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(erstellt: Juni 2007)

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1. Körperteil des Menschen

1.1. Begrifflichkeit

Die Bedeutung des hebräischen Wortes זְרוֹעַ zərôa‘ deckt sich weitgehend mit der Bedeutung des deutschen Wortes „Arm“. Dabei ist Arm im Hebräischen von jād → „Hand“ zu unterscheiden, da es für „Hand“ eigene Wörter gibt (anders als in anderen semitischen Sprachen bzw. Sprachstufen und anders als bei → Fuß / Bein im Hebräischen). Während bei der Hand zwischen jād „Hand“ und jāmîn „rechte Hand“ unterschieden werden kann, hat das Hebräische für den rechten bzw. linken Arm kein eigenes Lexem.

1.2. Körperaspekt

Mit dem Körperteil Arm werden mannigfache Bewegungen ausgeführt. Ps 18,35 beschreibt das Bogenschießen, Jes 17,5 verweist auf den Schnitter, der die Halme fasst und mit seinem Arm die Ähren schneidet; in Jes 44,12 ist die Arbeit des Schmieds beschrieben, der ein Messer in der Glut macht und es mit Hammerschlägen formt und daran mit der ganzen Kraft seines Arms arbeitet. Diese Tätigkeiten, die mit dem Arm verbunden sind, führen zur Anschauung, dass der Arm Ort der Kraft ist (vgl. Hi 26,2). Am Arm kann Schmuck getragen werden, wie etwa 2Sam 1,10; Hhld 8,6 zeigen. Man kann fragen, ob dieses Tragen von Schmuck nicht nur soziale (Hoheitszeichen von Männern; Zeichen für sozialen Status) und ästhetische Funktionen sowie Amulettfunktionen (jeweils bei beiden Geschlechtern) hat, sondern auch die Kraft des Arms unterstützen soll. Hi 31,22 „ … so falle meine Schulter vom Nacken und mein Arm breche aus dem Gelenk“ deutet anatomisches Grundwissen über den Arm an, der im Schultergelenk verankert ist.

1.3. Gestische Bedeutungen

Wie bei anderen Körperteilen werden auch beim Arm gestische Bedeutungen in Sprache wiedergegeben.

Arm 2

● Machtgeste. Der ausgestreckte Arm ist ein Zeichen von Mächtigkeit. Als „Machtzeichen“ des Pharao kommt dieses Motiv vor allem auf ägyptischen oder von Ägypten beeinflussten Darstellungen vor. Ez 30,21 setzt diesen Motivzusammenhang voraus, stellt Jahwes Macht über die des Pharao und führt diese Aussage bildlich aus, indem der Arm des Pharao von Jahwe zerbrochen wird: „Du Menschenkind, ich habe den Arm des Pharao, des Königs von Ägypten, zerbrochen, und siehe, er ist nicht verbunden worden, dass er wieder heilen könnte, auch nicht mit Binden umwickelt, dass er wieder stark würde …“.

Im Alten Testament ist der machtvolle Arm Gottes ein häufig gebrauchtes Motiv (s.u.), während der starke Arm von Königen – außer in Zusammenhängen wie Ez 30,21 – nicht vorkommt. „Zu gewissen Zeiten wurde dieses Motiv auch in Palästina gerne in Amulette eingeritzt, die den Träger oder die Trägerin der schlagenden Kraft göttlicher Macht versicherten. Nur so – aber nie als Symbol menschlicher Stärke – fand dieses Motiv auch Eingang in die Bibel.“ (Schroer / Staubli, 2005, 137).

● Schutzgeste. Jemand / etwas „in die Arme zu nehmen“ ist eine Geste des Schutzes, der Geborgenheit, der Intimität. Nach Jes 40,11 sammelt der Hirte die Lämmer in seinen Arm, um sie zu schützen; in 1Kön 1,2 liegt eine Frau in den Armen eines Mannes: „Da sprachen seine Großen zu ihm: Man suche unserm Herrn, dem König, eine Jungfrau, die vor dem König stehe und ihn umsorge und in seinen Armen schlafe und unsern Herrn, den König, wärme.“

● Gebetsgeste. Zum erhobenen Arm, vor allem dem erhobenen Unterarm, als Gebetsgeste vgl. → Hand 1.1.

2. Funktionale und übertragene Bedeutungen

Aus dem Bedeutungsfeld der Macht und Machtausübung, die mit dem Arm verbunden ist, entwickeln sich mehrere Wendungen und Ausdrücke, die stark auf die funktionale Bedeutung bezogen sind:

Ein „Mann des Arms“ ist ein mächtiger Mann, kurz: ein Mächtiger, wie Hi 22,8 zeigt: „Dem Mächtigen (’îš zərôa‘ „Mann des Arms“) gehört das Land, und sein Günstling darf darin wohnen.“

Jer 17,5 ist ohne Grundkenntnisse alttestamentlicher Anthropologie kaum zu verstehen: „So spricht Jahwe: Verflucht ist der Mann, der sich auf Menschen verlässt und Fleisch für seinen Arm hält (d.h. der Fleisch für machtvoll hält) und weicht mit seinem Herzen ab von Jahwe.“ Mit „Fleisch“ (bāśār) wird im Hebräischen der Mensch unter dem Aspekt seiner Vergänglichkeit bezeichnet; alle Lebewesen haben „Fleisch“, nur auf Gott wird dieser Begriff nie angewandt, da Gott nicht vergänglich ist. Mit Arm ist die Macht gemeint, die mit dem Arm ausgeübt werden kann. In Jer 17,5 wird also derjenige verflucht, der sich auf den vergänglichen Menschen verlässt und die vergängliche menschliche Macht und Kraft über die unvergängliche Gottes stellt. Frei übersetzt müsste man die Wendung so wiedergeben: „Verflucht ist der Mann, der sich auf Menschen verlässt und sich selbst für stark hält, der nur auf sich selbst vertraut und mit seinem Herzen (= seiner Denkfähigkeit, vgl. → Herz) von Jahwe abweicht.“

In Jer 48,25 könnte man „Arm“ am besten mit Macht / Kampfkraft wiedergeben (ähnlich Ps 83,6 „Arm“ Assurs). Das Bild vom Arm ist hier nicht konkret aufzufassen, weil ein Volk natürlich in strikt körperlichem Sinne keinen Arm haben kann. Die funktionale Bedeutung ist aber ohne Weiteres verständlich.

3. Arm / Arme Gottes

Sowohl von den gestischen wie auch von den funktionalen Bedeutungen her erschließen sich die Belege, in denen vom Arm bzw. den Armen Gottes die Rede ist: mit den Wendungen, die auf den Arm Gottes rekurrieren, wird die Macht und die Schutzleistung Gottes zum Ausdruck gebracht. Aussagen über den Arm Jahwes / Gottes zeigen, was Gott an den Menschen und der Welt getan hat und tut; sie gehören mit den Aussagen über → Hand / Hände und Fuß / Füße Gottes zu einem theologischen Sprach- und Bildkonzept über Gott, das die Erfahrungen des Handelns Gottes in der Welt auf dem Vorstellungshintergrund alttestamentlich-altorientalischer Körperaussagen und alttestamentlich anthropomorpher Redeweise kommunizierbar macht.

Die größte Bedeutung nimmt der Arm Jahwes im Kontext der Bewahrungs- und Schutzleistung für sein Volk Israel ein. Die Wendung „mit starker / mächtiger Hand und ausgestrecktem Arm“ findet sich im Deuteronomium (Dtn 4,34; Dtn 5,15; Dtn 7,19; Dtn 11,2; Dtn 26,8) und davon beeinflussten Texten (Jer 32,21; Ps 136,12) und bezieht sich immer auf die Herausführung aus Ägypten: „Und [Du, Jahwe] hast dein Volk Israel aus Ägypten geführt durch Zeichen und Wunder, mit mächtiger Hand, mit ausgerecktem Arm und mit großem Schrecken.“ (Jer 32,21).

Den Arm zum Kampf erhebt Jahwe auch, um die → Chaosmächte einzudämmen und zu besiegen: „Du hast zerschlagen → Rahab [einen der Chaosdrachen] wie einen Getöteten mit deinem starken Arm.“ (Ps 89,11). Der Arm Gottes kann dabei parallel mit Formulierungen zur Hand Gottes stehen: „Du hast einen gewaltigen Arm, stark ist deine Hand, und hoch / erhaben ist deine Rechte.“ (Ps 89,14; vgl. Jes 51,9). Der Kampf gegen die Chaosmächte ist nach außeralttestamentlichen Vorstellungen mit Welt- und Menschenschöpfung verbunden (→ Schöpfung). Dieser Bezug ist auch im Alten Testament präsent. Im Alten Testament kann der Chaoskampf auf die einmalige Schöpfungstat Gottes (Creatio) bezogen oder als anhaltender Kampf gegen das immer bedrohlich bleibende Chaos (Gubernatio) verstanden werden. Der Kampf gegen die Chaosmächte ist damit Teil des fürsorgenden Handelns Gottes; Gott schaffte dadurch sowohl die Welt wie auch Ordnung in der Welt, wodurch der Mensch und alle Lebewesen erst leben können, und Gott erhält diese Lebensmöglichkeit. Das Schöpfungswerk Gottes wird zuweilen auch unter Absehung der Chaoskampfthematik als Werk seines Arms verstanden: „Du hast Himmel und Erde gemacht durch deine große Kraft und durch deinen ausgereckten Arm.“ (Jer 32,17).

Die „Kampfleistungen“ zeigen, dass es ein „großer / mächtiger Arm“ ist, den Jahwe besitzt (Ex 15,16; Ps 79,11; Ps 89,11.14). Mit der „Kampfgeste“ wird Jahwe als Krieger gezeichnet (vgl. bes. Ex 15) – eine Vorstellung, die wohl in frühe Bereiche der Jahweverehrung zurückreichen kann, aber bis in späte Zeit lebendig bleibt.

Der Arm Jahwes, der Gottes Handlungsmöglichkeiten für den Menschen anschaulich vor Augen führt, ist ebenso notwendig, um Recht zu verschaffen (Jes 51,5).

Bei individuellen Hilfeanliegen etwa der Beter in den Psalmen spielt der Arm Jahwes keine Rolle. Mit wenigen Ausnahmen (Beistand für David Ps 89,22) sind mit dem Arm Jahwes vor allem kollektive Hilfeleistungen verbunden.

Die Entblößung des Armes – das „Innere“ ist aufgedeckt – macht ihn, vor allem für fremde Völker, deutlicher sichtbar und begreifbar (Jes 52,10). In Jes 51,9 wird der Arm wie eine Person angesprochen: „Wach auf, wach auf, zieh Macht an, du Arm Jahwes!“ In Jes 63,12 heißt es, dass Jahwe seinen herrlichen Arm zur Rechten des Mose gehen lies. Erscheint hier der Arm als eine Art Hypostase Jahwes?

Es werden nur wenige weitere Gesten / Funktionen der Arme Jahwes thematisiert: Wie der Hirte die Lämmer (s.o.) sammelt Gott die Menschen in seinen Arm (Jes 40,11). Schwer zu deuten ist Dtn 33,27: „Eine Wohnung (ist) der Gott der Urzeit, und unter [dir?] (sind) ewige Arme. Und er vertreibt vor dir (den) Feind und spricht: Vernichte!“

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Stuttgart 1933-1979 (brachiōn)
  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, 2. Aufl., Stuttgart u.a. 1992
  • Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, 5. Aufl., München / Zürich 1994-1995
  • New International Dictionary of Old Testament Theology and Exegesis, Grand Rapids 1997
  • Dictionary of Deities and Demons in the Bible, 2. Aufl., Leiden 1999

2. Weitere Literatur

  • Dhorme, E., L' emploi métaphorique des noms de parties du corps en hébreu et en akkadien, Paris 1923 [Nachdr. 1963].
  • Frederiksson, H., Jahwe als Krieger. Studien zum alttestamentlichen Gottesbild, Lund 1945.
  • Ginsberg, H. L., The Arm of YHWH in Isaiah 51-63 and the Text of Isa 53,10-11, JBL 77 (1958), 152-156.
  • Hoffmeier, J.K., The Arm of God versus the Arm of Pharaoh in the Exodus Narratives, Bib. 67 (1986), 378-387.
  • Janowski, B., Konfliktgespräche mit Gott. Eine Anthropologie der Psalmen, Neukirchen-Vluyn 2. Aufl. 2006 (1. Aufl. 2003).
  • Keel, O., Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament. Am Beispiel der Psalmen. Göttingen 5. Aufl. 1996.
  • Keel, O., Wirkmächtige Siegeszeichen im Alten Testament (OBO 5), Freiburg (Schweiz) / Göttingen 1974.
  • Keel, O. / Uehlinger, C., Göttinnen, Götter und Gottessymbole (QD 134), Freiburg i.Br. 5. Aufl. 2001.
  • Kreuzer, S., Die Mächtigkeitsformel im Deuteronomium. Gestaltung, Vorgeschichte und Entwicklung, ZAW 109 (1997), 188-207.
  • Kreuzer, S., Die Verwendung der Mächtigkeitsformel außerhalb des Deuteronomiums. Literarische und theologische Linien zu Jer, Ez, dtrG und P, ZAW 109 (1997), 369-384.
  • Ohler, A., Mythologische Elemente im Alten Testament, Düsseldorf 1969.
  • Pfeifer, G., Ursprung und Wesen der Hypostasenvorstellung im Judentum (AzTh I, 1), Stuttgart 1967.
  • Schroer, S. / Staubli, T., Die Körpersymbolik der Bibel, Darmstadt 2. Aufl. 2005 (1. Aufl. 1998).
  • Steinberg, J., Der Mensch in der Bildersprache des Alten Testamentes – ein Beitrag zur Bedeutungs- und Stilgeschichte des Alten Testamentes, Bonn 1935.
  • Wagner, A., Das synthetische Bedeutungsspektrum hebräischer Körperteilbezeichnungen, BZ 51 (2007), 257-265.
  • Wolff, H.W., Anthropologie des Alten Testaments, Gütersloh 7. Aufl. 2002.

Abbildungsverzeichnis

  • Metallene Armreifen (neuassyrisches Relief). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
  • Der Reichsgott Amun (rechts) präsentiert dem Pharao (links) das Siegesschwert, der Pharao erschlägt einen Gefangenen, wohl vor dem Gott, der ihm den Sieg verliehen hat (Skarabäus; Bet-Schean; 13. Jh.). Aus: O. Keel / Chr. Uehlinger, Götter, Göttinnen und Gottessymbole (QD 134), Freiburg 5. Aufl. 2001, Abb. 114a; © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz

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