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Zemarajim

Andere Schreibweise: Zemaraim

(erstellt: November 2015)

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Zemarajim ist der Name eines Ortes und eines Berges im benjaminitisch-efraimitischen Grenzgebiet.

1. Name

Die Herkunft und Bedeutung des Namens Zemarajim (צְמָרַיִם ṣəmārajim) ist unsicher. HALAT (III, 969) verweist auf צַמֶּרֶת ṣammæræt „Wipfel (eines Baumes)“ sowie arabisch ṣumr „oberer Teil einer Sache“ (E.W. Lane, Arabic-English Lexicon, London 1863, I, 1727c) und kommt so unter der Voraussetzung, dass es sich bei der Endung um einen Dual handelt, zu der Bedeutung „Doppel-Gipfel“. Wenn es sich bei der Endung jedoch ursprünglich nicht um einen Dual, sondern um ein Ortssuffix handelt – und dafür gibt es gute Beispiele (Borée, 54-56) –, bedeutet der Name einfach „Gipfel“. In beiden Fällen lässt diese Ableitung des Namens an eine markante Anhöhe denken.

In der → Septuaginta wird der Name – in den Handschriften durchaus unterschiedlich – mit Σεμριμ Semrim und Σομορων Somorōn sowie auffälligerweise auch mit Σαρα Sara wiedergegeben, bei → Josephus mit Σαμαρῶν Samarōn und in → Eusebs Onomastikon (Eusebs Onomastikon) mit Σεμρεíμ Semreim (158,5). Die Vulgata schreibt Semaraim und Someron.

2. Biblische und außerbiblische Quellen

KulturkontakteAegypten 2

Den ältesten Beleg bietet eine Ortsliste im Tempel von Karnak, in der Pharao → Scheschonq (Ende 10. Jh.) Städte auflistet, deren Eroberung er sich rühmt (HTAT Nr. 102). Nr. 57 dieser Liste bietet ḏmrm, was Zemarajim entsprechen mag und oft mit ihm identifiziert wird (z.B. Wilson, 116). Für die Lokalisierung von Zemarajim hilft die Liste allerdings nicht weiter, da weder die Identifizierung der nebenstehend erwähnten Orte ’dm (56) und mgdr (= Migdal; 58) sicher ist, noch klar ist, inwiefern die Liste einer geographischen Anordnung folgt (dazu Schipper, 127; Wilson, 60-65.97).

Im Alten Testament ist der Name nur an zwei Stellen belegt. In Jos 18,22 findet sich Zemarajim in einer Liste der Städte Benjamins zwischen Bet-Araba und → Bethel. 2Chr 13,1-23 bietet aus judäischer Perspektive die fiktive Erzählung von einer Schlacht zwischen → Abija, dem König von Juda (909-907 v. Chr.), und Jerobeam I., dem König von Israel (926-906 v. Chr.). Vor dieser Schlacht „stellte sich Abija oben auf den Berg Zemarajim, der im Gebirge Ephraim liegt“ (2Chr 13,4). Von dort aus hält er den verfeindeten Truppen eine Rede, die den Israeliten ihre Sünde, vor allem ihren Stierbildkult, vorhält und ihnen damit klar machen soll, dass Jahwe nicht auf ihrer, sondern auf seiner Seite steht, sie also keine Chance gegen ihn haben (2Chr 13,4-12). Diese Rede ist ganz von der Theologie des → Chronisten geprägt. Abschließend wird berichtet, dass Jahwe Abija zum Sieg über Israel verholfen hat (2Chr 13,13-20).

3. Identifizierung und Lage

Zemarajim 02

Bei der Lokalisierung von Zemarajim wird man über vorsichtige Vermutungen nicht hinauskommen. Geht man angesichts der Namensgleichheit davon aus, dass Ort und Berg beieinander gelegen haben – was jedoch nicht zwingend ist (vgl. Koch 28f) –, sind sie angesichts der Zuordnung zu Benjamin in Jos 18,22 und der zu Ephraim in 2Chr 13,4 im Grenzgebiet dieser beiden Stämme zu suchen. Genauer müssten sie, wenn Jos 18,21-22 konsequent geographisch angeordnet ist, zwischen → Jericho im Jordantal und → Bethel im Bergland, den beiden am besten zu lokalisierenden Orten der Aufzählung, gelegen haben. Konkret stehen folgende Vorschläge zur Diskussion:

3.1. Chirbet es-Sumrā. Da die in Jos 18,21-22 vor Zemarajim genannten Orte vermutlich im Jordangraben gelegen haben, wurde Zemarajim in der älteren Literatur (z.B. Conder / Kitchener, III, 174) auch dort lokalisiert. Wegen der Namensähnlichkeit dachte man an Chirbet es-Sumrā („braune Ruine“), zwei nahe beieinander liegende Ruinenhügel 6km nordöstlich von Jericho (Koordinaten: 1960.1470; N 31° 54' 59'', E 35° 29' 09). Die These kann jedoch nicht überzeugen, da die Namen etymologisch nicht verwandt sind (hebräisch Ṣade entspricht im Arabischen Ṣad, nicht Sin).

3.2. Rās ez-Zēmara. Abel (454) hat den Berg Zemarajim mit dem Rās ez-Zēmara („Hügel des Pfeifers“) identifiziert, der 1km südsüdwestlich von eṭ-Ṭajjibe (Koordinaten: 1784.1513; N 31° 57' 13'', E 35° 18' 00''; 863 m ü.M.; → Ofra) unmittelbar westlich der Straße nach Rammūn (→ Rimmon) liegt (Koordinaten: 1782.1503; N 31° 56' 45'', E 35° 17' 46''). Er hat sich dabei auf die Namensähnlichkeit berufen (was etymologisch durchaus nicht ausgeschlossen ist, vgl. die Diskussion bei Kampffmeyer, 74-79) und darauf, dass der Hügel mit seiner Doppelhöhe dem Dual des hebräischen Ortsnamens entspricht. Gegen diese Identifizierung ist einzuwenden, dass der vermeintliche Dual bei Ortsnamen oft nicht als solcher zu verstehen ist und das Gebiet für ein Schlachtfeld zu weit abseits liegt. Für den Chronisten lag es doch näher, die Kämpfe auf dem zentralen Höhenzug zu lokalisieren. Zudem muss der Berg bei dieser Lokalisierung von dem Ort Zemarajim getrennt werden, da es in der Umgebung des Berges keine eisenzeitliche Ortslage gibt (vgl. Koch, 19-26; Fritz, 185).

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3.3. Rās eṭ-Ṭāhūne. Im Nordwesten von el-Bīre erhebt sich westlich der Straße nach Nablus der markante Hügel Rās eṭ-Ṭāhūne („Hügel der Mühle“; Koordinaten: 17015.14620; N 31° 54' 31'', E 35° 12' 43.5''; 890 ü.M.; → Chirbet Raddana). Auf ihm steht heute zwischen hohen Bäumen eine 1926 erbaute, zweistöckige Villa, von deren Dach man wie einst von dem kahlen Hügel einen weiten Blick in alle Himmelsrichtungen hat. Dies gibt dem Ort seine strategische Bedeutung. Bei Surveys wurde auf der runden Kuppe von ca. 100m Durchmesser vor allem Keramik der → Eisenzeit II gefunden (69%), jedoch auch einige Scherben der Frühbronzezeit, der Mittelbronzezeit, der → Eisenzeit I (10%) sowie der hellenistischen, römischen, byzantinischen und frühislamischen Zeit (Finkelstein / Magen, Nr. 73; Finkelstein / Lederman / Bunimovitz, 512; The Archaeological Survey of Israel; The West Bank and East Jerusalem Searchable Map).

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Bei Rās eṭ-Ṭāhūne handelt es sich kaum um → Beerot, sondern nach einem Vorschlag von → Gustaf Dalman (360f) am ehesten um Zemarajim (vgl. Finkelstein, 43). Für diese These sprechen folgende Beobachtungen: 1) Wenn Zemarajim „Gipfel“ bedeutet, lässt der Name eine markante Anhöhe erwarten, wie Rās eṭ-Ṭāhūne sie bietet. 2) Dass sich Zemarajim sowohl auf einen Ort als auch auf einen Berg bezieht, ist bei Rās eṭ-Ṭāhūne gut denkbar. 3) In der Liste Jos 18,21-27 steht Zemarajim unmittelbar vor Bethel, das sich demnach in der Nähe befindet und in der Tat nur 3,2km nordöstlich von Rās eṭ-Ṭāhūne liegt. 4) Nach 2Chr 13,4-12 lag Zemarajim im Grenzgebiet von Nord- und Süd-Reich, und zwar am ehesten im Bergland, genauer im Bereich der Nord-Süd-Höhenstraße, da militärische Zusammenstöße am ehesten dort geschehen und damit auch in einer fiktiven Erzählung dort am plausibelsten gewesen sein dürften. Tatsächlich befindet sich Rās eṭ-Ṭāhūne in dem Grenzgebiet neben der genannten Straße. 5) Der Erzähler schreibt Abija eine Rede an die feindliche Truppe zu, und es erscheint passend, wenn diese Szene an einer markanten Anhöhe spielt, wie Rās eṭ-Ṭāhūne sie bietet. Es spricht also einiges für die Identifizierung von Zemarajim mit Rās eṭ-Ṭāhūne, auch wenn sich diese nicht sicher zeigen lässt und eine Vermutung bleibt (vgl. Noth, 111).

4. Zur Rezeption

Die frühjüdischen Prophetenlegenden Vitae prophetarum sehen in Zemarajim (Σαμαρείμ Samareim) die Heimat des Propheten Iddo, der nach 2Chr 13,22 das Wirken von König Abija beschrieben hat.

Der Kleriker Bernhard von Breydenbach (ca. 1440-1497) identifiziert den Berg Zemarajim („Semeron“) in seiner Beschreibung des Heiligen Landes, die zwischen 1484 und 1486 entstanden ist, mit dem Berg Samaria, auf dem die gleichnamige Hauptstadt Israels gelegen hat (→ Samaria). Der Berg habe der Stadt und der Landschaft seinen Namen verliehen (Peregrinatio in terram sanctam. Frühneuhochdeutscher Text und Übersetzung, hg. v. I. Mozer, Berlin 2010, 282f).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992 (Zemaraim)
  • The New Interpreter’s Dictionary of the Bible, Nashville 2009 (Zemaraim)

2. Weitere Literatur

  • Abel, F.-M., Géographie de la Palestine, Bd. II, Paris 1938
  • Borée, W., Die alten Ortsnamen Palästinas, 2. Aufl., Leipzig 1930, Nachdruck Hildesheim 1968
  • Conder, C.R. / Kitchener, H.H., The Survey of Western Palestine, Memoirs I-III, London 1881-1883
  • Cross, F.M. / Wright, G.E., The Boundary and Province Lists of the Kingdom of Judah, JBL 75 (1956), 202-226
  • Dalman, G., Einige geschichtliche Stätten im Norden Jerusalems, JBL 48 (1929), 354-361
  • Fritz, V., Das Buch Josua (HAT I/7), Tübingen 1994
  • Finkelstein, I., The Forgotten Kingdom. The Archaeology and History of Northern Israel (Ancient Near East Monographs 5), Atlanta 2013
  • Finkelstein, I. / Lederman, Z. / Bunimovitz, S., Highlands of Many Cultures. The Southern Samaria Survey: The Sites (Monograph Series of the Institute of Archaeology, Tel Aviv University 14), Tel Aviv 1993, 512f
  • Finkelstein, I. / Magen, Y. (Hgg.), Archaeological Survey of the Hill Country of Benjamin, Jerusalem 1993, Nr. 73
  • Kallai, Z., Historical Geography of the Bible. The Tribal Territories of Israel, Jerusalem / Leiden 1986, 401f
  • Kampffmeyer, G., Alte Namen im heutigen Palästina und Syrien, ZDPV 15 (1892), 65-116
  • Koch, K., Zur Lage von Ṣemarajim, ZDPV 78 (1962), 19-29
  • Noth, M., Das Buch Josua (HAT I/7), Tübingen 2. Aufl. 1953
  • Schipper, B.U., Israel und Ägypten in der Königszeit. Die kulturellen Kontakte von Salomo bis zum Fall Jerusalems (OBO 170), Freiburg (Schweiz) / Göttingen 1999
  • Schwemer, A.M., Studien zu den frühjüdischen Prophetenlegenden Vitae prophetarum, Bd. 2: Die Viten der kleinen Propheten und der Propheten aus den Geschichtsbüchern (Texte und Studien zum antiken Judentum 50), Tübingen 1996, 214-216
  • Welten, P., Geschichte und Geschichtsdarstellung in den Chronikbüchern (WMANT 42), Neukirchen-Vluyn 1973, 117f
  • Wilson, K.A., The Campaign of Pharaoh Shoshenq I into Palestine (Forschungen zum Alten Testament II/9), Tübingen 2005

Abbildungsverzeichnis

  • Das Bubastidenportal im Tempel von Karnak listet Orte, die Scheschonq auf seinem Palästinafeldzug erobert hat. © public domain (Foto: Klaus Koenen, 2005)
  • Karte zur Umgebung von Rās eṭ-Ṭāhūne. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart (erstellt auf Basis der Zeichnung von G. Dalman, Die Nordstraße Jerusalems, PJB 21 [1925], 58-89, 65)
  • Rās eṭ-Ṭāhūne liegt 90m höher als el-Bīre und bietet einen markanten Landschaftspunkt. Aus: G. Dalman, Hundert deutsche Fliegerbilder aus Palästina, Gütersloh 1925, Nr. 25 (Beschriftung Klaus Koenen)
  • Blick von Rās eṭ-Ṭāhūne auf die umliegende Ebene. © public domain (Foto: Klaus Koenen, 2001)

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