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Vegetarismus

(erstellt: Dezember 2007)

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Unter Vegetarismus versteht man den bewussten Verzicht auf den Verzehr von Tieren, also von Fleisch und Fisch.

1. Allgemeiner Befund

Einen breiten Strom des Vegetarismus kennt das Alte Testament nicht. Vielmehr gehen sowohl die legislativen als auch die narrativen und poetischen Texte in ihrer Gesamtheit davon aus, dass Menschen Tiere töten und Fleisch essen. So berichten die Erzählungen aus der Wüstenzeit ganz selbstverständlich vom Verlangen des Volkes nach Fleisch (Ex 16,3.8.12; Num 11,4.13.18; wenn auch in der zuletzt genannten Erzählung mit leicht negativem Beigeschmack).

Lediglich der Verzehr von bestimmten Tierarten, die als unrein gelten, wird von den Reinheitsgesetzen (Lev 11,1ff; Dtn 14,1-21) verboten (→ Reinheit). In diesem Zusammenhang ist auch der „Vegetarismus“ Daniels in Dan 1,8-17 zu verstehen. Die Erzählung berichtet davon, dass Daniel am Hof Nebukadnezars nicht von der Speise des Königs essen wollte, sondern Gemüse erbat. Diese Form des „Vegetarismus“ wird man als Vorsichtsmaßnahme verstehen müssen, weil er nicht sicher sein konnte, ob das Fleisch, das ihm zur Speise angeboten wurde, von reinen Tieren stammt (vgl. 2Makk 5,27). Diese Form des „Vegetarismus“ wird auch im Neuen Testament vorausgesetzt (Röm 14).

2. Urzeitlicher Vegetarismus?

Nach Gen 1,29-30 bestimmte Gott den Menschen und den Tieren pflanzliche Nahrung zur Speise: „Siehe, hiermit gebe ich euch alle Pflanzen auf der ganzen Erde, die Samen aussäen, und alle Bäume, an denen Samen säende Baumfrüchte sind: Euch wird es Speise sein; und allem Wild der Erde, allen Flugtieren des Himmels und allem, was sich auf Erden windet, in dem Leben ist, gebe ich (lies נתתי statt את) das Grün der Pflanzen.“ Diese Bestimmung wird erst durch die Erlaubnis der Tiertötung und Tiernahrung nach der Sintflut in Gen 9,3 aufgehoben bzw. erweitert: „Alles, was sich regt, in dem Leben ist, soll euch zur Speise dienen. Wie das Grün des Krautes gebe ich euch das alles.“

Gen 1,29-30 halten einen gleichsam paradiesischen Urzustand fest, in dem das Verhältnis zwischen Menschen und Tieren noch nicht gestört war. Ebenso wie den Umstand, dass Menschen keine Tiere töten und deren Fleisch essen sollen, ist für den alttestamentlichen Menschen der Umstand beachtenswert, dass ihm ursprünglich auch von Seiten der Tiere (insbes. der Raubtiere) keine Gefahr drohte, weil auch diese Pflanzenfresser waren. Eine Sachparallele hat diese Vorstellung in Jes 1,6-8: Der Löwe frisst Stroh.

Daran, dass die Konzession von Fleischnahrung, also die Aufhebung des paradiesischen Zustands, erst nach der Sintflut, also zu Zeiten der gestörten Schöpfung, erfolgt, kann man entnehmen, dass der Verfasser der Priesterschrift sie als Zeichen der gestörten Schöpfung begreift. Man wird hierbei außerdem bedenken müssen, dass Tiertötung und Tiernahrung häufig im Zusammenhang von Opfern vorkamen, die im Paradies, zu Zeiten der intakten Beziehung von Gott und Mensch, noch nicht nötig waren, in einer sündigen Welt jedoch schon.

Literaturverzeichnis

  • Eberhart, C., 2002, Studien zur Bedeutung der Opfer im Alten Testament. Die Signifikanz von Blut- und Verbrennungsriten im kultischen Rahmen (WMANT 94), Neukirchen-Vluyn, 203-211
  • Groß, H., 1956, Die Idee des ewigen und allgemeinen Weltfriedens im Alten Orient und im Alten Testament, Trier
  • Grünwaldt, K., 1989, Wozu wir essen, BN 49, 25-38
  • Janowski, B. / Neumann-Gorsolke, U. / Gleßmer, U. (Hgg.), 1993, Gefährten und Feinde des Menschen. Das Tier in der Lebenswelt des alten Israel, Neukirchen-Vluyn
  • Janowski, B., 1999, Die rettende Gerechtigkeit, in: ders., Beiträge zur Theologie des Alten Testaments 2, Neukirchen-Vluyn, 1-77
  • Linnemann, M / Schorcht, C. (Hgg.), 2001, Vegetarismus. Zur Geschichte und Zukunft einer Lebensweise, Erlangen
  • Nihan, C., 2007, From Priestly Torah to Pentateuch (FAT 2/25), Tübingen, 234-237
  • Seebass, H., 1996, Genesis I. Urgeschichte, Neukirchen-Vluyn

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