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1. Einleitung zur Bibelkunde des Alten Testaments

Begriffsbestimmung AT

Die Bezeichnung „Altes Testament“ wurde nach 2Kor 3,14 gebildet, wo Paulus παλαιὰ διαθήκη (palaia diathēkē) als Name für die hebräische Bibel verwendet hat. Dabei griff er auf die Vorstellung vom neuen Bund aus Jer 31,11 zurück. Der Begriff „Altes Testament“ soll nach christlichem Verständnis zum Ausdruck bringen, dass die Bibel aus zwei Teilen, dem alten/ersten Testament und dem neuen/zweiten Testament besteht. Lateinisch testamentum steht dabei zur Übersetzung von hb. בְּרִית (berît) und gr. διαθήκη (diathēkē) und bedeutet „Bund, Verfügung“. Gemeint ist dabei der Bund Gottes mit der Menschheit. Im christlich-jüdischen Gespräch wurde Kritik an der Verwendung der Bezeichnung Altes Testament geübt, da „alt“ auch die Konnotation „veraltet/überholt“ haben und so der Eindruck entstehen kann, das AT habe seinen Wert nur durch das NT. Daher werden als Kompromissbegriffe oft „hebräische Bibel“ und „erstes Testament“ verwendet.

Im Judentum übliche Bezeichnungen für die (hebräische) Bibel sind vor allem Tanach oder Mikra. Tanach ist ein Akronym, das nach den Anfangskonsonanten der hebräischen Bezeichnungen für die drei Teile der Bibel תּוֹרָה נְבִיאִים וּכְתוּבִים (tôrāh, nebî’îm ûketûbîm = Weisung, Propheten und Schriften) gebildet ist. Mikra bezeichnet die geschriebene Tora (von קרא [qārā’], lesen) im Unterschied zur späteren Auslegung, der Mischna = mündliche Tora (von שׁנה [šānāh], wiederholen). Zur Bezeichnung der Tora findet sich gelegentlich auch Chumasch, das vom hebräischen Wort für „fünf“ abgeleitet ist.

Gliederung AT

Die älteste überlieferte Gliederung der hebräischen Bibel findet sich im Vorwort der griechischen Übersetzung des Buches Jesus Sirach (um 125 v. Chr.), hier sind Gesetz (Tora bedeutet eigentlich Weisung), Propheten und übrige Schriften erwähnt. Dabei zählen auch die Bücher Josua bis 2. Könige zum Teil Propheten (sog. vordere Propheten). Im christlichen Bereich wird vor allem die Gliederung der Lutherbibel verwendet: Hier werden Altes und Neues Testament parallel in Geschichtsbücher (AT: 1. Mose bis Ester; NT: Matthäus bis Apostelgeschichte), Lehrbücher (AT: Hiob bis Hoheslied; NT: Briefe) und Prophetische Bücher (AT: Jesaja bis Maleachi; NT: Offenbarung) gegliedert. Die griechische Bibel (Septuaginta) untergliedert zusätzlich den ersten Bereich in Pentateuch und Geschichtsbücher, hat also eine Vierteilung.

Umfang AT

Nach den ältesten erreichbaren Zeugnissen hat die hebräische Bibel einen Umfang von 24 Büchern gehabt (so 4.Esra 14,42ff.). Um auf diese Zahl zu kommen, gelten die Samuelis-, Königs- und Chronikbücher je als ein Buch, ebenso Esra/Nehemia und das Dodekapropheton (Zwölfprophetenbuch). Der jüdische Historiker Josephus nennt nur 22 Bücher (Contra Apionem I,8), hier wurden auch noch das Richterbuch und Rut sowie Jeremia und die Klagelieder zu einer Schrift zusammengezogen. Nach heute üblicher Zählung kommt man auf 39 einzelne Schriften.

Die griechische Bibel (Septuaginta, abgekürzt: LXX), in ihrem Gefolge die Vulgata sowie die Bibelübersetzungen verschiedener christlicher Kirchen haben bis heute einen deutlich umfangreicheren Kanon. Die Septuaginta bietet über die hebräische Bibel hinaus 15 zusätzliche Bücher, wobei aber der Umfang der griechischen Bibel in den einzelnen Handschriften und Ausgaben voneinander abweichen kann. Diese zusätzlichen Schriften werden im protestantischen Bereich als apokryph „verborgen“ bezeichnet; sie sind nicht in allen Bibelausgaben enthalten. In den Ausgaben der Lutherbibel finden sich als Apokryphen die Schriften Judit, Weisheit Salomos, Tobit, Jesus Sirach, Baruch, 1.-2. Makkabäer, Zusätze zu Ester, Zusätze zu Daniel und das Gebet Manasses. Im katholischen Sprachgebrauch gelten die meisten – nicht alle – dieser Schriften als deuterokanonisch, sie gehören demnach zum alttestamentlichen Kanon. Dies liegt daran, dass die offizielle Bibel der katholischen Kirche die Vulgata ist, die den Kanon der Septuaginta weitgehend beibehalten hat. Als apokryph benennt dagegen katholische Literatur Schriften, die im protestantischen Bereich pseudepigraph genannt werden (z. B. Henoch, 4. Esra, syrischer Baruch). Diese Bücher sind ihrerseits in manchen christlichen Kirchen Bestandteil des Kanons, beispielsweise das Buch Henoch in der Äthiopischen Kirche.

Die Frage, wie es zur Bildung eines Kanons gekommen ist, konnte bisher nicht eindeutig geklärt werden. Offen ist vor allem, ob es vorchristlich einen abweichenden hellenistisch-jüdischen Kanon in Alexandria gegeben hat, wo ja die meisten Schriften der LXX übersetzt wurden. Der hebräische Kanon festigte sich im Lauf der beiden vorchristlichen Jahrhunderte, bei einigen Schriften wurde aber noch im 1. Jh. n. Chr. diskutiert, ob sie kanonische Würde haben.

Anordnung und Reihenfolge der atl. Bücher

Die Anordnung der einzelnen Bücher der hebräischen Bibel weicht in der griechischen/christlichen Tradition an einigen Stellen beträchtlich von der der jüdischen Tradition ab. Diese unterschiedlichen Ordnungsprinzipien zeigen unterschiedliche theologische Überzeugungen:

BHS Luther
TORA GESCHICHTSBÜCHER
5 Bücher Mose 5 Bücher Mose
PROPHETEN  
Josua Josua
Richter Richter
  Rut
1.+2. Samuel 1.+2. Samuel (LXX: I-IV Reg)
1.+2. Könige 1.+2. Könige
Jesaja 1.+2. Chronik
Jeremia Esra
Ezechiel Nehemia
Dodekapropheton Ester
SCHRIFTEN LEHRBÜCHER
Psalmen Ijob
Ijob Psalmen
Proverbien Proverbien
5 Megillot ([Fest-]Rollen): Prediger
     Rut (Wochenfest) Hoheslied
     Hohelied (Passa)  
     Prediger (Laubhüttenfest) PROPHETISCHE BÜCHER
     Klagelieder (Tempelzerstörung)  
     Ester (Purim) Jesaja
Daniel Jeremia
Esra Klagelieder
Nehemia Ezechiel
1.+2. Chronik Daniel
  Dodekapropheton

Der jüdische Kanon stellt die Tora als Weisung Gottes für gelingendes Leben an den Anfang, der Teil Propheten zeigt das Wirken des Wortes Gottes in der Geschichte. Die abschließenden Schriften sammeln vor allem die Bücher, die im Gottesdienst von Bedeutung sind. Demgegenüber stellt der christliche Kanon die Propheten (nur die eigentlichen Prophetenbücher) an das Ende der Sammlung, signalisiert also, dass die Weissagungen noch der Erfüllung bedürfen. Damit weist das AT über sich hinaus auf seine Erfüllung im NT. Es ist umstritten, ob dieser offene Abschluss der Bibel bereits ohne christlichen Einfluss im (alexandrinischen) Judentum erdacht und dann später vom Christentum übernommen wurde.

Die endgültige Anordnung der einzelnen Bücher hat sich auch im jüdischen Bereich erst in christlicher Zeit gefestigt. Noch im 1. Jh. n. Chr. war umstritten, ob die Bücher Daniel, Hoheslied und Kohelet/Prediger Bestandteil der hebräischen Bibel seien; Daniel ist daher wohl aus dem Teil „Propheten“ in die „Schriften“ versetzt worden. Die jüdische Gruppe der Samaritaner hat ihrerseits stets nur die Tora akzeptiert, so evtl. auch in neutestamentlicher Zeit die Sadduzäer (vgl. Mt 22,23). Die Funde in Qumran zeigen, dass dort einige Bücher in hohem Ansehen standen, die später keine Aufnahme in den Kanon fanden. Auch im NT wird aus (für heilig gehaltenen) Schriften zitiert, die nicht einmal in den alexandrinischen Kanon Aufnahme fanden, zum Beispiel das Jubiläenbuch oder Henoch (vgl. die entsprechende Liste im Anhang des NT Graece).

Die christliche Kirche hat zunächst den in der Septuaginta gebotenen, umfangreicheren Kanon übernommen. Weil dieser auch in der Vulgata akzeptiert wurde, ist diese Entscheidung im katholischen Bereich bis heute gültig. Allerdings hat es im Altertum Unterschiede bei der Anordnungen der einzelnen Schriften gegeben. Die protestantischen Kirchen beziehen sich nur auf die Schriften, die ein hebräisches Original haben. Daher akzeptierten sie den jüdisch-hebräischen Kanon, jedoch in der Anordnung der lateinischen Übersetzung. Wie oben dargestellt, wurden die Bücher ohne hebräisch-aramäische Vorlage als Apokryphen in einen eigenen Teil zwischen Altem und Neuem Testament angeordnet. Inzwischen sind auch ältere hebräische Texte der Bücher Jesus Sirach und Tobit entdeckt worden, ohne dass dies aber zu einer Aufnahme in den Kanon geführt hätte.

Die wesentlichen Abweichungen zwischen hebräischer/jüdischer und griechischer/christlicher Reihung sind der oben verlinkten Übersicht zu entnehmen.

Text und Sprache der hebräischen Bibel

Die ältesten vollständig erhaltenen hebräischen Bibelhandschriften stammen erst aus dem Mittelalter. Daher basiert die BHS (Biblia Hebraica Stuttgartensia) wie auch die im Erscheinen begriffene BHQ (Biblia Hebraica Quinta) auf dem Text des Codex Leningradensis (Siglum L) aus dem Jahre 1008. Deutlich älter sind die Fragmente hebräischer, aramäischer und griechischer Bibeltexte, die vor allem in Qumran gefunden wurden. Sie stammen aus der Zeit zwischen ca. 200 v. und 70 n. Chr. und stimmen in vielen Fällen mit den aus dem Mittelalter erhaltenen Bibeltexten überein. Das belegt die Genauigkeit der Überlieferungsarbeit der Masoreten, mittelalterlicher jüdischer Gelehrter. Deshalb wird der masoretische Text des Codex L in vielen Fällen als zuverlässiger Zeuge angesehen, obwohl er relativ jung ist.

Doch die Qumrantexte zeigen auch eine große Zahl von Abweichungen gegenüber dem später verbindlich gewordenen Bibeltext. Diese waren teilweise schon aus älteren Übersetzungen der hebräischen Bibel bekannt, so vor allem aus der griechischen Übersetzung (Septuaginta, Siglen LXX, Ö). Griechische Codices mit dem Septuagintatext sind etwa ab dem 3./4. Jh. n. Chr. erhalten, hier ist erstmals die Zusammenbindung der einzelnen biblischen Bücher zu einem Buch (lat. biblion, daraus: Bibel) greifbar. Jüdische Bibeltexte wurden demgegenüber zumeist in Rollen auf Leder, Pergament oder Papyrus geschrieben.

Für die alttestamentliche Wissenschaft sind von besonderem Interesse für die Bezeugung des alten Bibeltextes weiterhin die Targume (Siglum å; Übersetzungen in das Aramäische), die Peschitta (Siglum ã; Übersetzung in das Syrische) und die Übersetzungen in das Lateinische (Itala, Vetus Latina, Vulgata, Siglum ç). Für den Bereich der Tora steht als zusätzlicher hebräischer Textzeuge noch der Samaritanische Pentateuch (Siglum Ä) zur Verfügung.

Die Sprache des Alten Testaments ist im Normalfall das Hebräische, das so nur in der Bibel und in von ihr abhängiger Literatur belegt ist. Einige Passagen sind jedoch auch in Aramäisch geschrieben: Gen 31,47 (2 Wörter); Jer 10,11; Esra 4,8-6,18-6,18 + 7,12-26; Dan 2,4b-7,28.

Kapitel- und Verseinteilung

Die heutige Kapiteleinteilung stammt nicht von den biblischen Autoren, sondern war im 13. Jh. eine Schöpfung des Kardinals und Erzbischofs von Canterbury, Stephen Langton. Die Verseinteilung wurde erst in den Jahren 1551-53 von dem Drucker Robert Estienne vorgenommen; die ersten Ausgaben der Lutherbibel (1522-46) hatten daher noch keine Verszählung). Diese Einteilungen wurden auch im Judentum üblich, allerdings mit einigen Differenzen in Details. Schon die in Qumran gefundenen biblischen Texte zeigen, dass es auch im antiken Judentum Abtrennungen von Kapiteln und Versen gab, die ursprünglich wohl vor allem liturgischen Zwecken dienten. Eine Standardisierung zu so früher Zeit ist jedoch nicht erkennbar. Erst in rabbinischer Zeit legte man Sinnabschnitte, Paraschen, und Leseabschnitte für die Gottesdienste, Sedarim, fest. Verse wurden durch Akzente getrennt, aber nicht durchgezählt.

Moderne Bibelausgaben

In heutigen Bibelausgaben finden sich eine ganze Reihe von Zusätzen zum eigentlichen Bibeltext, die das Verstehen erleichtern sollen. Neben Angaben der Kapitel- und Verszählung sind das vor allem die in vielen Bibelübersetzungen üblichen Zwischenüberschriften. Sie sollen den Text gliedern und die Orientierung erleichtern. Bei Psalmen geben sie Hinweise auf Thema und Gattung des Liedes. In der Lutherbibel ist es zudem üblich, sogenannte Kernstellen durch eine besondere Drucktype zu markieren. Damit wird auf Texte hingewiesen, die eine besondere Bedeutung für Theologie und Frömmigkeit haben. Sie werden bei jeder Revision der Lutherbibel überprüft und aktualisiert.

Im Laufe der Überlieferungsgeschichte des Bibeltextes sind einige seiner Elemente unverständlich geworden (z. B. Maßangaben, Riten). Zudem gibt es Fälle, in denen der hebräische Bibeltext nicht korrekt sein kann und korrigiert werden muss. In solchen Fällen werden oft Anmerkungen gesetzt, um das Verstehen zu erleichtern. Besonders intensiv wird dies bei der im Entstehen befindlichen BasisBibel genutzt, die parallel als Buch und elektronischer Text mit Hyperlinks erscheint. Weitere hilfreiche Zufügungen sind historische Karten, Übersichten zur Geschichte oder Umrechnungstabellen für antike Maßangaben.

Ein eigenes Problem stellen schließlich die biblischen Eigennamen dar, für die es sehr unterschiedliche Schreibweisen gibt. Das liegt daran, dass in manchen Fällen eher die hebräische Form rezipiert wurde, in anderen Fällen die griechische Wiedergabe (vgl. etwa „Jona“ und „Jonas“). Die meisten dieser Fälle wurden im ökumenischen Gespräch der Kirchen vereinheitlicht; sie sind in den sogenannten „Loccumer Richtlinien“ zusammengefasst. Manche Besonderheiten der Schreibweise der Lutherbibel wurden jedoch nicht geändert. Daher kommt es hier weiterhin zu Unterschieden zwischen den Bibelausgaben, etwa bei den Namen „Hiob“ (neben Ijob) oder „Hesekiel“ (neben Ezechiel).

Literatur

W. Dietrich (Hg.), Die Welt der Hebräischen Bibel. Umfeld – Inhalte – Grundthemen, 2017.

H. Liss, TANACH. Lehrbuch der jüdischen Bibel, 2005.

S. Meurer (Hg.), Die Apokryphenfrage im ökumenischen Horizont, 1993.

A. A. Fischer, Der Text des Alten Testaments, 2009.

H. Schmoldt, Lexikon der biblischen Personen und Gestalten, 2009 (mit allen Regelungen der Loccumer Richtlinien).

Digitale Bibelkunde

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Die Texte auf dieser Seite sind mit freundlicher Genehmigung übernommen aus:

Cover der Bibelkunde des Alten Testaments von Martin Rösel

Rösel, Martin: Bibelkunde des Alten Testaments. Die kanonischen und apokryphen Schriften. Mit Lernübersichten von Dirk Schwiderski, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 11., veränd. Aufl. 2021.

Die ideale Ergänzung

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