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Unwetter (AT)

(erstellt: Oktober 2007)

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1. Der Alte Orient

Unwetter wird generell als göttlich gewirkt angesehen und begegnet in erster Linie als Motiv, das mit dem → Wettergott in seinen unterschiedlichen Gestalten in Verbindung steht. Dem → Atra(m)-Chasis-Mythos (Tafel III, ii, Z. 48ff.; TUAT III, 612-645) zufolge ist für die Vernichtung der Menschheit auf Geheiß Enlils der Wettergott → Adad zuständig, der in den Wolken brüllt (šagāmu) und dadurch das alles zerstörende Unwetter, die Sintflut (abūbu) auslöst. Das Brüllen Adads evoziert dabei die unterschiedlichen Phänomene des Unwetters wie Gewitter, Starkregen und Sturm. Dieselben Phänomene finden sich auch in Verbindung mit dem Wettergott in Omina und Flüchen. Gleichzeitig belegt Atra(m) Chasis (Tafel II, i, Z. 9ff.) auch die Verbindung Adads mit dem Motiv der Dürre, die durch das Zurückhalten des Regens ausgelöst wird. Auch dieses Motiv hat zahlreiche Entsprechungen in Omina und Flüchen und bildet gewissermaßen die Kehrseite der durch den Wettergott entfesselten Elemente. Beide Aspekte sind über den gesamten Alten Orient verbreitet und haben auch die alttestamentlichen Vorstellungen beeinflusst.

2. Das Alte Testament

Die alttestamentliche Fluterzählung in Gen 7 thematisiert das Unwetter nicht in der gleichen pointierten Weise wie der Atra(m) Chasis-Mythos. Einerseits übernimmt JHWH die Rolle des Urhebers der Flut, die im Atra(m) Chasis-Mythos Enlil inne hatte, andererseits ruft er aber die Flut nicht durch sein Gebrüll im Sinne der Wettergottvorstellung hervor. Zusätzlich übernimmt JHWH auch die Rolle des Gottes Ea, insofern er als Retter fungiert. Die Darstellung JHWHs in der Flutgeschichte kommt also ohne eine Assoziation zum altorientalischen Wettergott aus.

Anders ist dies bei der sogenannten Theophaniemotivik. Dieser ursprünglich mit dem altorientalischen Wettergott eng verbundene Vorstellungskomplex wird im Alten Testament im Rahmen von → Unheilsschilderungen nicht selten mit JHWH in Verbindung gebracht. Die göttliche Anwesenheit oder Gottes Ausgang aus dem heimatlichen (Berg-)Land wird dabei mit Motiven des Unwetters, Feuers oder Erdbebens versehen, so z.B. in Ri 5,4:

„JHWH, als du von Seïr auszogst, als du aus dem Gebiet Edoms heranschrittest, da erbebte die Erde, da ergossen sich die Himmel, auch die Wolken ergossen Wasser.“

Entsprechend wird die Anwesenheit JHWHs auch in den Kategorien des „Sturmes“ (sûfāh Nah 1,3; Ps 83,16; Ps 127,25; rûach: 1Kön 19:11), des „Wettersturmes“ (sə‛ārāh Ps 107,25; Ps 148,8; Hi 38,1; Hi 40,6), des Hagels (bārād Ps 18,13f.; Ps 148,8; vgl. Ex 9,18f.) oder des die Umwelt in Mitleidenschaft ziehenden „Gebrülls“ (š’g Jer 25,30; Am 1,2; Hi 37,4; häufig parallel zu ntn qôl „die Stimme erheben / brüllen“) beschrieben. Wie das akkadische šagāmu wird im Übrigen das hebräische Verbum š’g für das Gebrüll des Löwen verwendet (z.B. Jer 2,15; Am 3,4.8). Diese Bildhaftigkeit und Mehrdeutigkeit der gewählten Ausdrücke unterstreicht den bedrohlichen Charakter der Unwetterschilderung. Auch die Meerwundererzählung in Ex 14,20f. kombiniert mit der „Wolkensäule“ und dem „Ostwind“ (rûach qādîm) mögliche Motive des Unwetters, die hier zuungunsten der Ägypter wirken.

Unwetterterminologie im Sinne der göttlichen Verweigerung begegnet schließlich auch – entsprechend den altorientalischen Vorgaben – in Fluchkontexten (Lev 26,20f.: Trockenheit als Verweigerung der Gabe des Regens; vgl. Dtn 28,23f.38ff.) und in prophetischen Gerichtsankündigungen (Jes 5,6; Jer 14,1f.; Hos 4,3; Am 4,7: Trockenheit auf Befehl / aufgrund des Rückzugs JHWHs; vgl. 1Kön 17,1; 1Kön 18,44f.). Hier werden sicher auch die klimatischen Verhältnisse des eisenzeitlichen Israels im Hintergrund stehen, wo es tendenziell eher einen Mangel an Regen gab. Punktuell werden jedoch auch Unwetterphänomene wie Hagel, Wasser, Sturm usw. im Rahmen von Gerichtsansagen verwendet (Jes 28,17; Ez 13,11.13; Ez 38,22).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
  • Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, 5. Aufl., München / Zürich 1994-1995
  • Dictionary of Deities and Demons in the Bible, 2. Aufl., Leiden 1999

2. Weitere Literatur

  • Grätz, S., 1998, Der strafende Wettergott. Erwägungen zur Traditionsgeschichte des Adad-Fluchs im Alten Orient und im Alten Testament (BBB 114), Bodenheim
  • Jeremias, J., 1965, Theophanie. Die Geschichte einer alttestamentlichen Gattung (WMANT 10), Neukirchen-Vluyn
  • Korpel, M.C.A., 1990, A Rift in the Clouds. Ugaritic and Hebrew Descriptions of the Divine (UBL 8), Münster
  • Rüterswörden, U., 1993, Dominium terrae. Studien zur Genese einer alttestamentlichen Vorstellung (BZAW 215), Berlin / New York
  • Schwemer, D., 2001, Wettergottgestalten. Die Wettergottgestalten Mesopotamiens und Nordsyriens im Zeitalter der Keilschriftkulturen, Wiesbaden
  • Soden, W. von, 1994, Der altbabylonische Atramchasis-Mythos, in: TUAT III, Gütersloh, 612-645
  • Shnider, S., 2006, Psalm XVIII: Theophany, Epiphany, Empowerment, VT 56, 386-398
  • Zwickel, W., 2007, Regen, Dürre, Hungersnöte. Die Erforschung des Klimas in Palästina in den letzten 10.000 Jahren, Welt und Umwelt der Bibel 46/4, 1-7

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