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(erstellt: Februar 2009)

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1. Name und Abstammung

Bokchoris (zu den griechischen Namensformen s. Thissen 1996, 147; ägyptisch B3k-n-rn.f [Bakenrenef], Thronname W3ḥ-k3-R‘) ist bei → Manetho der einzige König der 24. Dynastie, während man heute meist auch seinen Vater Tefnachte (bei Manetho nicht erwähnt) dieser Dynastie zuweist. Dieser Tefnachte war ein libyscher Fürst aus → Sais, der gegen Ende der 22. Dynastie zum mächtigsten Herrscher Unterägyptens aufstieg. Seine Expansion auch nach Mittelägypten veranlasste dann den nubischen König → Pianchi, gegen ihn zu Felde zu ziehen. Nach diesem Feldzug scheint Tefnachte selbst die Königstitulatur angenommen zu haben. Bei Diodor (I, 45,2) wird der König Tnephachthos als Vater von „Bokchoris, dem Weisen“ erwähnt, der Manetho zufolge gleichfalls König von → Sais war und als Zeitgenosse → Schabaqos unmittelbar an Tefnachte anschließen sollte.

2. Zeitgenössische Denkmäler

Aus der Zeit des Bokchoris sind nur wenige Denkmäler erhalten (Jansen-Winkeln 2007, 375-381): einige Skarabäen, davon einer, der in einem Grab des 8. Jh.s v. Chr. in Pithecusa in Süditalien gefunden wurde, ein Fayencegefäß aus einem Grab in Etrurien und eine Gründungsplakette. Eine gesicherte Herkunft in Ägypten selbst hat nur ein Steinfragment mit Spuren seines Namens, das in → Tanis entdeckt wurde. Außerdem sind im Serapeum von → Memphis eine Reihe von datierten Stelen anlässlich des Begräbnisses eines Apis-Stieres im 6. Jahr des Bokchoris gefunden worden, und in der Grabkammer dieses Apis stand ein Dipinto mit Datum und Königsnamen. Auch eine undatierte Schenkungsstele (aus dem Ostdelta?) und ein Leintuchfragment tragen seinen Namen.

3. Chronologie und Geschichte

Zeitgenössisch ist für Bokchoris ein 6. Regierungsjahr mehrfach belegt, auch Manetho schreibt ihm 6 Jahre zu (nach Africanus; die 44 Regierungsjahre nach Eusebius sind ausgeschlossen). Dieses 6. Jahr wird zugleich auch sein letztes gewesen sein, denn der Apisstier, der in diesem Jahr begraben wurde, soll derselbe sein, dessen Begräbnis auf einer (verschollenen) Stele im Serapeum aus dem 2. Jahr des nubischen Königs Schabaqo erwähnt wird. Danach erscheint Bokchoris nicht mehr in den Quellen. Sein 6. Regierungsjahr entspricht damit dem Jahr 2 des Schabaqo (ca. 720), und die Regierung des Bokchoris ist um 725-720 anzusetzen (vgl. Jansen-Winkeln 2006, 258-263).

Historische Fakten aus seiner Regierungszeit sind kaum überliefert. Da Sais seine Heimatstadt war und er auch in Memphis und Tanis bezeugt ist, scheint sich sein Herrschaftsbereich wie der seines Vaters auf ganz Unterägypten erstreckt zu haben (z.T. vermutlich als Oberherr anderer Fürsten). Ob die gefangenen Nubier auf dem in Etrurien gefundenen Gefäß eine historische Reminiszenz an (frühere) Kämpfe mit Nubiern sind, ist zweifelhaft. Manetho zufolge nahm Schabaqo den Bokchoris gefangen und ließ ihn lebendig verbrennen.

4. Nachleben

Verglichen mit den sehr bescheidenen zeitgenössischen Hinterlassenschaften dieses Königs ist sein Nachruhm in der antiken Welt geradezu gewaltig gewesen (Moret 1903, 51-79; Gill / Vickers 1996, 1-2; Hölbl 1981, 5, n.22). Er wird als weiser als seine Vorgänger gerühmt (Diodor I, 65,1), als guter Richter (Diodor I, 94,5; Plutarch, Demetrius 27,5-6; Clemens Alexandrinus, Stromateis 4, 18,115; Aelian, Varia historia 12,63; Text gr. und lat. Autoren) und Gesetzgeber (Diodor I, 94,5), dessen Schuldenregelung Solon von Athen als Vorbild gedient habe (Diodor I, 79). Andrerseits wird er aber auch als unansehnlich und gebrechlich (Diodor I, 61,1; 94,5), verschlagen und habgierig (Diodor I, 94,5), grausam (Plutarch, Moralia 529f.) und frevelhaft gegen heilige Tiere (Aelian, De natura animalium, XI,11) geschildert. Der Dichter Pankrates (2. Jh. n. Chr.) hat ihm ein mehrbändiges (verlorenes) Werk (Bokchoreïs) gewidmet. Auch im koptischen Kambysesroman könnte die Tradition vom weisen Bokchoris noch erhalten sein (Thissen 1996, 146-148).

In einer aus dem Jahr 4 n. Chr. stammenden Abschrift ist die demotische Erzählung vom → „Lamm des Bokchoris“ überliefert: In seinem 6. Regierungsjahr prophezeit ein sprechendes Lamm eine Periode des Unheils für Ägypten, die erst in 900 Jahren zu Ende gehen werde. Dieses Lamm wird auch bei einigen antiken Autoren erwähnt (Thissen 2002, 137-138).

In einer bestimmten Tradition werden → Moses und der → Exodus unter Bokchoris datiert (Lysimachos bei Josephus, Contra Apionem, I 305-311 [34]; II 2; vermutlich danach Tacitus, Historien, V,3; Text gr. und lat. Autoren).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Paulys Real-Encyclopädie der classischen Alterthumswissenschaft, Stuttgart 1894-1972
  • Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992
  • Lexikon der Pharaonen, München 1996

2. Weitere Literatur

  • Gill, D. / Vickers, M., 1996, Bocchoris the Wise and Absolute Chronology, Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Römische Abteilung, 103, 1-9
  • Hölbl, G., 1981, Die Aegyptiaca des griechischen, italischen und westphönikischen Raumes aus der Zeit des Pharao Bocchoris (718/17-712 v. Chr.), Grazer Beiträge 10, 1-20
  • Jansen-Winkeln, K., 2006, The Chronology of the Third Intermediate Period: Dyns. 22-24, in: E. Hornung u.a. (Hgg.), Ancient Egyptian Chronology (Handbuch der Orientalistik 83), Leiden / Boston, 234-264
  • Jansen-Winkeln, K., 2007, Inschriften der Spätzeit, Teil II: Die 22.-24. Dynastie, Wiesbaden
  • Moret, A, 1903, De Bocchori rege, Paris
  • Ridgway, D., 1999, The Rehabilitation of Bocchoris: Notes and Queries from Italy, in: Journal of Egyptian Archaeology 85, 143-152
  • Thissen, H.J., 1996, Bemerkungen zum koptischen Kambyses-Roman, Enchoria 23, 145-149
  • Thissen, H.J., 2002, Das Lamm des Bokchoris, in: A. Blasius / B.U. Schipper (Hgg.), Apokalyptik und Ägypten (Orientalia Lovaniensia Analecta 107), 113-138

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