parallele zu einer Jagdmethode mit Bumerang, die in Ägypten belegt ist (Wolff, 223f.; Riede, 343; Keel, 84 Abb. 120); denn מוֹקֵשׁ môqeš bezeichnet hier etwas, das einen Vogel im Flug trifft. Dies braucht nicht abschließend entschieden zu werden; denn auch in Am 3,5 wird die Vogeljagd nicht um ihrer selbst willen thematisiert, sondern dient als argumentative Redefigur für den Aufweis des sogenannten → Tun-Ergehen-Zusammenhangs.

In jedem Fall ist מוֹקֵשׁ môqeš nicht auf die Bedeutung „Wurfholz“ einzuschränken; denn in Hi 40,24 bezeichnet das Wort môqešîm „Stricke“, die man dem (mythischen) Urtier → „Behemot“ durch die Nase zieht, um es zu fangen.

Ein konkretes Verständnis von פַּח pach mit Bezug auf Jagd oder Vogelfang liegt in den Vergleichen in Ps 91,3 und Ps 124,7 vor. Allerdings tendieren diese Vergleiche bereits zum metaphorischen Gebrauch des Wortes.

3. Metaphorischer Gebrauch

In der überwiegenden Zahl der Belegstellen dienen die Begriffe Falle / Fallstrick / Klappnetz als Metaphern im Sinne von „sich verstricken / über etwas stolpern / sich verfangen / in die Falle gelockt werden“. Dabei handelt es sich um reflexive oder transitive Vorgänge, bei denen im Extremfall auch Gott als Fallensteller auftreten kann. Folgende Arten des metaphorischen Gebrauchs von מוֹקֵשׁ môqeš und פַּח pach lassen sich differenzieren:

3.1. Die Feinde als Fallensteller

In den Individualpsalmen (→ Psalmen), vor allem in den Klagepsalmen des Einzelnen wird von den Feinden des Beters häufig gesagt, dass sie dem Angefochtenen mit Jagdwaffen und -methoden nachstellen (vgl. Riede). Dabei spielen auch Falle und Klappnetz eine wichtige Rolle (Ps 64,6; Ps 140,6, Ps 141,9; Ps 142,9; ähnlich Hi 22,10).

Dagegen wird das Vertrauen geäußert, dass Gott „aus dem Netz des Jägers“ rettet (Ps 91,3). Den Feinden wird in der Logik des → Tun-Ergehen-Zusammenhangs ihre eigene Bosheit zum Fallstrick (Ps 69,23).

3.2. Ein Mensch als Falle für andere

Nachdem Mose Ägypten → Plagen angedroht hatte, fragen die Beamten des Pharao ihren König in Ex 10,7: „Wie lange soll dieser Mann uns zum מוֹקֵשׁ môqeš werden?“. Die Plagen werden hier also als etwas verstanden, worin sich die Ägypter verstricken, was ihnen zu Falle wird. Luther übersetzt sinngemäß richtig „Verderben bringen.“ Ähnlich wird das Wort in 1Sam 18,21 gebraucht, wo Saul heimlich hofft, seine Tochter möge David zum מוֹקֵשׁ môqeš werden.

3.3. Der Mensch als Falle für sich selbst

In der alttestamentlichen → Weisheit findet sich eine Reihe von Sprichwörtern (→ Sprüchebuch), die den Menschen davor warnen, sich selbst zur Falle zu werden durch unbedachte Reden (Spr 12,13; Spr 18,7; Spr 20,25), falsche Vorbilder (Spr 22,25), Verbrechen (Spr 29,6) oder Menschenfurcht (vs. Gottesfurcht, Spr 29,25).

Diese Verstrickung kann soweit gehen, dass die Existenz durch „Stricke des Todes“ (2Sam 22,6; Ps 18,6; Spr 13,14; Spr 14,27) bedroht ist. Der → Prediger Salomo vergleicht den Tod mit einem Netz, das unerwartet über Fische oder Vögel kommt (Pred 9,12).

3.4. Fremde Völker und ihre Götter als Falle für Israel

Die weisheitliche Rede von der Verstrickung des Menschen wird theologisch zugespitzt: Wenn Israel mit fremden Völkern Verbindungen eingeht und vor allem deren Götter verehrt, so wird dies zum Fallstrick für das Gottesvolk (Ex 23,33; Ex 34,12; Dtn 7,16; Jos 23,13; Ri 2,3; Ri 8,27; Ps 106,36). Die Belege sind mehrheitlich deuteronomistisch (→ Deuteronomismus). So wird der Begriff Falle / Fallstrick Teil des begrifflichen Instrumentariums, das zu einer Differenzierung zwischen „Israel“ und „Kanaan“ dient.

3.5. Jahwe als Fallstrick für Israel

Jes 8,14 enthält die Fallstrickmetapher in der theologisch zugespitztesten Form: Dort heißt es, Jahwe selbst würde zu מוֹקֵשׁ môqeš und פַּח pach für „die beiden Häuser Israel“. Jes 8,15 entfaltet dies verbal: Wie in Schlingen und Netzen werden sich viele von Israel verfangen, darüber stolpern und gefangen werden. Derselbe Satz findet sich beinahe wortgleich in Jes 28,13, wo als Grund für dieses Straucheln und Sichverstricken die Verhöhnung und Ablehnung des prophetisch vermittelten Gotteswortes genannt wird. Dem korrespondiert, dass nach Hos 9,8 dem Propheten Jahwes Fallen gestellt werden.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Neues Bibellexikon, Zürich 1998-2001.
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff.
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992 (Zoology).

2. Weitere Literatur

  • Freuling, G., 2004, „Wer eine Grube gräbt …“ Der Tun-Ergehen-Zusammenhang und sein Wandel in der alttestamentlichen Weisheitsliteratur (WMANT 102), Neukirchen-Vluyn.
  • Jeremias, J., 1995, Der Prophet Amos (ATD 24/2), Göttingen.
  • Keel, O., 5. Aufl. 1996, Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament. Am Beispiel der Psalmen, Göttingen.
  • Riede, P., 2000, Im Netz des Jägers. Studien zur Feindmetaphorik der Individualpsalmen (WMANT 85), Neukirchen-Vluyn.
  • Wolff, H.W., 2. Aufl. 1975, Dodekapropheton 2 Joel und Amos (BKAT XIV/2), Neukirchen-Vluyn.

Abbildungsverzeichnis

  • Vogeljagd mit Klappnetz (Wandmalerei in Benī Ḥasan, Ägypten; Mittleres Reich). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

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